Strafrecht

BT 3: Straftaten gegen Freiheit u.a.

Nötigung, § 240 StGB

Verwerflichkeit im Lichte der Versammlungsfreiheit

Verwerflichkeit im Lichte der Versammlungsfreiheit

11. Juli 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T will für bessere Radwege demonstrieren. Er meldet deswegen eine „Fahrraddemo” an. Gemeinsam mit den anderen Teilnehmern fährt er die geplante Route entlang, an der auch O wohnt. Aufgrund der vielen Fahrräder kommt O mit seinem Auto 20 Minuten lang nicht aus seiner Einfahrt.

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Einordnung des Falls

Verwerflichkeit im Lichte der Versammlungsfreiheit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Blockade der Einfahrt könnte Gewalt im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB sein.

Ja!

Nach dem klassischen Gewaltbegriff liegt Gewalt vor, wenn der Täter (1) durch körperliche Kraftentfaltung (2) Zwang ausübt, indem er auf den Körper eines anderen einwirkt, (3) um geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden.Der klassische Gewaltbegriff wurde im Laufe der Jahre durch die Rspr. aufgeweicht.Die Radfahrer fahren an der Einfahrt vorbei und entfalten so körperliche Kraft. O kann die Menge der Radfahrer physisch nicht überwinden. Darin liegt ein physisch wirkender Zwang.Auch an das Merkmal, das Widerstand überwunden werden soll, werden äußerst geringe Voraussetzungen angelegt. Rspr. und Literatur problematisieren es fast nie. In der Regel kannst Du es unproblematisch anwenden.
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2. Ist der objektive Tatbestand der Nötigung erfüllt (§ 240 Abs. 1 StGB)?

Genau, so ist das!

O konnte die Einfahrt wegen der vorbeifahrenden Menge an Fahrradfahrern nicht verlassen. Der Nötigungserfolg ist in Form eines Unterlassens eingetreten. Auch der nötigungsspezifische Zusammenhang liegt vor.Im subjektiven Tatbestand genügt dolus eventualis. Nach lebensnaher Betrachtung ist davon auszugehen, dass T es zumindest billigend in Kauf nahm, dass Autofahrer durch die Menge der Radfahrer für die Zeit des Vorbeifahrens blockiert werden.

3. Im Rahmen der Rechtswidrigkeit ist die Versammlungsfreiheit von T zu berücksichtigen.

Ja, in der Tat!

Teils werden Art. 5 GG und Art. 8 GG direkt als Rechtfertigungsgrund herangezogen, teils folgt die Berücksichtigung im Rahmen der Verwerflichkeitsprüfung (§ 240 Abs. 2 StGB). Für das Ergebnis ist egal, welchen Weg Du gehst.Friedliche Demonstrationen können als Nebenfolge zu Verkehrsbehinderungen führen. Damit einher geht, dass Dritte behindert bzw. in ihrer Fortbewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Soweit diese Freiheitsbeschränkung aber die zwangsläufige Folge oder regelmäßige Begleiterscheinung der Massenhaftigkeit der Ausübung der Grundrechte aus Art. 5 GG und Art. 8 GG ist, wird sie grundsätzlich durch die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen gedeckt. Sie kann deshalb nicht rechtswidrig sein.T hat von seinem Recht aus Art. 8 GG Gebrauch gemacht und friedlich demonstriert. Die Fahrraddemo fällt unter das Versammlungsrecht. Die Beeinträchtigung von O ist eine typische Begleiterscheinung und Nebenfolge der Versammlung. Sie ist deshalb nicht rechtswidrig.Dürften Demonstrationen nie die (Fortbewegungs-)Freiheit von Dritten einschränken, bestünde die Versammlungsfreiheit de facto nur für kleine Versammlungen. Das ist mit der verfassungsrechtlichen Garantie des Art. 8 GG nicht vereinbar.

4. Können Demonstrationen, die unter die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) fallen, nie verwerflich sein?

Nein!

Achtung! Die Versammlungsfreiheit muss im Rahmen der Rechtswidrigkeit der Tat berücksichtigt werden. Aber: auch Verhalten, das unter die Versammlungsfreiheit fällt, kann verwerflich sein. So sind zum Beispiel auch friedliche Sitzblockaden zunächst von der Versammlungsfreiheit gedeckt. Hier ist die Freiheitsbeeinträchtigung Dritter aber keine bloße Nebenfolge der Grundrechtsausübung. Diese Fälle können - müssen aber nicht - als verwerflich zu bewerten sein. Dazu gleich mehr.Zudem wird Art. 8 GG mit der rechtmäßigen Auflösung der Versammlung unanwendbar.
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