Öffentliches Recht
Europarecht
Warenverkehrsfreiheit, Art. 34 AEUV
Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV)
Schema: Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV)
Wie prüfst Du die Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV)?
Unmittelbare Anwendbarkeit
Kein vorrangiges Primärrecht, z.B. Art. 38 ff. AEUV für Agrarprodukte
Kein vorrangiges, harmonisierendes Sekundärrecht, Art. 114 AEUV
Körperlicher Gegenstand, der einen Geldwert hat und Gegenstand eines Handelsgeschäfts sein kann.
Das Definitionsmerkmal der Körperlichkeit ist ein wichtiges Abgrenzungskriterium zur Dienstleistungsfreiheit, die unkörperliche Leistungen umfasst. Allerdings gilt dieses Merkmal nur grundsätzlich. Es gibt davon Ausnahmen, so fällt nach dem EuGH auch Strom unter die Warenverkehrsfreiheit.
Herstellung in der EU oder Handel von rechtmäßig eingeführter und verzollter „Drittware“, die sich im freien Verkehr befindet, Art. 28 Abs. 2, 29 AEUV
Die Warenverkehrsfreiheit ist güter- und nicht personenbezogen, weshalb es keinen persönlichen Anwendungsbereich gibt. Auch Angehörige von Drittstaaten können sich daher auf sie berufen.
Dassonville-Formel
Nach der „Dassonville-Formel" handelt es sich um eine Maßnahme gleicher Wirkung, wenn eine Maßnahme geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern.
Keck-Formel
Die „Keck“-Formel konkretisiert die „Dassonville“-Formel und wird im Anschluss an diese geprüft. Nach der Keck-Formel werden unterschiedslos wirkende Vertriebsmodalitäten (z.B. Ladenöffnungszeiten) nicht als Maßnahmen gleicher Wirkung angesehen, weil sie den Marktzugang nicht beschränken. Der EuGH misst Verkaufs-und Vertriebsmodalitäten, die den Marktzugang in diskriminierende Weise beschränkten, trotzdem an der Warenverkehrsfreiheit. Produktbezogene Regelungen (z.B. Etikettierung, Verpackung) sind dagegen stets geeignet den Warenhandel zu beschränken und stellen daher Maßnahmen gleicher Wirkung dar.
Drei-Stufen-Formel (ANETT-Formel)
Nach dem Drei-Stufen-Test des EuGH liegt eine Beschränkung vor, wenn (1) Waren aus anderen Mitgliedstaaten schlechter behandelt werden als inländische Waren (offene Diskriminierungsverbot), (2) Waren, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellt und in Verkehr gebracht wurden, für den Marktzutritt bestimmten zusätzlichen Vorschriften entsprechen müssen (Herkunftslandprinzip)oder (3) der Marktzugang der Ware aus einem anderen Mitgliedstaat durch eine sonstige Maßnahme behindert wird (Marktzugangsbeschränkung). Es besteht Tendenz in der Rechtsprechung, die „Keck“-Formel durch den „Drei-Stufen-Test“ abzulösen.
Anwendungsbereich
Gegenständlicher Anwendungsbereich
Körperlicher Gegenstand, der einen Geldwert hat und Gegenstand eines Handelsgeschäfts sein kann.
Das Definitionsmerkmal der Körperlichkeit ist ein wichtiges Abgrenzungskriterium zur Dienstleistungsfreiheit, die unkörperliche Leistungen umfasst. Allerdings gilt dieses Merkmal nur grundsätzlich. Es gibt davon Ausnahmen, so fällt nach dem EuGH auch Strom unter die Warenverkehrsfreiheit.
Herstellung in der EU oder Handel von rechtmäßig eingeführter und verzollter „Drittware“, die sich im freien Verkehr befindet, Art. 28 Abs. 2, 29 AEUV
Die Warenverkehrsfreiheit ist güter- und nicht personenbezogen, weshalb es keinen persönlichen Anwendungsbereich gibt. Auch Angehörige von Drittstaaten können sich daher auf sie berufen.
Räumlicher Anwendungsbereich: Grenzüberschreitender Bezug
Dassonville-Formel
Nach der „Dassonville-Formel" handelt es sich um eine Maßnahme gleicher Wirkung, wenn eine Maßnahme geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern.
Keck-Formel
Die „Keck“-Formel konkretisiert die „Dassonville“-Formel und wird im Anschluss an diese geprüft. Nach der Keck-Formel werden unterschiedslos wirkende Vertriebsmodalitäten (z.B. Ladenöffnungszeiten) nicht als Maßnahmen gleicher Wirkung angesehen, weil sie den Marktzugang nicht beschränken. Der EuGH misst Verkaufs-und Vertriebsmodalitäten, die den Marktzugang in diskriminierende Weise beschränkten, trotzdem an der Warenverkehrsfreiheit. Produktbezogene Regelungen (z.B. Etikettierung, Verpackung) sind dagegen stets geeignet den Warenhandel zu beschränken und stellen daher Maßnahmen gleicher Wirkung dar.
Drei-Stufen-Formel (ANETT-Formel)
Nach dem Drei-Stufen-Test des EuGH liegt eine Beschränkung vor, wenn (1) Waren aus anderen Mitgliedstaaten schlechter behandelt werden als inländische Waren (offene Diskriminierungsverbot), (2) Waren, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellt und in Verkehr gebracht wurden, für den Marktzutritt bestimmten zusätzlichen Vorschriften entsprechen müssen (Herkunftslandprinzip)oder (3) der Marktzugang der Ware aus einem anderen Mitgliedstaat durch eine sonstige Maßnahme behindert wird (Marktzugangsbeschränkung). Es besteht Tendenz in der Rechtsprechung, die „Keck“-Formel durch den „Drei-Stufen-Test“ abzulösen.
Beschränkung
Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen, Art. 34 Alt. 1 AEUV
Hierbei handelt es sich um klassische Verbote der Verbringung bestimmter Waren aus einem Mitgliedstaat in einen anderen bzw. die Beschränkung des Warenverkehrs (Kontingentierung) nach Menge, Wert oder Zeitraum.
Maßnahmen gleicher Wirkungen wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen, Art. 34 Alt. 2 AEUV
Dassonville-Formel
Nach der „Dassonville-Formel" handelt es sich um eine Maßnahme gleicher Wirkung, wenn eine Maßnahme geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern.
Keck-Formel
Die „Keck“-Formel konkretisiert die „Dassonville“-Formel und wird im Anschluss an diese geprüft. Nach der Keck-Formel werden unterschiedslos wirkende Vertriebsmodalitäten (z.B. Ladenöffnungszeiten) nicht als Maßnahmen gleicher Wirkung angesehen, weil sie den Marktzugang nicht beschränken. Der EuGH misst Verkaufs-und Vertriebsmodalitäten, die den Marktzugang in diskriminierende Weise beschränkten, trotzdem an der Warenverkehrsfreiheit. Produktbezogene Regelungen (z.B. Etikettierung, Verpackung) sind dagegen stets geeignet den Warenhandel zu beschränken und stellen daher Maßnahmen gleicher Wirkung dar.
Drei-Stufen-Formel (ANETT-Formel)
Nach dem Drei-Stufen-Test des EuGH liegt eine Beschränkung vor, wenn (1) Waren aus anderen Mitgliedstaaten schlechter behandelt werden als inländische Waren (offene Diskriminierungsverbot), (2) Waren, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellt und in Verkehr gebracht wurden, für den Marktzutritt bestimmten zusätzlichen Vorschriften entsprechen müssen (Herkunftslandprinzip)oder (3) der Marktzugang der Ware aus einem anderen Mitgliedstaat durch eine sonstige Maßnahme behindert wird (Marktzugangsbeschränkung). Es besteht Tendenz in der Rechtsprechung, die „Keck“-Formel durch den „Drei-Stufen-Test“ abzulösen.
Rechtfertigung der Beschränkung
Geschriebene Rechtfertigungsgründe, Art. 36 AEUV
Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe
Verhältnismäßigkeit: legitimes Ziel, geeignet, erforderlich
Keine Verletzung der Unionsgrundrechte
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
KingintheNorth
12.4.2022, 23:38:32
Wo würde man die Anett-Formel thematisieren?
janaro
14.4.2022, 11:23:38
Ist das nicht das gleiche wie die 3-Stufen-Formel, wie sie hier genannt wird?
luzienator
17.1.2023, 22:27:59
Fehlt hier vollständigkeitshalber nicht noch der persönliche Schutzbereich/Anwendungsbereich? Vor allem, weil bei dieser Grundfreiheit eben keine Limi
tation auf die Staatsangehörigen der MS s
tattfindet.
Nora Mommsen
18.1.2023, 18:38:06
Hallo luciedolyn, danke für deine Frage. Im Rahmen der
Warenverkehrsfreiheitgibt es keinen persönlichen Schutzbereich. Die Prüfung weicht somit von den anderen Grundfreiheiten ab. Jeder Erbringer oder Inhaber einer Ware ist Berechtigter der
Warenverkehrsfreiheit. Dies ist unabhängig von seinem Wohnort oder seiner Staatsangehörigkeit. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
CR7
13.7.2023, 10:39:50
Super Aufgabe, ich finde es jedoch schwierig, direkt man einem so umfangreichen Prüfungsschema zu beginnen. Hier könnte man vielleicht zunächst eine Aufgabe einfügen, die die Grundfreiheit erklärt und das Schema am Ende bringen.
Lord Denning
1.2.2024, 15:27:56
Warum werden bei diesem Schema nicht offene und mittelbare Diskriminierung thematisiert? Bei anderen Schemata sind diese nämlich aufgeführt, weshalb ich mir dessen unsicher bin. Danke für eine Antwort schon mal im Voraus ;).
Nora Mommsen
4.2.2024, 16:28:53
Hallo Lord Denning LJ, danke für deine Frage. Die
Warenverkehrsfreiheitbezieht sich nicht auf eine Person, sondern auf Waren im europarechtlichen Sinne. Den Begriff der Beschränkung hat die Rechtsprechung hier eigenes weiterentwickelt in unterschiedlichen Stufen, wie sie aus dem Schema auch hervorgehen. Hier muss man sich gedanklich daher von dem ansonsten üblichen und recht "alpgemeingültigen" Schema lösen und in den Kategorien der
Warenverkehrsfreiheitdenken. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
gova
9.4.2024, 19:28:46
Soll ich in Fällen der
Warenverkehrsfreiheitnun die Keck-Formel anwenden und/oder die Anett-Formel? Ich habe es so verstanden, dass die ANETT-Formel die Keck-Formel „ersetzen“ soll. Allerdings habe ich im Rahmen der
Warenverkehrsfreiheitbisher nur die Anwendung der Keck-Formel gesehen mit Verweis darauf, dass die ANETT-Formel in jüngerer Zeit angewandt wird. Was ist nun der richtige Weg in der Fallbearbeitung?
bali
11.4.2024, 11:29:26
Würde mich auch interessieren!
Nedjem
16.4.2024, 19:14:21
aus dem AS-Skript EuR: 'Das Kriterium des Marktzugangs [der ANETT-Formel] können Sie in die Prüfung [wie gleich dargestellt] implementieren; tragend für Ihre Lösung sollten aber nach wie vor Dassonville- und Keck-Formel bleiben, da auch der Gerichtshof so verfährt.' Aufbauvorschlag im Rahmen des Eingriffs -
Maßnahme gleicher Wirkung: 1. Dassonville-Formel 2. Zudem fällt ein Maßnahme, auch wenn sie weder bezweckt noch bewirkt, Erzeugnisse aus anderen MS weniger günstig zu behandeln, unter den Begriff der
Maßnahme gleicher Wirkung, wenn sie den Zugang zum Markt eines MS behindert. 3. Keck-Formel
Sebastian Schmitt
27.9.2024, 09:46:54
Hallo @[gova](211395), das ist leider keine leichte Frage. Im Schrifttum wird die ANETT-Formel
tatsächlich zum Teil so gesehen, dass dadurch die bisherige Keck-Rspr ersetzt werden soll und die ANETT-Formel nun der neue
Prüfungsmaßstabist (in diese Richtung zB Purnhagen, JZ 2012, 742). Die
Tatsache, dass Ihr alle die Keck-Rspr (und auch die Dassonville-Rspr) weiterhin kennt und beigebracht bekommt, spricht allerdings eher dafür, dass viele (noch?) keine vollständige Abkehr von der Keck-Rspr sehen. So sieht es wohl auch noch die Mehrheit in der Literatur, auch über 10 Jahre nach der ANETT-Entscheidung. Verbunden wurde das, jedenfalls in der jüngeren Vergangenheit, mit Hinweisen, dass zB "noch unklar" (Schulze/Janssen/Kadelbach/Pache, EuropaR, 4. Aufl 2020, 1. Teil § 10 Rn 80) oder "noch ungewiss" (MüKoUWG/Leible, 3. Aufl 2020, Bd 1 A. Rn 83) sei, inwieweit der EuGH wirklich vollständig von Keck Abstand nehmen wollte. Für Prüfungen hilft Dir das leider nicht wirklich weiter. Ich würde mich insoweit aber @[Nedjem ](223337) anschließen, dass ich die Dassonville- und Keck-Grundsätze weiterhin ansprechen würde, weil sie immer noch zum Grundrepertoire gehören. Ein Hinweis auf die ANETT-Formel schadet sicherlich nicht und geht dem Risiko aus dem Weg, dass das Schlagwort in der Lösungsskizze auftaucht und man es dann selbst nicht bringt. Mit ausschweifenden Erklärungen, in welchem Verhältnis die ANETT-Formel nun zur bisherigen Rspr des EuGH steht, wäre ich allerdings (in der Klausur!) eher zurückhaltend, erst recht in eindeutigen Fällen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Geldhatmanzuhaben
8.7.2024, 12:57:42
Beim gegenständlichen Anwendungsbereich i.R.d. Waren sind überdies Elektrizität, etc. erfasst (kein körperlicher Gegenstand) und Abfälle (welchen zumindest unmittelbar kein Geldwert anhaften)