Pfändungsverbot vs. Eigentumsvorbehalt (§ 811 Abs. 2 ZPO)

16. Juli 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

R betreibt eine Reitschule. Hierfür hat er bei Sattlerin S einen Sattel unter Eigentumsvorbehalt gekauft. Als R nicht bezahlt, erstreitet S einen Titel und beantragt die Pfändung des Sattels.

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Einordnung des Falls

Pfändungsverbot vs. Eigentumsvorbehalt (§ 811 Abs. 2 ZPO)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Da R den Kaufpreis des Sattels noch nicht vollständig gezahlt hat, ist S weiterhin Eigentümerin des Sattels (§§ 929 S. 1, 449 Abs. 1, 158 Abs. 1 BGB). Kann der Vollstreckungsgläubiger grundsätzlich nur Gegenstände, die im Eigentum des Vollstreckungsschuldner stehen, pfänden lassen (§ 808 Abs. 1 ZPO)? (–)

Ja!

Nach § 808 Abs. 1 ZPO darf der Gerichtsvollzieher eine Sache pfänden, wenn sie sich im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners befindet. Ob die Sache dem Vollstreckungsschuldner, dem Vollstreckungsgläubiger oder einem Dritten gehört, spielt dabei grundsätzlich keine Rolle (Ausnahme: evidentes Dritteigentum). Die Pfändung einer schuldnerfremden Sache ist somit grundsätzlich kein Verfahrensfehler und daher auch nicht durch eine Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) anfechtbar. Sofern die Sache einem Dritten gehört, kann dieser sein Eigentum jedoch im Wege einer Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) geltend machen.S hat den Sattel unter Eigentumsvorbehalt an R übereignet. Das bedeutet, dass die dingliche Einigung i.R.d. § 929 S. 1 BGB aufschiebend bedingt ist und ihre Wirkung erst mit Bedingungseintritt, also mit vollständiger Kaufpreiszahlung, entfaltet (§§ 449 Abs. 1, 158 Abs. 1 BGB). Mehr dazu findest Du hier.
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2. R benötigt den Sattel für seine Reitschule. Unterliegt der Sattel damit grundsätzlich einem Pfändungsverbot nach § 811 Abs. 1 ZPO?

Genau, so ist das!

Nach § 811 Abs. 1 Nr. 1b ZPO sind Sachen, die der Schuldner oder eine Person, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder eine damit in Zusammenhang stehende Aus- oder Fortbildung benötigt, nicht pfändbar. R benötigt den Sattel für seine Reitschule bzw. für die Ausübung seiner Erwerbstätigkeit. Daher fällt er grundsätzlich unter das Pfändungsverbot des § 811 Abs. 1 Nr. 1b ZPO.

3. Der Sattel fällt grundsätzlich unter das Pfändungsverbot des § 811 Abs. 1 Nr. 1b ZPO. Ist er ausnahmsweise doch pfändbar, weil S ihn unter Eigentumsvorbehalt an R verkauft hat (§ 811 Abs. 2 ZPO)?

Ja, in der Tat!

Nach § 811 Abs. 2 S. 1 ZPO kann eine in § 811 Abs. 1 Nr. 1a, 1b, Nr. 2 ZPO bezeichnete Sache oder ein in § 811 Abs. 1 Nr. 8b ZPO bezeichnetes Tier abweichend von § 811 Abs. 1 ZPO gepfändet werden, wenn der Verkäufer wegen einer durch Eigentumsvorbehalt gesicherten Geldforderung aus dem Verkauf der Sache oder des Tieres vollstreckt.Die Regelung des § 811 Abs. 2 ZPO dient der Vermeidung eines weiteren Prozesses. Wenn S nämlich vom Vertrag mit R nach § 323 BGB zurücktritt (Rücktrittsgrund: ausbleibende Zahlung), hat er einen Anspruch auf Herausgabe des Sattels aus § 985 BGB (vgl. § 449 Abs. 2 BGB). Diesen kann er titulieren und uneingeschränkt vollstrecken. Denn auf die Herausgabevollstreckung (§ 883 ZPO) sind die Pfändungsverbote nach § 811 ZPO nicht anwendbar. Diesen Weg kann man über § 811 Abs. 2 ZPO „abkürzen“. S hat R den Sattel unter Eigentumsvorbehalt verkauft und will durch die Pfändung seine Kaufpreiszahlungsforderung vollstrecken. Der Sattel ist daher pfändbar.

4. Um den Sattel pfänden zu lassen, muss R den Eigentumsvorbehalt durch eine Urkunde nachweisen (§ 811 Abs. S. 2 ZPO).

Ja!

Nach § 811 Abs. 2 S. 2 ZPO muss der Vollstreckungsgläubiger gegenüber dem Gerichtsvollzieher die Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts durch eine Urkunde nachweisen. R muss die Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts gegenüber dem Gerichtsvollzieher durch eine Urkunde nachweisen. Er könnte ihm beispielsweise die den Eigentumsvorbehalt beinhaltende Kaufvertragsurkunde vorlegen. Die Nachweispflicht nach § 811 Abs. 2 S. 2 ZPO soll sicherstellen, dass der Gerichtsvollzieher auch in diesem Fall nur Formalitäten prüfen muss und nicht mit inhaltlichen Fragen „überfordert“ wird (Formalisierung der Zwangsvollstreckung).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Max08152

Max08152

15.7.2025, 14:25:51

Die Antwort zu Frage Nr. 1 ist falsch.


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