Austauschpfändung (§ 811a ZPO)

16. Juli 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bei einer Sachpfändung fällt Gerichtsvollzieher G im Wohnzimmer der Vollstreckungsschuldnerin R ein High-End-Fernseher auf. G fragt sich, ob er diesen pfänden darf. In Rs Haushalt befindet sich nur dieser eine Fernseher, außerdem besitzt R zur Zeit auch keinen Computer.

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Einordnung des Falls

Austauschpfändung (§ 811a ZPO)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Fernseher gilt grundsätzlich als eine Sache, die „für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung“ (§ 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO) benötigt wird.

Genau, so ist das!

Nach § 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO sind Sachen, die der Schuldner oder eine Person, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung benötigt, nicht pfändbar. Hierzu zählen auch elektronische Geräte, die als Informationsquelle dienen. Früher erachtete man ein Rundfunkgerät als für diesen Zweck ausreichend. Heutzutage erstreckt sich das Pfändungsverbot nach h.M. auch auf Fernsehgeräte. Ein Fernseher ist hiernach unpfändbar, sofern er das einzige (verbleibende) Gerät im Haushalt ist. Auch hier kommt es konkret auf den Einzelfall an. Die Pfändung eines Fernsehers kommt z.B. dann in Betracht, wenn ein PC mit Empfangsmöglichkeit von Fernsehprogrammen vorhanden ist. Dass ein Fernseher regelmäßig unter § 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO fällt, solltest Du dir merken, da dies aus der Kommentierung im Thomas/Putzo nicht hervorgeht.
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2. Rs Fernseher war sehr teuer. Geht der Fernseher allein aus diesem Grund über das hinaus, was R für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung benötigt (§ 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO)?

Nein, das trifft nicht zu!

Im Rahmen von § 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO kommt es darauf an, welche Funktion die Sache im Haushalt des Schuldners erfüllt und ob diese Funktion zu einer bescheidenen Lebens- und Haushaltsführung gezählt werden kann. Mit anderen Worten: Die Lebensführung muss bescheiden sein, nicht die Sache selbst. Allein der wirtschaftliche Wert der Sache spielt deshalb grundsätzlich keine Rolle. Es kommt darauf an, dass der Fernseher als Informationsquelle dient. Es zählt zu einer bescheidenen Lebens- und Haushaltsführung, mindestens eine Informationsquelle im Haushalt zu haben. Dass das Gerät besonders teuer war, ist nicht von Bedeutung. Mangels anderer Informationsquellen in Rs Haushalt, darf G den Fernseher nicht pfänden (§ 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO). Dass ein Fernseher unabhängig von seinem Wert regelmäßig dem Pfändungsverbot des § 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO unterliegt, lässt sich ebenfalls nicht aus der Kommentierung im Thomas/Putzo entnehmen. Auch das solltest Du daher im Hinterkopf behalten.

3. Rs Fernsehen unterliegt dem dem Pfändungsverbot des § 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO. Könnte G den Fernseher trotzdem pfänden, wenn die Voraussetzungen des § 811a Abs. 1 ZPO vorlägen?

Ja!

Nach § 811a Abs. 1 HS. 1 ZPO kann die Pfändung einer nach § 811 Abs. 1 Nr. 1a, 1b und 2 ZPO unpfändbaren Sache zugelassen werden, wenn der Gläubiger dem Schuldner vor der Wegnahme der Sache ein Ersatzstück, das dem geschützten Verwendungszweck genügt, oder den zur Beschaffung eines solchen Ersatzstückes erforderlichen Geldbetrag überlässt (= Austauschpfändung). Durch eine Austauschpfändung könnte G den Fernseher des R pfänden lassen. Konkret könnte R z.B. ein anderes (günstigeres) Fernsehgerät überlassen werden. Der Vollstreckungsgläubiger muss eine Austauschpfändung vorab beim Vollstreckungsgericht beantragen, welches durch Beschluss über deren Zulässigkeit entscheidet (§ 811a Abs. 2 S. 1 ZPO). Entscheidend ist unter anderem, dass die Austauschpfändung „nach Lage der Verhältnisse angemessen ist, insbesondere wenn zu erwarten ist, dass der Vollstreckungserlös den Wert des Ersatzstückes erheblich übersteigen werde (§ 811a Abs. 2 S. 2 ZPO).“
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