+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
D ist empört. Sie hatte ihrer Schwester S ihren Plattenspieler geliehen und hat nun erfahren, dass dieser bei der Zwangsvollstreckung des G gegen S gepfändet und versteigert wurde. G hat den Erlös bereits erhalten. D möchte gerichtlich gegen G oder den Ersteigerer E vorgehen.
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Einordnung des Falls
Was ist eine verlängerte Drittwiderspruchsklage? (Einführungsfall)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. In den Fällen, in denen die Zwangsversteigerungen auch Auswirkungen auf einen (außenstehenden) Dritten hat, ist zunächst an die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) zu denken.
Ja, in der Tat!
Immer dann, wenn nicht der Vollstreckungsschuldner selbst Einwände gegen die Vollstreckung erhebt, sondern diese von einem Dritten kommen, solltest Du an die Drittwiderspruchsklage denken
Eine Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO ist zulässig, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
(1) Statthaftigkeit
(2) Zuständigkeit des Gerichts
(3) Rechtsschutzbedürfnis. Eine Drittwiderspruchsklage ist nach § 771 Abs. 1 ZPO zunächst statthaft, wenn der Kläger als Dritter ein die Veräußerung hinderndes Recht (Interventionsrecht) am Gegenstand der Zwangsvollstreckung geltend macht. Die Zulässigkeit der Drittwiderspruchsklage kannst Du dir hier im Detail anschauen.
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2. Das Eigentum an einer Sache ist ein „die Veräußerung hinderndes Recht“ i.S.v. § 771 Abs. 1 BGB. Wäre Ds Drittwiderspruchsklage in Bezug auf den Plattenspieler damit zunächst statthaft?
Ja!
Eine Drittwiderspruchsklage ist nach § 771 Abs. 1 ZPO statthaft, wenn der Kläger als Dritter ein die Veräußerung hinderndes Recht (= Interventionsrecht) am Gegenstand der Zwangsvollstreckung geltend macht. Das Eigentum ist ein solches Interventionsrecht.
Eine Drittwiderspruchsklage der D gegen G, in der sich D auf ihr Eigentum am Plattenspieler beruft, wäre statthaft.
Im Rahmen der Statthaftigkeit ist zunächst noch unerheblich, ob D tatsächlich noch Eigentümerin des Plattenspielers ist oder dieses an E verloren hat. Entscheidend ist nur, dass das geltend gemachte/behauptete Recht ein Interventionsrecht im Sinne des § 771 Abs. 1 ZPO ist. Ob es tatsächlich besteht, wird erst in der Begründetheit der Drittwiderspruchsklage geprüft.
3. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Drittwiderspruchsklage besteht, wenn die Zwangsvollstreckung schon begonnen hat und noch nicht beendet ist. Hat D ein Rechtsschutzbedürfnis?
Nein, das ist nicht der Fall!
Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Drittwiderspruchsklage besteht, wenn die Zwangsvollstreckung schon begonnen hat und noch nicht beendet ist. Anknüpfungspunkt ist hierbei nicht die Zwangsvollstreckung an sich, sondern die Zwangsvollstreckung in den bestimmten Gegenstand, gegen die sich die Drittwiderspruchsklage richtet. Die Zwangsvollstreckung ist hiernach beendet, wenn dieser Gegenstand versteigert und der Erlös dafür an den Vollstreckungsgläubiger ausbezahlt worden ist.
Ds Plattenspieler wurde bereits versteigert und der Erlös dafür an G ausbezahlt. Die Zwangsvollstreckung ist daher bereits beendet. D hat daher kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Drittwiderspruchsklage. Eine Drittwiderspruchsklage wäre also unzulässig.
4. D denkt, dass sie gegen E einen Anspruch auf Herausgabe des Plattenspielers hat und möchte diesen gerichtlich geltend machen. Wäre in diesem Fall ebenfalls eine Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) statthaft?
Nein, das trifft nicht zu!
Eine Drittwiderspruchsklage ist nach § 771 Abs. 1 ZPO statthaft, wenn der Kläger als Dritter ein die Veräußerung hinderndes Recht (Interventionsrecht) geltend macht. Das Rechtsschutzbedürfnis hierfür besteht jedoch nur bis zur Beendigung der Zwangsvollstreckung. Nach Beendigung der Zwangsvollstreckung kommt allenfalls ein Anspruch des Dritten auf Erlösherausgabe gegen den Vollstreckungsgläubiger in Betracht. Diesen Anspruch kann der Dritte i.R.e. „normalen“ Leistungsklage geltend machen. Diese Klage bezeichnet man auch als „verlängerte Drittwiderspruchsklage“.
Eine Drittwiderspruchsklage wäre – wie aufgezeigt – nur gegen G statthaft. Dasselbe gilt für eine „verlängerte Drittwiderspruchsklage“ gerichtet auf Erlösherausgabe. Einen Herausgabeanspruch gegen E müsste D ebenfalls durch Leistungsklage geltend machen. Allerdings könnte E wirksam Eigentum an dem Plattenspieler erlangt haben (§ 817 Abs. 2 ZPO), sofern der Plattenspieler wirksam verstrickt war. In diesem Fall bliebe Ds Klage ohne Erfolg.
5. D möchte gerne eine verlängerte Drittwiderspruchsklage (= Klage auf Erlösherausgabe) gegen G erheben. Gibt es hierfür eine spezielle gesetzliche Regelung in § 771 ZPO?
Nein!
Eine „verlängerte Drittwiderspruchsklage“ ist eine nach Beendigung der Zwangsvollstreckung erhobene Leistungsklage des „zu spät kommenden Dritten“ gegen den Vollstreckungsgläubiger auf Erlösherausgabe. Die „verlängerte Drittwiderspruchsklage“ ist nicht speziell normiert. Vielmehr handelt es sich um eine „normale Leistungsklage“, die auf Erlösherausgabe gerichtet ist.
Anders als eine Drittwiderspruchsklage ist eine „verlängerte Drittwiderspruchsklage“ also kein Rechtsbehelf der Zwangsvollstreckung im engeren Sinne.