Referendariat

Die ZVR-Klausur

„Verlängerte Drittwiderspruchsklage“

Möglichkeiten des Dritten nach der Versteigerung - „verlängerte Drittwiderspruchsklage“ / Herausgabeklage? (Überblick)

Möglichkeiten des Dritten nach der Versteigerung - „verlängerte Drittwiderspruchsklage“ / Herausgabeklage? (Überblick)

15. Januar 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Rs Rennrad wird im Rahmen der Zwangsversteigerung des G gegen S gepfändet und versteigert. M ist der Meistbietende. Die Gerichtsvollzieherin zahlt den Versteigerungserlös aus. R möchte nun entweder das Rennrad selbst zurück oder zumindest den dafür erhaltenen Versteigerungserlös.

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Einordnung des Falls

Möglichkeiten des Dritten nach der Versteigerung - „verlängerte Drittwiderspruchsklage“ / Herausgabeklage? (Überblick)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Zwangsvollstreckung in das Rennrad ist bereits beendet.

Genau, so ist das!

Die Zwangsvollstreckung in einen Gegenstand ist beendet, wenn dieser Gegenstand versteigert und der Erlös dafür ausgezahlt worden ist. Das Rennrad wurde versteigert und der dafür erhaltene Erlös ausgezahlt. Damit ist die Zwangsvollstreckung in das Rennrad beendet. Dies hat zur Folge, dass eine Drittwiderspruchsklage des R gegen G nun mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig wäre.
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2. Das Rennrad ist nun in Ms Besitz (§ 817 Abs. 2 ZPO).

Ja, in der Tat!

Nach der öffentlichen Versteigerung wird die versteigerte Sache dem Ersteigerer, der den Zuschlag erhalten hat, gegen Bezahlung der gebotenen Summe übergeben (§ 817 Abs. 2 ZPO). Den Zuschlag erhält der Meistbietende (§ 817 Abs. 1 S. 1 ZPO). M war der Meistbietende. Das Rennrad muss ihm bereits gegen Bezahlung der von ihm gebotenen Summe übergeben worden sein. Andersfalls hätte G noch nicht den Versteigerungserlös erhalten können.

3. R möchte klageweise die Herausgabe des Rennrads von M verlangen. Wäre dies eine „verlängerte Drittwiderspruchsklage“?

Nein!

Eine „verlängerte Drittwiderspruchsklage“ ist eine nach Beendigung der Zwangsvollstreckung erhobene Leistungsklage des „zu spät kommenden Dritten“ (zu spät für eine Drittwiderspruchsklage) gegen den Vollstreckungsgläubiger auf Erlösherausgabe. M ist nicht der Vollstreckungsgläubiger (sondern G). Eine Leistungsklage des R gegen M auf Herausgabe des Rennrads würde man nicht als „verlängerte Drittwiderspruchsklage“ bezeichnen. Letztlich ist aber die verlängerte Drittwiderspruchsklage auch „nur“ eine Leistungsklage. Der Begriff wird vor allem verwendet, um den Bezug der verlängerten Drittwiderspruchsklage zu verdeutlichen.

4. Rs Klage auf Herausgabe des Rennrads gegen M hätte Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet wäre.

Genau, so ist das!

Die Prüfung der Zulässigkeit einer Klage des R haben wir hier aus didaktischen Gründen weggelassen. Rs Klage auf Herausgabe des Rennrads gegen M hätte Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet wäre. Die Begründetheit setzt voraus, dass R einen Herausgabeanspruch gegen M hat. In Betracht kommen § 985 BGB und § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. Ablieferung i.S.v. § 817 Abs. 2 ZPO bedeutet i.d.R. Eigentumgserwerb (kraft Hoheitsakt) des Ersteigers. Dieser erwirbt regelmäßig kondiktionsfestes Eigentum an der Sache. Dafür ist es ohne Bedeutung, ob die Sache zuvor im Eigentum des Vollstreckungsschuldners stand oder nicht. Wann ein Eigentumserwerb nach § 817 Abs. 2 ZPO scheitert, ist umstritten. Dazu später mehr! M hat nach § 817 Abs. 2 ZPO das Eigentum an dem Rennrad erlangt. R ist damit nicht mehr Eigentümer, sodass ein Anspruch aus § 985 BGB nicht besteht. Zudem ist der erteilte Zuschlag ein Rechtsgrund i.S.v. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. Rs Klage wäre unbegründet.

5. Wenn R schon nicht das Rennrad zurückhaben kann, möchte er zumindest den dafür erhaltenen Erlös. Ist S im Besitz des Erlöses?

Nein, das trifft nicht zu!

Nach der öffentlichen Versteigerung zahlt das zuständige Vollstreckungsorgan den für die versteigerte Sache erhaltenen Erlös an den Vollstreckungsgläubiger aus (§ 815 Abs. 1 ZPO). § 815 Abs. 1 ZPO regelt wortwörtlich nur, wie mit beim Vollstreckungsschuldner gepfändetem Bargeld zu verfahren ist. Jedoch stützt man auch die Erlösauskehr (= Ablieferung des Erlöses beim Vollstreckungsgläubiger) nach der öffentlichen Versteigerung einer gepfändeten Sache auf § 815 Abs. 1 ZPO. Aus § 825 Abs. 2 ZPO ergibt sich, dass bei einer gerichtlichen Zwangsvollstreckung der Gerichtsvollzieher für die Versteigerung (und damit auch für die Auszahlung des Versteigerungserlöses) zuständig ist. Die Gerichtsvollzieherin hat den Versteigerungserlös bereits ausbezahlt. Damit befindet sich nun der Vollstreckungsgläubiger G im Besitz des Erlöses.

6. R möchte klageweise die Herausgabe des Versteigerungserlöses von G verlangen. Wäre dies eine „verlängerte Drittwiderspruchsklage“?

Ja!

Eine „verlängerte Drittwiderspruchsklage“ ist eine nach Beendigung der Zwangsvollstreckung erhobene Leistungsklage des „zu spät kommenden Dritten“ (zu spät für eine Drittwiderspruchsklage) gegen den Vollstreckungsgläubiger auf Erlösherausgabe. Eine Klage des R gegen G auf Herausgabe des Versteigerungserlöses wäre eine „verlängerte Drittwiderspruchsklage“.

7. Könnte eine „verlängerte Drittwiderspruchsklage“ des R gegen G grundsätzlich Aussicht auf Erfolg haben?

Genau, so ist das!

Der Dritte, dessen Sache beim Vollstreckungsschuldner gepfändet und anschließend versteigert worden ist, hat regelmäßig einen Anspruch gegen den Vollstreckungsgläubiger auf Erlösherausgabe aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB, den er durch eine „verlängerte Drittwiderspruchsklage“ geltend machen kann. Eine „verlängerte Drittwiderspruchsklage“ des R gegen G hätte Aussicht auf Erfolg. Also nochmal einfach zusammengefasst: Von dem neuen Eigentümer der versteigerten Sache etwas zu erhalten, wird für den Dritten eher schwierig. Dazu gleich mehr! Die „verlängerte Drittwiderspruchsklage“ findest Du in den vorangegangenen Kapiteln .
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