+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der analoge A nutzt keine Medien. Deshalb legt A gegen einen Bescheid über GEZ-Rückstände i.H.v. € 55,08 Widerspruch ein. Widerspruchsbehörde W merkt, dass bei der Berechnung ein Monat fehlt. W weist As Widerspruch zurück und erhöht die Zahlungspflicht auf € 73,44.
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Einordnung des Falls
Reformatio in peius (Einführungsfall 2)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. W hat A durch die Festsetzung der neuen Zahlungspflicht begünstigt.
Nein, das trifft nicht zu!
Nur, wenn die Widerpsurchsbehörde eine Regelung zu Ungunsten des Widerspruchsführer getroffen hat (belastender Verwaltungsakt), spricht man von einer reformatio in peius.
Eine Verwaltungsakt ist begünstigend, wenn er ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt (vgl. Legaldefinition in § 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG). Ein belastender Verwaltungsakt liegt dagegen vor, wenn dieser den Adressaten durch ein Ge- oder Verbot oder durch die Nichtgewährung einer Leistung beschwert. Die durch W festgesetzte Zahlungspflicht begründet keinen Vorteil für A. Vielmehr wird durch Ws Anordnung die ursprüngliche Zahlungspflicht (= Gebot) noch verstärkt. Es handelt sich um eine reformatio in peius. Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
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2. Die Widerspruchsbehörde ist gesetzlich ausdrücklich dazu ermächtigt, den angegriffenen Verwaltungsakt zum Nachteil des Widerspruchsführers abzuändern.
Nein!
Es gibt keine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wonach die Widerspruchsbehörde im Rahmen des Widerspruchsverfahrens von dem erlassenen Verwaltungsakt zum Nachteil des Widerspruchsführers abweichen darf. Die Zulässigkeit einer Verböserung im Widerspruchsverfahren (= reformatio in peius) ist daher höchst strittig. Insbesondere können die §§ 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 71, 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO nicht als Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden. Dazu später mehr! 3. Gegen die Befugnis der Behörde zur Verböserung spricht vor allem der Vertrauensschutz des Widerspruchsführers.
Genau, so ist das!
Es gibt eine Vielzahl von Argumenten, die gegen die Befugnis der Widerspruchsbehörde sprechen. Besonders relevant ist zunächst das Argument des Vertrauensschutzes: Erlässt die Behörde einen begünstigenden Verwaltungsakt, so soll der Adressat auf den Bestand dieser Begünstigung vertrauen dürfen, selbst wenn in einem Widerspruchsverfahren „noch mehr“ fordert. Die Gefahr der Verböserung im Widerspruchsverfahren könnte außerdem dazu führen, dass der Adressat sich nur aus diesem Grund nicht gegen einen Verwaltungsakt wehrt. Dadurch wird letztlich der effektive Rechtsschutz eingeschränkt. 4. Gegen die Zulässigkeit der reformatio in peius spricht zudem der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG).
Nein, das trifft nicht zu!
Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) der Verwaltung ist das Hauptargument für die Befugnis der Behörde zur Verböserung im Widerspruchsverfahren angeführt. Denn die Behörde ist zu rechtmäßigem Handeln und zur Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände verpflichtet. Wenn die Behörde also bei der erneuten Überprüfung eines erlassenen Verwaltungsakts im Rahmen des Widerspruchsverfahren zu dem Ergebnis kommt, dass dieser rechtswidrig ist, muss sie die Befugnis haben, dies – auch durch Abänderung zum Nachteil des Widerspruchsführers – zu korrigieren. Letztlich geht es bei der reformatio in peius darum, einen Ausgleich zwischen (1) dem grundsätzlich berechtigen Interesse des Widerspruchsführers am Fortbestand der Begünstigung und (2) der Notwendigkeit der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu finden. Wenn Du dies immer im Hinterkopf behältst, wird Dir die Lösung entsprechender Fälle leichter fallen!