Öffentliches Recht

VwGO

Widerspruchsverfahren

Reformatio in peius oder neue Regelung? (Selbsteintritt der Widerspruchsbehörde)

Reformatio in peius oder neue Regelung? (Selbsteintritt der Widerspruchsbehörde)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Behörde B untersagt Prinzessin P die Nutzung ihres illegal errichteten Gartenhauses. Ps Widerspruch gegen die Nutzungsuntersagung weist die Widerspruchsbehörde W zurück. Gleichzeitig erlässt sie eine Abrissverfügung bezüglich des Gartenhauses.

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Einordnung des Falls

Reformatio in peius oder neue Regelung? (Selbsteintritt der Widerspruchsbehörde)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. W hat im Widerspruchsverfahren eine neue Belastung gegenüber der P erlassen. Nach der h.M. ist das grundsätzlich möglich.

Ja!

Mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, ist es umstritten, ob die Widerspruchsbehörde die Befugnis hat, einen Verwaltungsakt im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zum Nachteil des Widerspruchsführers zu ändern. Die h.M. geht aber – vor allem mit Verweis auf die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung – von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Verböserung im Widerspruchsverfahren aus. Nach der h.M. hat W grundsätzlich die Befugnis, mit dem Widerspruchsbescheid (vgl. § 73 Abs. 1 VwGO) eine zusätzliche nachteilige Regelung für den Widerspruchsführer zu treffen.
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2. Die Abrissverfügung bewegt sich bei wertender Betrachtung noch im Rahmen des ursprünglichen Verwaltungsverfahrens.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach der h.M. hat die Widerspruchsbehörde grundsätzlich die Kompetenz, eine Verböserung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vorzunehmen. Inhaltlich darf die Widerspruchsbehörde jedoch nur eine Regelung erlassen, die bei wertender Betrachtung noch im Zusammenhang mit der ursprünglichen Belastung steht. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn lediglich di Intensität einer bestehenden Belastung verstärkt wird (sog. qualitative Mehrbelastung). Die von W erlassene Abrissverfügung ist nicht nur eine „intensivere“ Nutzungsuntersagung, sondern vielmehr ein Aliud zur Nutzungsuntersagung. Es handelt sich um einen völlig neuen Verwaltungsakt. Damit liegt keine „echte“ reformatio in peius, sondern ein sog. Selbsteintritt der W vor.

3. Die Abrissverfügung kann nur rechtmäßig sein, wenn W für den Erlass der Verfügung zuständig war.

Ja, in der Tat!

Erlässt die Widerspruchsbehörde im Widerspruchsverfahren einen völlig neuen Verwaltungsakt, so spricht man von einem „Selbsteintritt“ der Widerspruchsbehörde. Dieser ist grundsätzlich unzulässig: Denn Aufgabe der Widerspruchsbehörde ist es, die Entscheidung der Ausgangsbehörde zu überprüfen und gerade nicht, eigene Entscheidungen in der Sache zu treffen. Dies ist Aufgabe der Ausgangsbehörde. In manchen Fällen hat die Widerspruchsbehörde aber ausnahmsweise ein „Selbsteintrittsrecht“ und ist damit zuständig für den Erlass der Verböserung. Die Abrissverfügung ist nur dann rechtmäßig, wenn W ein Selbsteintrittsrecht zusteht. Zudem müssten auch alle weiteren formellen und materiellen Voraussetzungen für den Erlass der Abrissverfügung gegeben sein. Hierzu später mehr!
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