Strafrecht

BT 3: Straftaten gegen Freiheit u.a.

Nötigung, § 240 StGB

Besonders schwerer Fall nach § 240 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StGB – Ausnahme von Regelwirkung?

Besonders schwerer Fall nach § 240 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StGB – Ausnahme von Regelwirkung?

1. Juni 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Polizist T ist sicher, dass O ein Kind entführt hat. T sagt O, er werde ihm körperliche Schmerzen zufügen, sollte O nicht den Aufenthaltsort des Vermissten preisgeben. Daraufhin sagt O, wo sich das Kind befindet.

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Einordnung des Falls

Besonders schwerer Fall nach § 240 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StGB – Ausnahme von Regelwirkung?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat den Tatbestand der Nötigung erfüllt, indem er O ankündigte, ihm Schmerzen zuzufügen, woraufhin dieser den Aufenthaltsort des Kindes preisgab (§ 240 Abs. 1 StGB).

Ja!

Objektive Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 240 Abs. 1, Abs. 2 StGB sind: (1) Nötigungshandlung: Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel (2) Nötigungserfolg: Handeln, Dulden oder Unterlassen (3) Nötigungsspezifischer Zusammenhang T müsste zudem vorsätzlich gehandelt haben.In der Ankündigung, Schmerzen zuzufügen, liegt ein empfindliches Übel (= Drohung). Wegen dieser Ankündigung gab O den Ort des vermissten Kindes an (= Nötigungserfolg und nötigungsspezifischer Zusammenhang). T handelte dabei vorsätzlich.Die Tat von T war auch nicht wegen Nothilfe gerechtfertigt. Denn die Androhung verstößt gegen das Folterverbot und ist damit als Nothilfehandlung nicht geboten. Aus demselben Grund ist sie verwerflich. T handelte auch schuldhaft.
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2. T handelte in seiner Eigenschaft als Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Könnte somit ein besonders schwerer Fall der Nötigung gemäß § 240 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 vorliegen?

Genau, so ist das!

Nach dieser Vorschrift ist ein besonders schwerer Fall zu bejahen, wenn der Täter seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht.Die Regelbeispiele sind immer nach der Schuld zu prüfen. Zudem ist stets darauf zu achten, dass die im Gesetz explizit genannten Fälle gerade keinen abschließenden Charakter haben.

3. Hat T seine Stellung als Amtsträger missbraucht, als er O die Zufügung von Schmerzen androhte (§ 240 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StGB)?

Ja, in der Tat!

Ein Missbrauch der Stellung liegt vor, wenn die Eigenschaft und Stellung als Amtsträger dem Täter den Zugang zum Opfer ermöglicht, die Nötigungshandlung selbst aber nicht im Rahmen seiner grundsätzlichen Amtsbefugnisse (Zuständigkeit) liegt.T hatte Zugang zu O, weil er ihn als Polizist verhört hat. Die Folter durfte er ihm aber nicht androhen. T hat so seine Stellung als Amtsträger missbraucht.

4. Wenn ein Regelbeispiel objektiv verwirklicht wird, wird auch der besonders schwere Fall unwiderleglich vermutet (§ 240 Abs. 4 StGB).

Nein!

Nach dem Wortlaut des Gesetzes liegt ein besonders schwerer Fall der Nötigung „in der Regel” vor, wenn ein Amtsträger seine Stellung missbraucht (§ 240 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StGB). Diese Formulierung macht deutlich, dass beim Erfüllen eines Regelbeispiels zwar grundsätzlich ein besonders schweren Fall vermutet wird, im Einzelfall aber auch eine Ausnahme vorliegen kann.T ging es allein darum, das Leben des entführten Kindes zu retten. Nach dem LG Frankfurt a.M. begründet das eine atypische Konstellation und massive mildernde Umstände, die im konkreten Fall dagegen sprechen, dass ein besonders schwerer Fall der Nötigung vorliegt. Im Originalfall erhielt der Polizist auch insgesamt eine ausnahmsweise sehr geringe Strafe. Das Gericht sprach eine Verwarnung mit Strafvorbehalt nach § 59 StGB aus.
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