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Ausschluss eines Mitglieds des „III.-Weg“ aus dem Rechtsreferendariat (BVerwG, Urt. vom 10.10.2024 - 2 C 15.23)

Ausschluss eines Mitglieds des „III.-Weg“ aus dem Rechtsreferendariat (BVerwG, Urt. vom 10.10.2024 - 2 C 15.23)

16. April 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K ist Mitglied und Funktionär in der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“. Er stellt nach seinem Jurastudium einen Antrag auf Aufnahme in das Rechtsreferendariat in Bayern zum Einstellungstermin 01.04.2020. Der Präsident P des OLG lehnt Ks Antrag mit Hinweis auf die Parteimitgliedschaft wegen fehlender Eignung ab.

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Einordnung des Falls

Ausschluss eines Mitglieds des „III.-Weg“ aus dem Rechtsreferendariat (BVerwG, Urt. vom 10.10.2024 - 2 C 15.23)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 15 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Einige Monate später möchte K gerichtlich feststellen lassen, dass die Ablehnung seines Antrags rechtswidrig war. Ist die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO) die statthafte Klageart?

Ja, in der Tat!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Klägers (vgl. § 88 VwGO). Die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO) ist statthaft, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass ein erledigter Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist. K begehrte die Zulassung zum Rechtsreferendariat zum Einstellungstermin 01.04.2020. Die begehrte Zulassung ist ein Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 VwVfG). Ursprünglich war daher die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) statthaft. Allerdings hat der begehrte Verwaltungsakt sich durch Zeitablauf nach § 43 Abs. 2 VwVfG (hier: Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG) erledigt, da der Einstellungstermin, der 01.04.2020, bereits verstrichen ist. Nun begehrt K nur noch die Feststellung, dass die Ablehnung rechtswidrig gewesen ist. Folglich ist die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft. Beachte: Hier ist die Fortsetzungsfeststellungsklage in doppelt analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO statthaft: Zum einen da sich der Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat und zum anderen, weil § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO unmittelbar nur auf Anfechtungsklagen bezogen ist, es hier aber um eine Verpflichtungssituation geht.
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2. Die Ablehnung des Antrags des K wegen fehlender Verfassungstreue ist durch die mediale Berichterstattung allgemein bekannt geworden. Liegt vor diesem Hintergrund ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO vor?

Ja!

Ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO (= Fortsetzungsfeststellungsinteresse), wird in folgenden Fallgruppen angenommen: (1) Wiederholungsgefahr (2) Rehabilitationsinteresse (3) Präjudizinteresse (4) (Schwerer) Grundrechtseingriff durch einen sich typischerweise schnell erledigenden Verwaltungsakt. Ein Rehabilitationsinteresse liegt vor, wenn sich aus dem behördlichen Handeln eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen (RdNr. 18). Die Zuschreibung der Eigenschaft als verfassungsfeindlich ist geeignet, das Ansehen des K zu schmälern und ihn nachhaltig zu stigmatisieren, insbesondere durch die mediale Berichterstattung. Folglich besteht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse i.S.d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses (RdNr. 19). Im Originalfall bestand die Besonderheit, dass K in der Zwischenzeit in einem anderen Bundesland das Referendariat absolviert und nun als Rechtsanwalt tätig ist. Das BVerwG bejaht dennoch Rehabilitationsinteresse wegen anhaltender Stigmatisierung des K durch Charakterisierung als Verfassungsfeind (RdNr. 19) Das erstinstanzlich zuständige VG Würzburg bejahte in seiner Entscheidung noch die Wiederholungsgefahr (VG Würzburg, RdNr. 38). Diese läge nach dem BVerwG inzwischen nicht mehr vor, da K nach dem nun beendeten Referendariat keinen Zulassungsantrag mehr stellen wird.

3. Kommt es für die Begründetheit der Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog) allein darauf an, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist?

Nein, das ist nicht der Fall!

Da es sich bei der Fortsetzungsfeststellungsklage in der Verpflichtungssituation um eine fortgesetzte Verpflichtungsklage handelt, ergibt der Prüfungsmaßstab sich aus § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO (analog) i.V.m. § 113 Abs. 5 VwGO. Erforderlich ist (1) die Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts (der Ablehnung) und (2) eine subjektive Rechtsverletzung des Klägers. Die Ablehnung war rechtswidrig, wenn K zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses – Verstreichen des 01.04.2020 – einen Anspruch auf Zulassung hatte. Bei der Begründetheit der Verpflichtungsklage, bzw. hier der Fortsetzungsfeststellungsklage als „verlängerte Verpflichtungsklage“, gibt es zwei Aufbauvarianten: Den Anspruchs- und den Rechtswidrigkeitsaufbau. Es steht Dir frei, welchen Du wählst. Du darfst Deinen Aufbau aber nicht erklären!

4. Ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der Fortsetzungsfeststellungsklage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung?

Nein, das trifft nicht zu!

Maßgeblicher Zeitpunkt für Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der Fortsetzungsfeststellungsklage der Zeitpunkt unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses, hier also das Verstreichen des Einstellungstermins (01.04.2020). Im Originalfall trug der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor, seine politischen Ämter niedergelegt zu haben und sich von der Partei zu distanzieren (VG Würzburg, RdNr. 40). Da entscheidungserheblich aber der Zeitpunkt des 01.04.2020 ist, kann dieser später eingetretene Umstand nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden.

5. Anspruchsgrundlage für die Aufnahme zum Rechtsreferendariat ist hier § 46 Abs. 1 JAPO Bayern. Danach wird auf Antrag in den Vorbereitungsdienst aufgenommen, wer die Erste Juristische Prüfung bestanden hat. Hat K somit grundsätzlich einen Aufnahmeanspruch?

Ja!

Gemäß § 46 Abs. 1 JAPO Bayern wird auf Antrag in den Vorbereitungsdienst aufgenommen, wer die Erste Juristische Prüfung im Geltungsbereich des Deutschen Richtergesetzes, d.h. in der BRD, bestanden hat. Dies gilt unter der Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen der Norm. Hier sind insbesondere die in § 46 Abs. 5, Abs. 6 JAPO Bayern normierten Versagungsgründe zu beachten. K hat die Erste Juristische Prüfung in Deutschland bestanden und damit grundsätzlich – vorbehaltlich abweichender Vorschriften – einen Anspruch auf Aufnahme in den Vorbereitungsdienst nach § 46 Abs. 1 JAPO Bayern.

6. P stützt die Versagung von Ks Aufnahme auf § 46 Abs. 6 JAPO. Setzt die Rechtmäßigkeit der Versagung zunächst voraus, dass § 46 Abs. 6 JAPO verfassungsgemäß ist?

Genau, so ist das!

Aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgt der Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes. Dieser besagt, dass die die Verwaltung nicht gegen Gesetze verstoßen darf und dass rangniedrigere Gesetze nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen dürfen. Einfaches Recht ist insbesondere am Maßstab des Grundgesetzes zu messen und muss – um rechtmäßig zu sein –verfassungsmäßig sein. Die Verfassungsmäßigkeit von gesetzlichen Grundlagen prüfst Du in der Klausur nur dann, wenn es dafür Anhaltspunkte im Sachverhalt gibt. Im Originalfall hat K die Verfassungsmäßigkeit von § 46 Abs. 6 JAPO mit Blick auf die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) angezweifelt.

7. Eine Versagung ist möglich auf Grundlage von § 46 Abs. 6 JAPO, unter anderem wegen fehlender Eignung (Nr. 2). Greift diese Regelung in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ein?

Ja, in der Tat!

Du prüfst nun die Vereinbarkeit von § 46 Abs. 6 JAPO mit Art. 12 Abs. 1 GG als höherrangiges Verfassungsrecht. Dazu musst Du zunächst feststellen, ob die Norm überhaupt in den Schutzbereich der Berufsfreiheit eingreift. Art. 12 Abs. 1 GG beinhaltet sowohl die Berufsausübungsfreiheit als auch die Berufswahlfreiheit. Ein Eingriff ist jede Beeinträchtigung, die final und unmittelbar durch einen staatlichen Rechtsakt mit Befehl und Zwang zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt (klassischer Eingriffsbegriff). § 46 Abs. 6 Nr. 2 JAPO ist eine Zugangsschranke zum Rechtsreferendariat. Sie verkürzt damit die gezielt die Freiheit, einen bestimmten Beruf ergreifen zu können. Ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG liegt vor. Im Rahmen der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ist die vom BVerfG entwickelte Drei-Stufen-Theorie zu beachten: Diese unterscheidet danach, auf welcher Stufe in die Berufsfreiheit eingegriffen wird und knüpft daran steigende Anforderungen an die Rechtfertigung. Stufe 1 betrifft Berufsausübungsregelungen, Stufe 2 subjektive Schranken der Berufswahl und Stufe 3 objektive Schranken der Berufswahl. Die von§ 46 Abs. 6 Nr. 2 JAPO adressierte Eignung ist eine subjektive Berufszugangsregelung (Stufe 2). Relevant wird die Drei-Stufen-Theorie auf der Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, da daraus die Anforderungen an die Rechtfertigung folgen. In Deiner Klausur kannst Du aber bereits bei dem Eingriff festhalten, auf welcher Stufe in die Berufsfreiheit eingegriffen wird.

8. Der Eingriff in die Berufsfreiheit durch § 46 Abs. 6 Nr. 2 JAPO könnte durch ein gewichtiges Gemeinschaftsgut gerechtfertigt sein.

Ja!

Im Rahmen der Rechtfertigung eines Eingriffs in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ist die vom BVerfG entwickelte Drei-Stufen-Theorie zu beachten: Diese unterscheidet danach, auf welcher Stufe in die Berufsfreiheit eingegriffen wird und knüpft daran steigende Anforderungen an die Rechtfertigung. Stufe 1 betrifft Berufsausübungsregelungen, Stufe 2 subjektive Schranken der Berufswahl und Stufe 3 objektive Schranken der Berufswahl. Die von § 46 Abs. 6 Nr. 2 JAPO adressierte Eignung ist eine subjektive Berufszugangsregelung (Stufe 2), da an die Persönlichkeit des Bewerbers angeknüpft wird. Derartige Eingriffe auf der zweiten Stufe sind gerechtfertigt, wenn sie dem Schutz gewichtiger Gemeinschaftsgüter in verhältnismäßiger Weise dienen. Die Regelung soll eine geordnete und integre Rechtspflege sichern. Darin liegt ein gewichtiges Gemeinschaftsgut. Der Eingriff ist auch verhältnismäßig und damit gerechtfertigt. Folglich ist § 46 Abs. 6 Nr. 2 JAPO verfassungsgemäß.

9. Der Begriff der „Eignung“ (§ 46 Abs. 6 Nr. 2 JAPO) ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Hatte P zudem einen Beurteilungsspielraum auf tatbestandlicher Seite?

Genau, so ist das!

Nachdem Du die Verfassungsmäßigkeit des Versagungsgrundes (§ 46 Abs. 6 Nr. 2 JAPO) festgestellt hast, prüfst Du im nächsten Schritt, ob dieser Versagungsgrund hier einschlägig ist. Sprich: Ob es dem K an der Eignung fehlt. Bei dem Tatbestandsmerkmal der „Eignung“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Unbestimmte Rechtsbegriffe einer Norm sind solche, die generalklauselartig formuliert und deren Inhalt sich nicht eindeutig bestimmen lässt (z.B. „Eignung“, „Zuverlässigkeit“). Ob sie vorliegen, muss im Einzelfall beurteilt und durch die Behörde konkretisiert werden. Eine Sonderform der unbestimmten Rechtsbegriffe sind unbestimmte Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum. Fallgruppen, in denen bei unbestimmten Rechtsbegriffen ein Beurteilungsspielraum der Verwaltung besteht, sind Prüfungsentscheidungen, dienstliche oder beamtenrechtliche Beurteilungen, Risiko- und Prognoseentscheidungen und planerisch gestaltende Entscheidungen. Du musst Beurteilungsspielräume auf Tatbestandsseite vom Ermessen auf Rechtsfolgenseite unterscheiden. Das Wort „Ermessen“ sollte niemals im Rahmen der Prüfung des Tatbestands auftauchen. Mehr dazu findest Du im Verwaltungsrecht AT.

10. Musste P bei der Entscheidung, ob K sich für das Rechtsreferendariat eignet, eine Prognoseentscheidung treffen?

Ja, in der Tat!

Die Eignung umfasst die gesamte Persönlichkeit des Bewerbers. Es bedarf einer Prognose, inwieweit der Bewerber seinen Dienstaufgaben gerecht werden wird. Insbesondere zählt bei öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnissen wie dem Rechtsreferendariat dazu, dass die Erfüllung seiner Verpflichtungen nach den Grundsätzen der Verfassung zu erwarten ist. P musste eine Prognose treffen, in wiefern K bei der Ausübung seines Referendariats die Grundsätze der Verfassung beachten würde. Im Rahmen dieser Entscheidung bedurfte es einer Gesamtschau der Person des K. Hier war es insbesondere entscheidend, ob der Umstand, dass K Mitglied und Funktionär in der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“ war, gegen Ks Verfassungstreue spricht. Verarbeite in einer Klausur sämtliche Angaben, die Du zur Person des Bewerbers bekommst. Nimm eine Abwägung vor und triff die Entscheidung, die Du am besten begründen kannst.

11. Das Referendariat ist in Bayern nicht als Beamtenverhältnis ausgestaltet. Gelten für die Eignung von Bewerbern dennoch dieselben Anforderungen an die Verfassungstreue wie für Beamte?

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Referendariat ist in Bayern als öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis, nicht als Beamtenverhältnis (auf Widerruf) ausgestaltet. Man kann die strengen Maßstäbe des Berufsbeamtentums nicht unbesehen auf das Referendariat übertragen. Erforderlich ist aber hinsichtlich der Teilhabe an der staatlichen Rechtspflege ein Mindestmaß an Verfassungstreue: Es verbietet sich wegen der dem Grundgesetz inhärenten Wertentscheidungen jedenfalls solche Personen zuzulassen, die sich aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigen (RdNr. 38-42, 46).

12. Der „III. Weg” verfolgt ideologisch einen stark neonazistisch geprägten Rechtsextremismus, ist mit der NSDAP wesensverwandt und will ihre Ideologie notfalls mit Gewalt durchsetzen. Ist die Partei mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar?

Nein, das trifft nicht zu!

Die freiheitlich-demokratische Grundordnung umfasst eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf Grundlage des Demokratieprinzips und Menschenrechte darstellt. Grundlegende Prinzipien sind mindestens die Menschenwürde, das Demokratie – sowie das Rechtsstaatsprinzip. Parteien beeinträchtigen diese, wenn sie sich kämpferisch-aggressiv gegen verfassungsmäßige Ordnung wenden und sie fortlaufend untergraben. BVerwG: Der „III. Weg“ beeinträchtigt die freiheitlich-demokratische Grundordnung (RdNr. 63-67). Nach Verfassungsschutzberichten des Freistaats Bayern handelt es sich um eine Organisation, die maßgeblich vom Nationalsozialismus sowie von Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit geprägt ist. Sie ist an dem „Führerprinzip” ausgerichtet und damit fundamental ablehnend gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat. In ihrem Programm finden sich diverse Verstöße gegen die Menschenwürde, indem etwa die Gleichberechtigung als grundlegendes Menschenrecht negiert wird. Dabei ist ein aktiv-kämpferische Grundhaltung festzustellen, da die Ziele notfalls auch mit Gewalt durchgesetzt werden sollen.

13. Betätigt K sich, indem er Parteimitglied und Funktionär des „III. Wegs“ ist, auch selbst gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung?

Ja!

Wer in einer Partei, die wie „Der III. Weg“ evident verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, Ämter bekleidet, betätigt sich aktiv gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. K bringt dadurch zum Ausdruck, dass er sich mit den Bestrebungen der Partei identifiziert, für sie einzutreten bereit ist und sie fördert (RdNr. 71). Das BVerwG stellt im Originalfall zudem fest, dass hier sogar die bloße Mitgliedschaft in der Partei als Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu qualifizieren wäre: Der „III. Weg“ fordert von Mitgliedern eine Identifikation und ein aktives Eintreten für die Parteiziele. Allein durch die Mitgliedschaft wird folglich eine verfassungsfeindliche Gesinnung zum Ausdruck gebracht (RdNr. 71). Durch seine aktive Betätigung wendet K sich somit erst recht gegen die Verfassungsordnung.

14. Das BVerfG hat die Partei des „III. Weg” bisher nicht verboten. Verbietet es sich deshalb, hier an Ks Parteimitgliedschaft anzuknüpfen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Zwar gilt das sog. Parteienprivileg, d.h. Parteien können nur vom BVerfG verboten werden (vgl. Art. 21 Abs. 2, 4 GG). Es besteht aber die Entscheidungsfreiheit des Klagegegners (hier Freistaat Bayern) bestimmte subjektive Mindestvoraussetzungen an Bewerber zu regeln. Der Staat soll nicht gezwungen sein, Personen auszubilden und Zugriff auf Pflege der Rechtsordnung zu geben, wenn sie sich gegen demokratische Grundordnung stellen. Referendare müssen daher die Werte, die das GG der Justiz zuschreibt, verkörpern. Unabhängig von einem Parteiverbot kann die Angehörigkeit zu verfassungsfeindlichen Parteien somit Teil des Verhaltens sein, das für Beurteilung der Geeignetheit eines Bewerbers relevant ist.

15. Es fehlt K an der Eignung i.S.d. § 46 Abs. 6 Nr. 2 JAPO. Musste P Ks Antrag bereits aus diesem Grund zwingend ablehnen?

Nein, das trifft nicht zu!

Vergiss nicht, die richtige Rechtsfolge zu prüfen, nachdem Du den Tatbestand einer Norm bejaht hast! § 46 Abs. 6 Nr. 2 JAPO Bayern eröffnet auf Rechtsfolgenseite ein Ermessen der Behörde. Die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst ist damit nicht zwingend zu versagen, nur weil der Tatbestand des Versagungsgrundes erfüllt ist. Nach dem BVerwG ist das Ermessen auf Rechtsfolgenseite hier auf Null reduziert, da die Versagung wegen der verfassungsfeindlichen Betätigung des K zwingend sei (RdNr. 76). Somit bestand zum maßgeblichen Zeitpunkt (01.04.2020) kein Anspruch auf Zulassung zum Referendariat, d.h. die Versagung war rechtmäßig. Ks Fortsetzungsfeststellungsklage ist somit unbegründet und hat keinen Erfolg. Anders als das BVerwG, äußerten sich Vorinstanzen zu der Verhältnismäßigkeit der Entscheidung (VGH Bayern, RdNr. 68ff.). Diese sei in diesem Fall zu bejahen: Das Funktionieren der Rechtspflege als überragend wichtiges Gemeinschaftsgut ist ein legitimer Zweck. Die Ablehnung des K ist zu dessen Erreichung auch geeignet und erforderlich. Insbesondere ist sie angemessen, da sie sich nur punktuell auf den Einstellungstermin des 01.04.2020 bezog, also kein dauerhaftes Berufsverbot für den K bedeutet. Zum Teil wird vertreten, dass es unangemessen und damit verfassungswidrig sei, im Ausbildungsverhältnis eine Verfassungstreuepflicht zu fordern und Bewerber wegen fehlender Verfassungstreue abzulehnen: Dies kann zu einem faktischen Berufsverbot für bestimmte Berufe führen und sei mit dem Wesensmerkmal des Anwaltsberufs, den freien Zugang und die freie Ausübung, grundsätzlich unabhängig von einem politischen Bekenntnis, unvereinbar.
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