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Ausschluss eines Mitglieds des „III.-Weg“ aus dem Rechtsreferendariat (BVerwG, Urt. vom 10.10.2024 - 2 C 15.23)
Ausschluss eines Mitglieds des „III.-Weg“ aus dem Rechtsreferendariat (BVerwG, Urt. vom 10.10.2024 - 2 C 15.23)
21. Mai 2025
9 Kommentare
4,8 ★ (20.742 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K ist Mitglied und Funktionär in der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“. Er stellt nach seinem Jurastudium einen Antrag auf Aufnahme in das Rechtsreferendariat in Bayern zum Einstellungstermin 01.04.2020. Der Präsident P des OLG lehnt Ks Antrag mit Hinweis auf die Parteimitgliedschaft wegen fehlender Eignung ab.
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Einordnung des Falls
Ausschluss eines Mitglieds des „III.-Weg“ aus dem Rechtsreferendariat (BVerwG, Urt. vom 10.10.2024 - 2 C 15.23)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 15 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Einige Monate später möchte K gerichtlich feststellen lassen, dass die Ablehnung seines Antrags rechtswidrig war. Ist die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog) die statthafte Klageart?
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Ablehnung des Antrags des K wegen fehlender Verfassungstreue ist durch die mediale Berichterstattung allgemein bekannt geworden. Liegt vor diesem Hintergrund ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO vor?
Ja!
3. Kommt es für die Begründetheit der Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog) allein darauf an, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist?
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der Fortsetzungsfeststellungsklage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung?
Nein, das trifft nicht zu!
5. Anspruchsgrundlage für die Aufnahme zum Rechtsreferendariat ist hier § 46 Abs. 1 JAPO Bayern. Danach wird auf Antrag in den Vorbereitungsdienst aufgenommen, wer die Erste Juristische Prüfung bestanden hat. Hat K somit grundsätzlich einen Aufnahmeanspruch?
Ja!
6. P stützt die Versagung von Ks Aufnahme auf § 46 Abs. 6 JAPO. Setzt die Rechtmäßigkeit der Versagung zunächst voraus, dass § 46 Abs. 6 JAPO verfassungsgemäß ist?
Genau, so ist das!
7. Eine Versagung ist möglich auf Grundlage von § 46 Abs. 6 JAPO, unter anderem wegen fehlender Eignung (Nr. 2). Greift diese Regelung in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ein?
Ja, in der Tat!
8. Der Eingriff in die Berufsfreiheit durch § 46 Abs. 6 Nr. 2 JAPO könnte durch ein gewichtiges Gemeinschaftsgut gerechtfertigt sein.
Ja!
9. Der Begriff der „Eignung“ (§ 46 Abs. 6 Nr. 2 JAPO) ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Hatte P zudem einen Beurteilungsspielraum auf tatbestandlicher Seite?
Genau, so ist das!
10. Musste P bei der Entscheidung, ob K sich für das Rechtsreferendariat eignet, eine Prognoseentscheidung treffen?
Ja, in der Tat!
11. Das Referendariat ist in Bayern nicht als Beamtenverhältnis ausgestaltet. Gelten für die Eignung von Bewerbern dennoch dieselben Anforderungen an die Verfassungstreue wie für Beamte?
Nein, das ist nicht der Fall!
12. Der „III. Weg” verfolgt ideologisch einen stark neonazistisch geprägten Rechtsextremismus, ist mit der NSDAP wesensverwandt und will ihre Ideologie notfalls mit Gewalt durchsetzen. Ist die Partei mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar?
Nein, das trifft nicht zu!
13. Betätigt K sich, indem er Parteimitglied und Funktionär des „III. Wegs“ ist, auch selbst gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung?
Ja!
14. Das BVerfG hat die Partei des „III. Weg” bisher nicht verboten. Verbietet es sich deshalb, hier an Ks Parteimitgliedschaft anzuknüpfen?
Nein, das ist nicht der Fall!
15. Es fehlt K an der Eignung i.S.d. § 46 Abs. 6 Nr. 2 JAPO. Musste P Ks Antrag bereits aus diesem Grund zwingend ablehnen?
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
mel.sim
15.4.2025, 10:07:00
Hey! Danke für die tolle Aufbereitung :) Bezüglich der Drei-Stufen Theorie hatte ich in Erinnerung, dass diese wegen der Einheitlichkeit des Art. 12 GG veraltet sei und nicht mehr angewandt wird. Weiß jemand mehr darüber?

BGB OK
15.4.2025, 12:49:36
Dass diese veraltet sei, ist mir nicht bekannt. Die Drei-Stufen-Theorie differenziert die verschiedenen Arten eines Eingriffs vielmehr um den verschiedenen Schutzbedürfnissen der drei Stufen gerecht zu werden, insofern wird eher von der Eingriffsseite definiert. Dabei ist zwar die Berufsausübungsfreiheit am schwächsten geschützt (entsprechend Art. 12 I 2 GG), allerdings ist es gerade aus dem einheitlichen Verständnis der Berufsfreiheit überhaupt erst möglich auch Einschränkungen hinsichtlich der Berufswahl zuzulassen. Soweit ich das nachvollziehen konnte rückt das BVerfG aber wohl von der vorher eher trennscharfen Unterscheidung ab und erkennt mittlerweile an, dass auch Eingriffe in die Berufsausübung in ihrer Intensität stärker sein können, als es dann die Eingriffe in die Berufswahl sind. Dadurch entfällt die
Erforderlichkeitdann nicht mehr zwingend, soweit ein Eingriff auf niedrigerer Stufe möglich ist. Es hat sich also durchaus ein Wandel ergeben. In den meisten Klausuren wird aber wohl der Eingriff auf niedrigerer Stufe auch der mit der geringeren Intensität sein. Wenn du das nochmal nachlesen möchtest, ich hatte dazu in "Grundrechte Klausur- und Examenswissen", ab S. 429 hilfreiche Informationen gefunden, insbesondere das Urteil: BVerfGE 30, 292 angeführt, dort dann ab Rn. 65 ff.
Toni3391
15.4.2025, 15:33:39
Das BVerfG rückt bei der Berufsfreiheit oder auch beim APR von der starren Anwendung der Stufen bzw. Sphären ab und bemüht sich um flexiblere Prüfung und Argumentation. In der Klausur wird es leider trotzdem so sein, dass die Prüfung anhand der altbekannten Stufen, Sphären etc. vorgenommen werden sollte. Zumindest ist man auf der sicheren Seite, wenn man diese Schlagworte auch bringt.
Leo Lee
19.4.2025, 13:24:46
Hallo mel.sim, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Wie die beiden schon völlig richtig angemerkt haben, ist es bei Jura (zumindest beim Studium) sehr wichtig, dass man zw. der Praxis und der Theorie unterscheidet. Es mag zwar sein, dass das BVerfG im ÖR oder der BGH im ZR oder Strafrecht von den "Klassikern" allmählich abweicht. Allerdings spiegeln sich die Änderungen - vor allem solche, die die Basics betreffen - sehr selten auch in der Theorie wider. Deshalb ist weiterhin zu empfehlen, dass du die Drei-Stufen-Theorie anwendest. Ich habe persönlich noch nie eine Berufsfreiheit-Klausur gesehen (unabhängig vom Semester), die NICHT auf die Drei-Stufen-Theorie eingegangen ist :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Jimmy105
17.4.2025, 22:33:52
Ich würde mich freuen, wenn die Redaktion auch bei solchen längeren Fällen die Fälle schematisch skizzieren würde. Dadurch gelänge m.E. eine bessere Übersicht über die Schwerpunkte des Falles. Für diejenigen, die sich etwas verloren fühlen ein grober Vorschlag meinerseits für die
Begründetheitsprüfung: I. AGL II. Formelle Voraussetzungen der AGL -Antrag, Zuständigkeit, Form III. Materielle Voraussetzungen der AGL 1. TB & RF des TB (hier grds. +) 2. Kein entgegenstehender Versagungsgrund a) EGL des Versagungsgrundes -Verfassungsmäßigkeit der EGL --> formell (unterstellt +) --> Materiell = SB, Eingriff und Rechtfertigung (Interessenabwägung/VHMK) b) RF des Versagungsgrundes ->Ermessen (hier reduziert auf Null) ->VHMK
Findet Nemo Tenetur
18.4.2025, 22:33:09
Wenn ich es richtig verstanden habe, ist § 46 JAPO eine sog, Kopplungsvorschrift: Unbestimmter Rechtsbegriff mit Beurteilungsspielraum im Tatbestand und Ermessen in der Rechtsfolge. Uns wurde der Hinweis gegeben, dass es in der Klausur dann in diesem Fall oftmals auch sein kann, dass viele Erwägungen bereits im Tatbestand und nicht erst auf Rechtsfolgen/Ermessensebene unterzubringen sind. Fand ich ganz hilfreich, damit man den Tatbestand in der Prüfung nicht vernachlässigt. Jedenfalls ein Wunsch, falls das hier tatsächlich eine Kopplungsvorschrift ist: Könnte man dieses Wort vll irgendwo in der Erklärung droppen, damit man den Fall über die Suchfunktion finden kann? Ich habe nämlich letztens extra nach einem entsprechenden Fall gesucht, bin aber mit diesem Suchbegriff erfolglos geblieben. Danke!

Lorena.Giacco
22.4.2025, 10:18:59
Hallo @[Findet
Nemo Tenetur](254807) , danke für Deine wertvolle Ergänzung! Bei dem hier einschlägigen § 46 Abs. 5 Nr. 2 JAPO Bayern handelt es sich tatsächlich um eine sog. Kopplungsvorschrift, da die Norm sowohl einen unbestimmten Rechtsbegriff mit Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsseite („Eignung“/“ungeeignet“), als auch einen Ermessensspielraum auf Rechtsfolgenseite („Die Aufnahme KANN versagt werden“) enthält. Wichtig ist in der Klausur wie immer, diese beiden Prüfungsebenen nicht zu vermengen und jeweils nach ihren eigenen Regeln zu beurteilen. Die Besonderheit in diesem Fall ist aber, dass der
Behördeein doppelter Entscheidungsspielraum zusteht und dass das VG die behördliche Entscheidung sowohl auf Tatbestands- als auch auf Rechtsfolgenseite nur eingeschränkt überprüfen kann (vgl. dazu auch Detterbeck, Allg. Verwaltungsrecht, RdNr. 381f.). Den Aspekt haben wir nun als Vertiefungshinweis aufgenommen :) Beste Grüße, Lorena – für das Jurafuchs-Team
SimonRe1995
19.4.2025, 15:35:47
Kann in der ersten Frage bitte noch das "analog" ergänzt werden, weil ja 113 I S. 4 in nicht-analoger Weise gerade nicht die
statthafte Klageartist.

Lorena.Giacco
22.4.2025, 09:32:30
Hallo @[SimonRe1995](220114) und vielen Dank für den aufmerksamen Hinweis! Du hast völlig Recht, das haben wir nun geändert. Beste Grüße, Lorena – für das Jurafuchs-Team