Grundfall: Teilleistung (§ 281 Abs. 1 S. 2 BGB)

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A bestellt bei V eine neue Küche für €10.000. Außer dem Kühlschrank wird alles wie vereinbart nach 1 Woche geliefert. A setzt V erfolglos eine zweiwöchige Nachfrist. Nach deren Ablauf kauft A bei Händlerin H für €500 einen passenden Kühlschrank. A fordert V auf, die Kosten zu ersetzen.

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Einordnung des Falls

Grundfall: Teilleistung (§ 281 Abs. 1 S. 2 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Neben dem „einfachen Schadensersatz“ (§ 280 Abs. 1 BGB) gibt es im Schuldrecht noch weitere Schadensersatzansprüche.

Genau, so ist das!

§ 280 Abs. 1 BGB ist die Grundnorm aller Schadensersatzansprüche. Für bestimmte Leistungsstörungen gibt es aber eigene Schadensersatzansprüche. Diese bauen zwar auf der Grundnorm auf. Darüber hinaus ist hier noch die Erfüllung zusätzlicher Voraussetzungen notwendig. So gibt es beispielsweise gesonderte Ansprüche für den Fall, dass die Leistung verzögert erbracht wird (§§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB) oder die Leistung für den Schuldner nach Vertragsschluss unmöglich geworden ist (§§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB).
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2. A könnte einen Anspruch auf Schadensersatz wegen des nicht gelieferten Kühlschrankes haben (§§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB).

Ja, in der Tat!

Ein Schadensersatzanspruch wegen Nichtleistung (§§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB) besteht, sofern (1) ein Schuldverhältnis besteht, (2) der Schuldner -trotz Möglichkeit - nicht ordnungsgemäß leistet und (3) eine vom Gläubiger gesetzte, angemessene Nachfrist erfolglos abgelaufen ist. Ferner muss (4) der Schuldner seine Pflichtverletzung zu vertreten haben und schließlich (5) dem Gläubiger hierdurch ein Schaden entstanden sein.

3. Zwischen A und V besteht ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis in Form eines Kaufvertrages (§ 433 BGB).

Ja!

Zur Begründung eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses ist grundsätzlich ein Vertrag zwischen den Beteiligten notwendig (§ 311 Abs. 1 BGB). K und V haben einen Kaufvertrag über eine Küche (inklusive Kühlschrank) geschlossen (§ 433 BGB).

4. V hat seine Leistung wie geschuldet erbracht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nicht wie geschuldet ist die Leistung erbracht, wenn ihr Inhalt oder die Art ihrer Erbringung in irgendeiner Weise von dem abweicht, was Gesetz oder Parteivereinbarung festgelegt haben.A stand aufgrund des Kaufvertrages ein fälliger (innerhalb einer Woche) und wirksamer Anspruch auf Übereignung und Übergabe einer Küche inklusive Kühlschrank (§ 433 Abs. 1 BGB) zu. Da V den Kühlschrank nicht geliefert hat, hat sie den Anspruch nur teilweise erfüllt. Wäre für V die Lieferung unmöglich, müsste die Prüfung hier abgebrochen werden und ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB (nachträgliche Unmöglichkeit) bzw. § 311 Abs. 2 BGB (anfängliche Unmöglichkeit) geprüft werden.

5. A hat V erfolglos eine Nachfrist gesetzt

Ja, in der Tat!

Die Fristsetzung ist die Aufforderung des Gläubigers an den Schuldner, die Leistung innerhalb eines hinreichend bestimmten oder zumindest bestimmbaren Zeitraums zu bewirken. A hat V eine Nachfrist von zwei Wochen gesetzt. Die Nachfrist ist erfolglos abgelaufen.

6. Die gesetzte Nachfrist war angemessen.

Ja!

Die Frist ist angemessen, wenn sie so lang ist, dass der Schuldner die Leistung tatsächlich auch erbringen kann. Allerdings muss sie dem Schuldner der noch gar nichts unternommen hat, nicht ermöglichen, die Leistung erst anzufangen und zu erbringen.Im Hinblick darauf, dass die Frist mehr als doppelt so lang bemessen ist, wie die ursprüngliche Lieferfrist, ist diese auch angemessen.

7. V hat ihre Pflichtverletzungen zu vertreten.

Genau, so ist das!

Im Falle der Nicht- bzw. Schlechtleistung liegen zwei Anknüpfungspunkte für das Vertretenmüssen vor. Zum einen die Nicht- oder Schlechtleistung bei Fälligkeit. Zum anderen die Nichterbringung der (ordnungsgemäßen) Leistung bis Fristablauf. Dabei genügt es, wenn der Schuldner eine der beiden Pflichtverletzungen zu vertreten hat. Auch insoweit gilt die Verschuldensvermutung (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass I die Nichtleistung nicht zu vertreten hatte.

8. V ist verpflichtet, A die Kosten in Höhe von €500 zu ersetzen (§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB).

Ja, in der Tat!

Der Gläubiger ist so zu stellen, wie er bei ordnungsmäßiger Leistung zur Zeit der Geltendmachung des Ersatzanspruchs stünde. Ist die Leistung nur teilweise gestört, kann er dabei primär für den nicht ordnungsgemäß erbrachten Teil Ersatz verlangen (kleiner Schadensersatz, § 281 Abs. 1 S. 1 BGB ).Aufgrund von Vs unzureichenden Leistung musste A €500 Mehrkosten für den Kühlschrank aufwenden. Diese hat V zu ersetzen. Wenn A Schadensersatz verlangt, erlischt zugleich seine Primärleistungspflicht (§ 281 Abs. 4 BGB). Er kann also nicht die Mehrkosten und einen Kühlschrank von V fordern, sondern muss sich entscheiden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CLA

clarasbr

6.5.2022, 13:47:10

Ist es dabei unerheblich, wie viel der Kühlschrank von V gekostet hätte?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.5.2022, 16:28:41

Hallo clarasbr, es kommt weniger auf die Kosten des Kühlschranks von V an, als dessen Fähigkeiten. Wenn ich also einen Kühlschrank der Energieklasse F bei V für 100€ bestelle, kann ich als Schadensersatz natürlich nicht Ersatz der Kosten eines Kühlschrankes der Energieklasse A+++ für €1000 ersetzt verlangen. Der Geschädigte ist vielmehr lediglich so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde. Wenn aber jetzt das gleiche Modell bei einem anderen Händler nur teurer zu erwerben ist, so kann A auch die höheren Kosten als Schaden ersetzt verlangen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

LRS

LRS

19.11.2022, 15:59:19

Zum Vertiefungshinweis: die Primär

leistungspflicht

des V erlischt bei Verlangen des SchErs (| 281 IV) bzw. nach Wortlaut: der Anspruch des A auf die Primärleistung des V. Ist das korrekt? Danke schonmal :)

Nora Mommsen

Nora Mommsen

8.12.2022, 20:00:17

Hallo LRS, genauso ist es - § 281 Abs. 4 BGB regelt, dass mit Verlangen des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung (früher großer SE) der Anspruch auf die Primärleistung entfällt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DIAA

Diaa

6.8.2023, 16:41:05

Bei der Frage nach der Pflichtverletzung sollte es V anstatt I stehen.

LUC1502

luc1502

17.8.2023, 23:43:05

Ist bei §281 die PflichtV die Nichtleistung trotz Fälligkeit oder die Nichtleistung bei Ablauf der gesetzten Frist?

DAV

david1234

31.1.2024, 16:54:30

Es gibt bei 281 die von dir beiden genannten Pflichtverletzungen

TO

TomBombadil

11.2.2024, 13:05:33

Hallo zusammen, in einem Erklärungstext steht, dass kleiner Schadensersatz vorliege, wenn Ersatz für den nicht gestörten Teil der Leistung verlangt würde. Mir ist nicht klar, weshalb ich Ersatz für den nicht gestörten Teil verlangen sollte; der nicht gestörte Teil ist doch der Teil der Leistung, der vertragsgemäß erbracht wurde, oder?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

11.2.2024, 15:09:30

Hallo TomBombadil, das hat sich der Fehlerteufel eingeschlichen. Es sollte nicht ordnungsgemäß oder den gestörten Teil der Leistung heißen. Wir haben das jetzt geändert.:) Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

FalkTG

FalkTG

10.7.2024, 16:35:20

Hallo, ob bei Vertreten müssen auf 1. Die erste Nicht-Lieferung oder 2. Die zweite Nicht- Lieferung oder 3. Beide (so hM) abzustellen ist, ist bis heute strittig und sollte m.E. noch heute im Examen dargestellt werden. Hier wird nicht einmal darauf hingewiesen, dass ein Streit besteht.

rubenrubenruben

rubenrubenruben

29.10.2024, 08:01:28

Könnte ein Moderator hierzu etwas sagen, ist dies ein klausurrelevanter Streitstand?


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