Öffentliches Recht

Grundrechte

Gleichheitsrecht (Art. 3 GG)

Grundfall: Schutz vor Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem

Grundfall: Schutz vor Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der Bundestag verabschiedet ein Gesetz zur Gewährung eines beamtenrechtlichen Familienzuschlags für Eheleute. Paaren in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft wird dieser nicht gewährt. F und M, die sich aktiv gegen die Ehe entschieden haben, sehen Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

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Einordnung des Falls

Grundfall: Schutz vor Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verbietet dem Staat die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem ohne verfassungsrechtliche Rechtfertigung.

Ja, in der Tat!

Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, dass wesentlich Gleiches nicht ohne guten Grund, das hießt ohne verfassungsrechtliche Rechtfertigung, unterschiedlich behandelt wird. Ausgangspunkt ist, dass die von einer staatlichen Maßnahme Betroffenen miteinander vergleichbar sein müssen. Dafür werden sog. Vergleichsgruppen gebildet und geprüft, ob sich diese einem gemeinsamen Bezugspunkt (sog. tertium comparationis) zuordnen lassen. Ist dies der Fall und werden die Vergleichsgruppen nicht gleich behandelt, liegt eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem vor. Welche Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung zu stellen sind, dazu später mehr.
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2. Sind Ehepaare und eingetragene Lebenspartnerschaften verfassungsrechtlich in wesentlicher Hinsicht miteinander vergleichbar?

Ja!

Wesentlich Gleiches darf der Staat nicht ohne verfassungsrechtliche Rechtfertigung ungleich behandeln. Zur Beurteilung, ob eine in wesentlicher Hinsicht bestehende Vergleichbarkeit vorliegt, werden Vergleichsgruppen gebildet und geprüft, ob sich diese einem gemeinsamen Bezugspunkt zuordnen lassen. Der Bezugspunkt ist dabei der gemeinsame Oberbegriff (sog. genus proximum), der einen Vergleich zulässt. Bei Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft handelt es sich um jeweils um Institute, die auf Dauer angelegt sind und eine gegenseitige Einstandspflicht, etwa bei Mittellosigkeit, begründen. Damit liegt ein gemeinsamer Bezugspunkt in Form eines gemeinsamen Oberbegriffs vor, der einen Vergleich ermöglicht. Insbesondere mit Blick auf die finanziellen Aspekte von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft hat das Bundesverfassungsgericht die Vergleichbarkeit der beiden Institute in seiner Rechtsprechung mehrfach bestätigt. Die Entscheidungen findest du in den Fundstellen.

3. Werden Eheleute und eingetragene Lebenspartnerschaften dadurch ungleich behandelt, dass erstere den Zuschlag erhalten, letztere jedoch nicht?

Genau, so ist das!

Art. 3 Abs. 1 GG untersagt die Ungleichbehandlung von Menschen, Personengruppen oder Situationen, die in wesentlicher Hinsicht vergleichbar (= wesentlich gleich) sind. Eine Ungleichbehandlung liegt vor, wenn der einen Vergleichsgruppe ein staatlicher Vor- oder Nachteil zuteilwird, der anderen aber nicht. Das Bundestagsgesetz sieht für Eheleute einen Zuschlag vor, für eingetragene Lebenspartnerschaften jedoch nicht. Eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung von in wesentlicher Hinsicht Gleichem ist gegeben. Achte auch bei vermeintlich einfach gelagerten Fällen darauf, die Vergleichsgruppen sauber zu bilden. Dieser Schritt hilft Dir, die Weichen für das Gelingen Deiner gesamten Prüfung zu stellen!

4. Eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem lässt sich verfassungsrechtlich nie rechtfertigen.

Nein, das trifft nicht zu!

Liegt eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem vor, muss diese verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Dafür bedarf es zunächst eines sachlichen Grundes. Ausgehend hiervon prüft das BVerfG nach neuerer Rechtsprechung, ob die Ungleichbehandlung auch verhältnismäßig ist. Hier besteht ein fließender Prüfungsmaßstab, der sich an der Intensität der Ungleichbehandlung orientiert.Zur Frage, wie genau die Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG aussieht: später mehr!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dogu

Dogu

9.12.2023, 12:54:42

Würde hier mehr für eine reine Willkürkontrolle statt einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nach neuer Formel sprechen? Die Ungleichbehandlung knüpft an einen Zustand an, der auf der freien Willensbildung der Diskriminierten (Entscheidung gegen Eheschließung) im Gegensatz zu objektiven Merkmalen (Hautfarbe, Herkunft etc.) an, sodass mE eine niedrige Intensität vorliegt.

0815jurafuchs

0815jurafuchs

5.3.2024, 17:00:51

Ggf. könnte man überlegen, ob dieses Beispiel noch zeitgemäß ist, nachdem die eingetragene Lebenspartnerschaft als Rechtsinstitut nicht mehr existiert

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.3.2024, 09:46:33

Hi 0815jurafuchs, vielen Dank für Deine Nachricht! In der Tat können infolge der Zulassung der gleichgeschlechtlichen Ehe seit dem 01.10.2018 keine neuen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften mehr begründet werden. Da bereits bestehende Lebenspartnerschaften zwar umgewandelt werden können (vgl. § 20a LPartG), aber nicht umgewandelt werden müssen, gibt es aber auch heute noch bestehende Lebenspartnerschaften. Aus unserer Sicht ist das Beispiel deshalb weiterhin gut geeignet, um eine Ungleichbehandlung von Wesentlich Gleichem zu verdeutlichen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JES

jess11O

28.7.2024, 12:13:44

Könnte man hier auch von einer fehlenden Vergleichbarkeit aufgrund von Art. 6 GG ausgehen? Weil die Ehe einen spezifischen Schutz genießt? Oder habe ich da irgendwie einen Denkfehler?


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