Gesundheitliche Gründe (§ 811 Abs. 1 Nr. 1c ZPO)

7. Juni 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Gerichtsvollzieherin G begibt sich zur Wohnung von Rentnerin R zur Sachpfändung. R ist Diabetikerin und hat eine Gehbehinderung. G will ihr Blutzuckermessgerät und ihr Auto pfänden.

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Einordnung des Falls

Gesundheitliche Gründe (§ 811 Abs. 1 Nr. 1c ZPO)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Rs Blutzuckermessgerät fällt unter das Pfändungsverbot des § 811 Abs. 1 Nr. 1c ZPO.

Ja, in der Tat!

Nach § 811 Abs. 1 Nr. 1c ZPO sind Sachen, die der Schuldner oder eine Person, mit der er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt, aus gesundheitlichen Gründen benötigt, nicht pfändbar. Umfasst sind hiervon auch Hilfs- und Therapiemittel, die dazu dienen, eine psychische oder körperliche Beeinträchtigung auszugleichen oder zu vermindern. Hierzu gehören auch medizinische Messgeräte. R ist Diabetikerin. Das Blutzuckermessgerät ist als Hilfs- und Therapiemittel anzusehen, da es dazu dient, die Beeinträchtigungen/Risiken ihrer Diabeteserkrankung abzumilden. § 811 Abs. 1 Nr. 1c ZPO ist weit zu verstehen. Über die „klassischen“ Hilfs- und Therapiemittel (wie Brille, Hörgerät oder Rollstuhl) kann das Pfändungsverbot z.B. auch eine Staffelei, die für eine Kunsttherapie benötigt wird oder ähnliche Gegenstände schützen.
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2. § 811 Abs. 1 Nr. 1c ZPO ist weit zu verstehen. Kann danach grundsätzlich auch ein Auto ein Hilfs- und Therapiemittel im Sinne des § 811 Abs. 1 Nr. 1c ZPO sein?

Ja!

Hilfs- und Therapiemittel im Sinne des § 811 Abs. 1 Nr. 1c ZPO dienen dazu, eine psychische oder körperliche Beeinträchtigung auszugleichen oder zu vermindern. Laut BGH kann auch ein PKW für einen Gehbehinderten ein Hilfs- und Therapiemittel im Sinne des § 811 Abs. 1 Nr. 1c ZPO sein und zwar dann, „wenn dessen Benutzung erforderlich ist, um die Gehbehinderung teilweise zu kompensieren und die Eingliederung in das öffentliche Leben wesentlich zu erleichtern.“ Dies ergebe sich aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20, 28 GG). Nach neuester BGH-Rechtsprechung ist auch der PKW einer Person mit psychischer Erkrankung als Hilfs- und Therapiemittel im Sinne des § 811 Abs. 1 Nr. 1c ZPO anzusehen, wenn die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der Erkrankung unzumutbar ist.

3. Allein aus der Gehbehinderung der R kann G bereits darauf schließen, dass das Auto dem Pfändungsverbot nach § 811 Abs. 1 Nr. 1c ZPO unterliegt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Laut BGH kann auch ein PKW für einen Gehbehinderten ein Hilfs- und Therapiemittel im Sinne des § 811 Abs. 1 Nr. 1c ZPO sein und zwar dann, „wenn dessen Benutzung erforderlich ist, um die Gehbehinderung teilweise zu kompensieren und die Eingliederung in das öffentliche Leben wesentlich zu erleichtern.“ Allein das Vorhandensein einer Gehbehinderung lässt jedoch noch nicht auf die Erforderlichkeit eines PKW als Hilfs- und Therapiemittel schließen. Vielmehr ist stets eine Einzelfallabwägung vorzunehmen, in der noch weitere Umstände zu berücksichtigen sind (z.B. Grad der Behinderung, Lage des Wohnorts, Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel etc.).
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Eine Besprechung von:
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