TKÜ - Änderung der rechtlichen Beurteilung

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B wird verdächtigt, einen Raub begangen zu haben. Daraufhin wird eine Telekommunikationsüberwachung seines Handys richterlich angeordnet. Aufgrund weiterer Ermittlungen stellt sich die Tat tatsächlich nur als Diebstahl heraus.

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Einordnung des Falls

TKÜ - Änderung der rechtlichen Beurteilung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Damit die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) von Bs Handy rechtmäßig ist, ist zunächst erforderlich, dass der Verdacht einer Katalogtat nach § 100a Abs. 2 StPO vorliegt.

Ja, in der Tat!

Materielle Voraussetzungen für die Anordnung einer Telefonüberwachung sind gemäß § 100a StPO: (1) ein auf bestimmte Tatsachen begründeter Tatverdacht (§ 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO), (2) der sich auf eine Katalogtat richten muss (§ 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO), (3) die Tat im Einzelfall schwer wiegt (§ 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO) und (4) die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre (Subsidiarität, § 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO). Nach § 100e Abs. 1 S. 1 StPO unterliegt die Anordnung der TKÜ zudem (5) dem Richtervorbehalt und setzt (6) einen Antrag der Staatsanwaltschaft voraus. Der Raub ist eine Katalogtat gem. § 100a Abs. 2 Nr. 1 k) StPO. Sofern die übrigen Voraussetzungen der §§ 100a, 100e StPO gegeben waren, erfolgte die Anordnung der TKÜ hier zunächst rechtmäßig.
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2. Aufgrund weiterer Ermittlungen stellt sich die Tat tatsächlich nur als Diebstahl heraus.  Hätte eine TKÜ auch aufgrund des Diebstahlsverdachts in rechtmäßiger Weise angeordnet werden dürfen?

Nein!

Nach § 100a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO ist für die Anordnung einer Telefonüberwachung stets erforderlich, dass sich der Tatverdacht auf eine Katalogtat nach § 100a Abs. 2 StPO richtet. Der Diebstahl gemäß § 242 Abs. 1 StGB ist keine Katalogtat nach § 100a Abs. 2 StPO. Wegen des Verdachts eines Diebstahls hätte die TKÜ somit nicht in rechtmäßiger Weise angeordnet werden können.

3. Dürfen die Erkenntnisse aus der TKÜ verwertet werden, auch wenn nun klar ist, dass keine Katalogtat vorliegt?

Genau, so ist das!

Wenn zum Zeitpunkt der Anordnung der TKÜ der Verdacht einer bestimmten Katalogtat bestand, sind die Erkenntnisse aus der TKÜ auch verwertbar, wenn: (1) es weiterhin um dieselbe prozessuale Tat geht oder (2) tatsächlich eine andere Begehungsform dieser Katalogtat verwirklicht worden ist oder (3) sich die Tat aufgrund weiterer Ermittlungen als Nichtkatalogtat herausgestellt hat.Zum Zeitpunkt der Anordnung der TKÜ bestand der Verdacht eines Raubes und damit einer Katalogtat gem. § 100a Abs. 2 Nr. 1 k) StPO. Es ist unerheblich, dass sich durch weitere Ermittlungen später herausstellte, dass die Tat kein Raub, sondern lediglich ein Diebstahl war. Denn jedenfalls im Zeitpunkt der Anordnung lag ein konkreter Verdacht auf eine Katalogtat vor.Die Erkenntnisse aus der TKÜ dürfen folglich verwertet werden.Merke: Es ist immer die Verdachtslage zum Zeitpunkt der Anordnung der Überwachungsmaßnahme entscheidend.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ALE

Aleks_is_Y

14.3.2024, 17:08:15

Ist die Verwertbarkeit der gewonnen Erkenntnisse aus der

TKÜ

in diesem Fall nur "Richterrecht", oder gibt es dafür eine Normanknüpfung?

PK

P K

14.3.2024, 19:44:01

Das folgt aus meiner Sicht aus dem Wortlaut des § 100a, der eben nur den Verdacht einer Katalogtat fordert. Wenn die Maßnahme rechtmäßig ist, gibt es doch regelmäßig gar keinen Anknüpfungspunkt für ein unselbstständiges BVV.


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