Lauschangriff außerhalb von Wohnungen

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B ist eines Totschlags verdächtig. Der ermittelnde Staatsanwalt erwirkt einen Beschluss zur akustischen Überwachung von Bs Auto. Hierdurch wird ein Selbstgespräch des B in seinem Auto aufgezeichnet, in dem er sich feiert, wie er O erwürgt hat.

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Einordnung des Falls

Lauschangriff außerhalb von Wohnungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Stellt diese Maßnahme eine akustische Überwachung nach § 100c StPO dar?

Nein!

§ 100c StPO regelt die Voraussetzungen für eine akustische Wohnraumüberwachung. Der Begriff der Wohnung umfasst alle Räume, die der Einzelne der allgemeinen Zugänglichkeit entzieht und zum Ort seines privaten Lebens und Wirkens bestimmt. Davon werden erfasst: Keller, Hotelzimmer, Wohnmobile.Die Überwachung des Autos des B stellt keine Überwachung von Wohnraum dar. Vielmehr handelt es sich um eine akustische Überwachung außerhalb von Wohnraum.
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2. Ein solcher Lauschangriff außerhalb von Wohnungen ist stets zulässig.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Voraussetzungen für die akustische Überwachung außerhalb von Wohnungen sind in § 100f StPO geregelt. Erforderlich ist: (1)ein auf bestimmte Tatsachen begründeter Tatverdacht, (2) der sich auf eine Katalogtat iSd. § 100a StPO richtet, (3) die im Einzelfall schwer wiegt (§ 100f Abs. 1 StPO). Zudem muss (4) die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert sein (Subsidiaritätsgrundsatz, § 100f Abs. 1 StPO). (5)Nach § 100f Abs. 4, 100e Abs. 1 StPO unterliegt sie dem Richtervorbehalt und bedarf eines Antrags der Staatsanwaltschaft. (6)Die Maßnahme darf sich dabei idR nur gegen den Beschuldigten richten (§ 100c Abs. 2 S. 1 StPO). Da nicht der Schutzbereich des Art. 13 GG betroffen ist, sind die Anforderungen weniger strang, zB wird hinschtlich der Katalogtat nicht auf den engen Katalog des § 100b StPO, sondern auf § 100a StPO verwiesen.

3. Trotz rechtmäßiger Anordnung der Überwachung außerhalb von Wohnung (§ 100f StPO) dürfen die erlangten Erkenntnisse nicht verwertet werden, wenn diese aus dem Kernbereich privater Lebensführung stammen (§§ 100f Abs. 4, 100d Abs. 2 S. 1 StPO).

Ja, in der Tat!

Nach §§ 100f Abs. 4, 100d Abs. 2 S. 1 StPO dürfen Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensführung, die durch die Überwachungsmaßnahme erlangt wurden, nicht verwertet werden (Beweisverwertungsverbot). Der Gesetzgeber fixiert mit dieser Regelung die Kernbereichs-Rechtsprechung des BVerfG zu den selbständigen Beweisverwertungsverboten. Merke: Auch bei verfahrensfehlerfreier Erhebung ist stets noch an selbstständige Beweisverwertungsverbote zu denken.

4. Die Anordnung der Überwachung des Autos des B war rechtmäßig. Ist das erlauschte Gespräch also verwertbar?

Nein!

Nach §§ 100f Abs. 4, 100d Abs. 2 S. 1 StPO dürfen Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensführung nicht verwertet werden. Der BGH ordnet das Selbstgespräch dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zu. Dies gilt - anders als bei den sog. Tagebuch-Fällen- unabhängig vom Gesprächsinhalt. Zum einen soll wie die Gedankenfreiheit selbst auch die Äußerung dieser Gedanken in einem nicht auf Kommunikation gerichteten Prozess vor Zugriffen durch die Strafverfolgungsbehörden geschützt sein. Zum anderen darf der Beschuldigte, der sich bei seiner Äußerung als allein mit sich selbst empfindet, auf die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes vertrauen (anders: schriftliche Fixierung der Gedanken in Tagebüchern). Das von B geführte Selbstgespräch gehört somit zum Kernbereich privater Lebensführung und zwar unabhängig davon, dass dieses einen unmittelbaren Bezug zu der Straftat aufweist. Folglich besteht nach §§ 100f Abs. 4, 100d Abs. 2 S. 1 StPO ein Verwertungsverbot hinsichtlich der durch den Lauschangriff erlangten Erkenntnisse.
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