Verwirkung der Verfahrensrüge - Zwischenrechtsbehelf

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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A rügt in der Revision gegen ein Landgerichtsurteil, dass sein Beweisantrag von der Kammer zu Unrecht abgelehnt wurde (§ 244 Abs. 3, 6 S. 1 StPO) und dass ein Hinweis der Vorsitzenden (§ 265 Abs. 1 StPO) verspätet erging. Im Prozess hatte A dies noch wortlos hingenommen.

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Einordnung des Falls

Verwirkung der Verfahrensrüge - Zwischenrechtsbehelf

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A rügt vorliegend zwei Verfahrensverstöße.

Ja!

Verfahrensvorschriften betreffen den Weg, auf dem das Gericht zu seinem Urteil gelangt ist. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt vor, wenn eine gesetzlich vorgeschriebene Handlung unterblieben ist, fehlerhaft vorgenommen wurde oder überhaupt unzulässig war.A rügt die unzulässige Ablehnung eines Beweisantrags (§ 244 Abs. 3, 6 S. 1 StPO) und die Verletzung der Hinweispflicht (§ 265 Abs. 1 StPO). Beides gerügten Verstöße betreffen das Verfahren.
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2. In der Hauptverhandlung steht dem Angeklagten gegen Verfahrensverstößen regelmäßig der Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO zur Verfügung.

Genau, so ist das!

Die Beteiligten können eine sachleitende Anordnung des Vorsitzenden als unzulässig beanstanden (§ 238 Abs. 2 StPO). Der Begriff der sachleitenden Anordnung ist sehr weit zu verstehen. Dies sind alle Maßnahmen, die auf den Fortgang des Verfahrens Einfluss gewinnen können. Der Beteiligte muss nur geltend machen, in seiner prozessualen Rechtsstellung oder schutzwürdigen Interessen beeinträchtigt zu sein. So kann kein Verfahrensverstoß des Vorsitzenden von vorneherein aus dem Anwendungsbereich der Norm herausgenommen werden. Sogar eine Platzzuweisung oder die Anordnung, ein Fenster zu öffnen, kann auf den Fortgang des Verfahrens Einfluss haben, wenn dadurch etwa die Kommunikation mit dem Verteidiger erschwert wird oder der Angeklagte der Beweisaufnahme nicht konzentriert folgen kann.

3. A hat die Verletzung der Hinweispflicht (§ 265 Abs. 1 StPO) nicht schon in der Hauptverhandlung gerügt. Ist seine Rüge deshalb in der Revision verwirkt?

Ja, in der Tat!

Ein Verfahrensfehler kann in der Revision grundsätzlich nur geltend gemacht werden, wenn der Revisionsführer schon in der Vorinstanz vom Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO Gebrauch gemacht hat und gegen die Anordnung des Vorsitzenden vorgeht. Die Revision ist damit „subsidiärer" Rechtsschutz. Zweck der Vorschrift ist es gerade, dass Verfahrensfehler durch das Gericht selbst korrigiert werden und eine Revision vermieden wird. Wird dieser Rechtsbehelf im Prozess nicht eingelegt, ist die Verfahrensrüge in der Revision verwirkt.Statt den verspäteten Hinweis hinzunehmen, hätte A diesen unmittelbar rügen müssen.

4. A hätte auch die Ablehnung des Beweisantrags schon in der Hauptverhandlung rügen müssen, um diesen Fehler in der Revision geltend machen zu können.

Nein!

Der Anwendungsbereich des Zwischenrechtsbehelfs (§ 238 Abs. 2 StPO) ist nicht eröffnet, wenn ein fehlerhafter Beschluss vorliegt. Denn der Zwischenrechtsbehelf (§ 238 Abs. 2 StPO) richtet sich nur gegen Anordnungen des Vorsitzenden. Beschlüsse sind aber vom Spruchkörper, hier also von der Kammer zu fällen. Unabhängig davon, ob der Vorsitzende fälschlicherweise allein entscheidet, oder ob das Gericht einen fehlerhaften Beschluss trifft, ist der Anwendungsbereich des § 238 Abs. 2 StPO nicht eröffnet. Die Ablehnung eines Beweisantrags muss durch Beschluss ergehen (§ 244 Abs. 3, 6 S. 1 StPO). Die fehlerhafte Ablehnung kann in der Revision also auch ohne vorherige Einlegung des Zwischenrechtsbehelfs gerügt werden. Weitere Ausnahmen vom Vorrang des Zwischenrechtsbehelfs findest Du im Meyer-Goßner/Schmitt, § 238 RnNr. 24.
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