Öffentliches Recht

VwGO

Widerspruchsverfahren

Widerspruchsbefugnis: § 42 Abs. 2 VwGO analog? (Anfechtungswiderspruch)

Widerspruchsbefugnis: § 42 Abs. 2 VwGO analog? (Anfechtungswiderspruch)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Ken (K) hat von Behörde B eine Abrissverfügung für sein Mojo Dojo Casa House erhalten. Ks Freundin F, die gerade aus einer anderen Stadt zu Besuch ist, ist hierüber empört und legt in eigenem Namen Widerspruch gegen die Verfügung ein.

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Einordnung des Falls

Widerspruchsbefugnis: § 42 Abs. 2 VwGO analog? (Anfechtungswiderspruch)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Zunächst ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (§ 40 Abs. 1 VwGO) und der Anfechtungswiderspruch (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO ) statthaft.

Ja!

Das Widerspruchsverfahren ist dem Klageverfahren vorgeschaltet, sodass Gegenstand des Widerspruchs nur sein kann, was auch Gegenstand der Klage sein könnte. Daher muss der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Die Statthaftigkeit des Widerspruchs ergibt sich aus § 68 VwGO. Bei dem Streit um die Rechtswidrigkeit der Abrissverfügung (welche sich nach Vorschriften des öffentlichen Baurechts richtet) handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, nicht-verfassungsrechtlicher Art. Es ist keine abdrängende Sonderzuweisung ersichtlich. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet (§ 40 Abs. 1 VwGO). Die Abrissverfügung ist ein Verwaltungsakt, sodass grundsätzlich der Anfechtungswiderspruch (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO) statthaft ist.
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2. Eine Anfechtungsklage ist nur zulässig, wenn die Klägerin klagebefugt ist (§ 42 Abs. 2 VwGO). Ist § 42 Abs. 2 VwGO auch auf das Widerspruchsverfahren direkt anwendbar?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die VwGO kennt grundsätzlich keinen Rechtsbehelf, den jeder – ohne Behauptung einer Verletzung eigener Rechte – einlegen kann (sog. Popularrechtsbehelf). Dies kommt durch die in § 42 Abs. 2 VwGO normierte Klagebefugnis zum Ausdruck. Nach allgemeiner Ansicht muss § 42 Abs. 2 VwGO analog im Widerspruchsverfahren gelten. Dies ergibt sich auch daraus, dass § 70 S. 1 VwGO eine Beschwer des Widerspruchsführers voraussetzt. Im Rahmen eines Anfechtungswiderspruchs besteht die Widerspruchsbefugnis, wenn der angegriffene Verwaltungsakt möglicherweise rechtswidrig und der Widerspruchsführer dadurch möglicherweise in seinen Rechten verletzt ist. Wenn Du Dir § 42 Abs. 2 VwGO im Kontext der Anfechtungsklage noch einmal genauer anschauen willst, kannst Du das hier tun.

3. Das Vorverfahren dient auch der Zweckmäßigkeitskontrolle (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO). Kann sich eine Klagebefugnis auch daraus ergeben, dass der angegriffene Verwaltungsakt möglicherweise unzweckmäßig ist?

Ja, in der Tat!

Die Widerspruchsbefugnis ergibt sich aus der analogen Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO. Bei der Widerspruchsbefugnis muss man berücksichtigen, dass im Widerspruchsverfahren – anders als im Klageverfahren – nicht nur die Rechtswidrigkeit, sondern auch die Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts überprüft wird. Handelt es sich bei dem angegriffenen Verwaltungsakt um eine Ermessensentscheidung, kann und muss die Behörde die Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts erwägen. In diesem Fall reicht es für die Klagebefugnis aus, dass der Widerspruchsführer möglicherweise durch die Unzweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Der Verwaltungsakt muss also nicht rechtswidrig sein. Diese Differenzierung ist nur konsequent: Denn der Widerspruch kann nur aufgrund der Unzweckmäßigkeit des Ausgangsverwaltungsakts begründet sein. Dies muss sich spiegelbildlich auch in der Klagebefugnis wiederfinden.

4. Adressat der Abrissverfügung und damit widerspruchsbefugt ist K. Ist auch F widerspruchsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog)?

Nein!

Handelt es sich bei dem angegriffenen Verwaltungsakt um eine Ermessensentscheidung, besteht die Widerspruchsbefugnis, wenn der Verwaltungsakt möglicherweise unzweckmäßig ist und der Widerspruchsführer dadurch möglicherweise in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Eine Widerspruchsbefugnis liegt unproblematisch vor, wenn jemand Adressat einer belastenden Verfügung ist (Adressatentheorie). Ansonsten muss das möglicherweise verletzte Recht genauer herausgearbeitet werden. Bei der Abrissverfügung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung (vgl. z.B. § 79 NBauO). Diese richtet sich an K. Eine Widerspruchsbefugnis der F ergibt sich also nicht daraus, dass sie Adressatin der belastenden Abrissverfügung ist. Eine anderweitige mögliche Beeinträchtigung von Fs Rechten ist ebenfalls nicht ersichtlich. An eine Rechtsverletzung von Dritten ist im Baurecht vor allem dann zu denken, wenn diese Nachbarn des Adressaten einer Verfügung sind.
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