Öffentliches Recht

VwGO

Widerspruchsverfahren

Ablauf / Wirkungen des Widerspruchsverfahrens 3: Devolutiveffekt

Ablauf / Wirkungen des Widerspruchsverfahrens 3: Devolutiveffekt

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Gemeinde A erlässt als zuständige Baurechtsbehörde eine weitere Abrissverfügung gegen Prinzessin P, weil Ps Wochenendhaus rechtswidrig ist. P erhebt Widerspruch gegen die Abrissverfügung. A hält den Widerspruch für unbegründet. Behörde B ist die nächsthöhere Baubehörde.

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Einordnung des Falls

Ablauf / Wirkungen des Widerspruchsverfahrens 3: Devolutiveffekt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hält Gemeinde A den Widerspruch für unbegründet, darf sie den Widerspruch zurückweisen.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Ausgangsbehörde darf dem Widerspruch nur abhelfen (§ 72 VwGO), also nur zu Gunsten des Widerspruchsführers entscheiden. Sie hat damit nur Abhilfebefugnis. Hilft die Ausgangsbehörde dem Widerspruch nicht ab, soll der Widerspruch in der Regel von einer höheren Behörde geprüft werden (vgl. § 73 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser sog. „Devolutiveffekt“ des Widerspruchsverfahrens gewährleistet effektiven Rechtsschutz. Als Ausgangsbehörde hat A nur Abhilfebefugnis. Sie darf den Widerspruch der P nicht zurückweisen. Weil A den Widerspruch für unbegründet hält, muss sie ihn der Widerpruchsbehörde B vorlegen. Nach § 73 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VwGO kann durch ein Gesetz eine Behörde als Widerspruchsbehörde benannt werden, die nicht die nächsthöhere Behörde ist. Zudem ist in den Fällen des § 73 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und Nr. 3 VwGO (lesen!) die Widerspruchsbehörde identisch mit de Ausgangsbehörde.
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2. Überprüft die Widerspruchsbehörde grundsätzlich nur die Rechtmäßigkeit des Ausgangsbescheids?

Nein!

Die Widerspruchsbehörde nimmt eine eigene Prüfung des Widerspruchs – und damit der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO) – vor (umfassende Prüfungskompetenz). Sie ist nicht an die Rechtsauffassung der Ausgangsbehörde gebunden und trifft eine eigene Entscheidung in der Sache. Damit wird die Stärkung der Selbstkontrolle der Verwaltung gefördert und effektiver Rechtsschutz gewährleistet. Eine eingeschränkte Prüfungskompetenz der Widerspruchsbehörde besteht ausnahmsweise in den sog. Selbstverwaltungsangelegenheiten der Ausgangsbehörde. Diese Ausnahme schauen wir uns in einer eigenen Aufgabe genauer an.

3. A hat den Widerspruch der B als zuständiger Widerspruchsbehörde vorgelegt. Kann B den Widerspruch nur zurückweisen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Widerspruchsbehörde kann dem Widerspruch sowohl abhelfen als auch den Widerspruch zurückweisen. Sie hat eine umfassende Entscheidungsbefugnis. Ihre Befugnis geht damit über die Befugnis der Ausgangsbehörde hinaus, der nur eine Abhilfebefugnis zukommt (§§ 72, 73 Abs. 1 S. 1 VwGO). Auch, wenn A dem Widerspruch nicht abhelfen will, kann es sein, dass die B als Widerspruchsbehörde zugunsten der P entscheidet und einen Abhilfebescheid erlässt. Sie kann allerdings ebenfalls einen (für P negativen) Widerspruchsbescheid erlassen, wenn sie den Widerruf für unzulässig und/oder unbegründet hält.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Sassun

Sassun

17.7.2024, 14:43:03

Bei Widerspruchsbehörde zu beachten: § 16a IV HessAGVwGO


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