Arbeitskampfmaßnahmen (Streik)

11. Juli 2025

5 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Arbeitnehmer T und seine Kollegen sind sauer, weil ihr Chef O sie schlecht bezahlt. Nach einer Ankündigung der Gewerkschaft legen sie die Arbeit für einige Stunden nieder. Deshalb verliert O einen Kunden. T und seine Kollegen drohen mit weiteren Streiks, sollte O nicht mehr zahlen.

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Einordnung des Falls

Arbeitskampfmaßnahmen (Streik)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat T eine „Drohung” an O ausgesprochen, indem er weitere Streiks ankündigte (§ 240 Abs. 1 Alt. 2 StGB)?

Ja!

Eine Drohung ist das ausdrückliche oder konkludente Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf das der Drohende Einfluss zu haben vorgibt. Ein Übel kann dabei jeder Nachteil sein. Empfindlich ist es, wenn es bei objektiver Beurteilung und der Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Betroffenen geeignet ist, einen besonnenen Menschen zu dem mit der Drohung erstrebten Verhalten zu bestimmen.T kündigt noch weitere Arbeitsniederlegungen für die Zukunft an. Das würde zu weiteren Nachteilen für O führen. Das angedrohte Übel ist auch geeignet, O im Sinne des T zu dem geforderten Verhalten (Lohnerhöhung) zu bestimmen.
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2. T und seine Kollegen wollen mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. O geht auf die Forderungen der Arbeitnehmer ein. Müsste die Tat verwerflich sein (§ 240 Abs. 2 StGB)?

Genau, so ist das!

Nötigungserfolg und nötigungsspezifischer Zusammenhang liegen vor. T handelte auch vorsätzlich. Es stellt sich die Frage, ob der Streik verwerflich war. Verwerflich ist eine Verhaltensweise dann, wenn die Gewaltanwendung oder die Drohung zu dem beabsichtigten Zweck in einem auffallenden Missverhältnis stehen. Dabei muss das Missverhältnis derart auffällig sein, dass die Verhaltensweise als sozialethisch missbilligenswert anzusehen ist, das heißt von einem verständigen Dritten als sozial unerträglich, als strafwürdiges Unrecht empfunden wird.Die Normen des Strafrechts sind unter Beachtung der Wertentscheidungen der Grundrechte auszulegen. Macht eine Person in zulässiger Weise von ihren Grundrechten Gebrauch, ist das in der Prüfung der Verwerflickeit unbedingt zu berücksichtigen!

3. Der Streik von T und seinen Kollegen könnte rechtmäßiger Arbeitskampf sein (Art. 9 Abs. 3 GG).

Genau, so ist das!

Streiks sind durch Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich geschützt. Voraussetzungen dafür, dass eine Arbeitskampfmaßnahme als rechtmäßig gewertet wird, sind: (1)Legitimes Ziel: Erreichung eines tariflich regelbaren Gegenstands (2) Organisation durch eine Gewerkschaft (3) Kein Verstoß gegen die Friedenspflicht (4) Verhältnismäßigkeit Bewegt sich ein Verhalten im zulässigen Bereich dieses Streikrechts, ist es nicht verwerflich. Häufig ist insbesondere zu prüfen, ob sich die Arbeitskampfmaßnahme zum Anlass des Arbeitskampfes als verhältnismäßig darstellt.Nicht tariflich regelbare Gegenstände sind etwa allgemeine politische Forderungen, wie die Herabsetzung des Renteneintrittsalters.Vertiefte Kenntnisse im Kollektivarbeitsrecht werden in den Prüfungsordnungen regelmäßig nicht vorausgesetzt. Du solltest allerdings schon einmal von den Grundzügen des Streikrechts gehört haben.

4. Die Tat ist vorliegend als verwerflich zu werten (§ 240 Abs. 2 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

T und seine Kollegen legen die Arbeit nieder, um bessere Arbeitsbedingungen und mehr Lohn zu erreichen (= tariflich regelbarer Gegenstand). Der Streik wurde auch durch eine Gewerkschaft organisiert. Hinweise darauf, dass er gegen die Friedenspflicht verstößt oder dass das Mittel außer Verhältnis zum Zweck steht, finden sich nicht. Ts Verhalten fällt damit unter das verfassungsrechtlich geschützte Streikrecht (Art. 9 Abs. 3 GG). Die Ankündigung des Streiks ist nicht verwerflich.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Larzed

Larzed

15.2.2023, 11:28:56

Könnte man auch so argumentieren, dass ein Rückgriff auf Art. 9Abs. 3 GG schwierig ist, weil es immerhin ja dort um die Bildung von Gewerkschaften für Arbeitskampfmaßnahmen geht und meines Wissens jedoch nicht die Einmann-Gewerkschaft existiert?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

16.2.2023, 11:25:30

Hallo Larzed, um Verwirrung zu vermeiden haben wir den Sachverhalt angepasst. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Alicia Helena

Alicia Helena

28.11.2023, 22:26:16

wie wäre die

Verwerflich

keit zu beurteilen, wenn es sich um einen

rechtswidrig

en Streik handeln würde? wäre das nur zivilrechtlich relevant (zB für eine etwaige

Pflichtverletzung

) oder auch für die strafrechtliche Beurteilung? es kommt mit etwas hart vor, jeden

rechtswidrig

streikenden eine Nötigung vorzuwerfen, sofern der AG dem geforderten nachkommt.

LELEE

Leo Lee

3.12.2023, 11:29:53

Hallo Alicia Helena, das ist eine sehr gute Frage! Die Antwort auf diese hängt wiederum – wie immer – davon ab, was man unter einem „

rechtswidrig

en“ Streik versteht. Bei Streik in Arbeitskampf gilt, dass er i.d.R. rechtmäßig zu behandeln ist, gerade aufgrund der hohen Bedeutung des Streikrechts. Erlaubt ist jedoch ein Streik nur bis zu Grenze des adäquaten Verhältnisses zw. Mittel und Zweck. Das kann dann etwa fehlen, wenn der Arbeitgeber dazu animiert werden soll, durch den Streik einen nichtorganisierten Arbeitnehmer entlässt. Ferner kann auch dann

Verwerflich

keit vorliegen, wenn Arbeitswillige gewaltsam am Betreten der Arbeitsplatezes durch Streikposten gehindert werden. Für weitere Beispiele und Verweise auf Entscheidungen kann ich dir die Lektüre von Schönke/Schröder 30. Auflage, Eises § 240 Rn. 25 empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

OKA

okalinkk

7.6.2025, 13:11:29

Fernziele sind vom Nötigungszweck nach hM ja nicht erfasst. Inwiefern ist das mit dem Ziel der Schaffung besserer Arbeitsbedingungen zu vereinbaren? Ist das kein Fernziel, weil es sehr konkret auf den einzelnen Betrieb beschränkt ist?


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