Strafrecht
BT 3: Straftaten gegen Freiheit u.a.
Nötigung, § 240 StGB
Versperren des Arbeitswegs – rechtmäßiger Streik?
Versperren des Arbeitswegs – rechtmäßiger Streik?
11. Juli 2025
10 Kommentare
4,7 ★ (3.902 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

T und andere Arbeiter wollen ihre bedrohten Arbeitsplätze erhalten. Auf dem gewerkschaftlich organisierten Streik versperren sie deshalb die Zufahrt für Autos zum Firmensitz. Sie verhindern so gezielt, dass die nicht streikenden Kollegen ihren Arbeitsplatz aufsuchen können.
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Einordnung des Falls
Versperren des Arbeitswegs – rechtmäßiger Streik?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wenn sich das Blockieren im Rahmen des rechtmäßigen Arbeitskampfes bewegt, kann es nicht verwerflich sein (§ 240 Abs. 2 StGB).
Genau, so ist das!
2. In dem Blockieren des Firmeneingangs könnte nach Ansicht der Rspr. Gewalt im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB liegen (sog. „Zweite–Reihe–Rechtsprechung“).
Genau, so ist das!
3. Ist das Verhindern der Arbeit von arbeitswilligen Kollegen vom Streikrecht gedeckt, wenn diese Maßnahme unverhältnismäßig ist?
Nein!
4. Aus der Arbeitsrechtswidrigkeit der Maßnahme folgt immer die Verwerflickeit der Tat (§ 240 Abs. 2 StGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jose
25.1.2022, 16:57:57
Es wäre toll, wenn ihr hier noch eventuelle Gegenansichten darstellen könntet.

Lukas_Mengestu
26.1.2022, 13:02:45
Hallo Jose, an dieser Stelle gibt es keinen klassischen Meinungsstreit. Ein rechtmäßiger, gewerkschaftlicher Streik ist grundsätzlich legal und stellt insofern keine Nötigung iSv § 240 Abs. 1 StGB dar. Er ist durch Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich legitimiert. Einzelne Maßnahmen der Streikenden kann aber durchaus
rechtswidrigsein. Streikmaßnahmen müssen u.a. dem Gebot der fairen Kampfführung entsprechen. Hiergegen wird verstoßen, wenn Arbeitswillige von der Arbeit abgehalten werden. Diese Maßnahme kann insoweit dann auch eine strafbare Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB StGB darstellen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-team
Kind als Schaden
30.12.2023, 23:04:12
Es wird innerhalb der Subsumption doch überhaupt nicht subsumiert. Hier wird bloß festgestellt, dass das Verhindern der Arbeit anderer Arbeitnehmer
verwerflichsei. Das begründet aber ja überhaupt nichts. Auf konkrete Gesichtspunkte zur Verhältnismäßigkeit, Grenzen des Arbeitskampfes usw. wird nicht eingegangen, oder übersehe ich da etwas?

Linne Hempel
10.7.2025, 17:25:56
Hallo @Kind als Schaden, danke für deine Kritik. Bisher war dieser Fall tatsächlich sehr knapp gehalten und oberflächlich subsumiert. Im Zuge einer umfassenderen Überarbeitung der Einheiten zur Nötigung haben wir die Aufgabe jetzt angepasst und die Subsumtion ausführlicher gestaltet. Wir gehen jetzt insbesondere darauf ein, dass Arbeitskampf nach Art. 9 Abs. 3 GG zwar zulässig, und damit nicht
verwerflichist, aber auch Grenzen hat. Diese wurden richterrechtlich durch das BAG aufgestellt, präzisiert und fortentwickelt. Hindern die Streikenden die nicht streikenden Kollegen durch Gewalt an der Arbeit, ziehen sie gleichsam Unbeteiligte in den Arbeitskampf „mit rein“. Dadurch wird die Grenze des zulässigen Arbeitskampfes überschritten. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team
Patrick4219
1.8.2024, 17:55:32
Hallo Zusammen, ich finde die Aufgaben im Zusammenhang mit der 2.-Reihe-Rechtsprechung teilweise sehr undurchsichtig, da häufig eine klare kleinschrittige Subsumtion fehlt. Hier verstehe ich nicht, wieso plötzlich eine Gewaltanwendung vorliegt wenn 50 Leute auf der Straße sitzen, wenn aber nur eine Person dort sitzt nicht. Ein Autofahrer kann auch über 50 Menschen fahren wenn er es wirklich will. Die Autos machen das schon mit. Insofern liegt m.M.n. nur psychicher Zwang vor und eben keine Gewalt oder übersehe ich hier etwas?

Jakob G.
12.4.2025, 20:13:01
Das ist durchaus zutreffend, jedoch lese ich den Sachverhalt nicht so, dass die Streikbrecher*innen mit dem Auto "bis zur Drehtür" fahren, sondern auf dem Fußweg aufgehalten werden. In diesem Fall erscheint es mir logisch, Gewalt zu bejahen und folglich in eine umfassende
Verwerflichkeitsprüfung einzutreten.
Flow
16.5.2025, 12:16:58
Außerdem liegt hier ja ein ,,gleicher Widerstand" vor. Mensch vs. Mensch. Die Barriere ist nicht so leicht zu durchbrechen wie im Auto-Fall. Das Auto kann theoretisch den Mensch ohne Weiteres niedermähen, der Fahrer tut dies aber aufgrund des allein psychisch wirkenden Zwangs nicht (merke: allein psychisch vermittelter Zwang, siehe nicht anwendbarer vergeistigter
Gewaltbegriff, ist nicht ausreichend). ABER hier steht es Mensch gegen Mensch, womöglich einzeln ankommende MAs gegen ,,eine Wand" an Blockierern. Ein Durchkommen wäre nur durch eigene Gewaltanwendung möglich. Hilft das?