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„Verlängerte Drittwiderspruchsklage“

Weitere Erlösherausgabeansprüche gegen den Vollstreckungsgläubiger?

Weitere Erlösherausgabeansprüche gegen den Vollstreckungsgläubiger?

22. Februar 2025

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Jurafuchs

Bei der Zwangsvollstreckung des G gegen S wurde das Dominospiel der D wirksam gepfändet und versteigert. D weiß, dass sie einen Anspruch auf Herausgabe des an G gezahlten Erlöses aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB hat. Sie fragt sich, ob noch weitere Erlösherausgabeansprüche bestehen. ‌

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Einordnung des Falls

Weitere Erlösherausgabeansprüche gegen den Vollstreckungsgläubiger?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Erlösherausgabeanspruch aus GoA (§§ 677, 681 S. 2, 667 BGB) setzt zunächst voraus, dass G ein fremdes Geschäft geführt hat.

Genau, so ist das!

Ein Erlösherausgabeanspruch aus §§ 677, 681 S. 2, 667 BGB erfordert zunächst eine (echte) Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) im Sinne des § 677 BGB. Hiernach muss zunächst jemand „ein Geschäft für einen anderen“, also ein fremdes Geschäft besorgt haben. Ein Geschäft ist fremd, wenn es in den Rechts- und Interessenkreis eines anderen fällt. Der Vollstreckungsgläubiger hat nur das Recht in das Vermögen des Vollstreckungsschuldners, nicht aber in das Vermögen eines Dritten zu vollstrecken. G führt also ein eigenes Geschäft, wenn er gegen S die Zwangsvollstreckung betreibt. Die Pfändung und Versteigerung von Ds Dominospiel ist dagegen ein für ihn fremdes Geschäft.
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2. Ein Erlösherausgabeanspruch aus GoA (§§ 677, 681 S. 2, 667 BGB) erfordert ferner, dass G das Geschäft der D mit Fremdgeschäftsführungswillen geführt hat. Wollte G das Geschäft für D führen?

Nein, das trifft nicht zu!

Eine (echte) GoA im Sinne des § 677 BGB setzt voraus, dass jemand „ein Geschäft für einen anderen“ besorgt hat. Aus dieser Formulierung wird nicht nur abgeleitet, dass das besorgte Geschäft fremd sein muss, sondern auch, dass der Handelnde bei der Vornahme des Geschäfts Fremdgeschäftsführungswillen gehabt haben muss (vgl. auch § 687 Abs. 1 BGB). Der Geschäftsführer muss also den Willen gehabt haben, das Geschäft nicht als eigenes, sondern als fremdes zu führen. Bei der Pfändung und der Versteigerung wusste G nicht, dass das Dominospiel nicht dem S, sondern der D gehört. Er dachte somit, er betreibe ein eigenes Geschäft. G hatte daher keinen Fremdgeschäftsführungswillen. Auch ein Anspruch aus angemaßter Eigengeschäftsführung (§§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB) scheidet aus. G handelte zwar mit Eigengeschäftsführungswillen, jedoch wusste er nicht, dass er ein fremdes Geschäft führt.

3. Ein Anspruch auf Erlösherausgabe aus § 985 BGB kann nur bestehen, wenn D die Eigentümerin des Erlöses ist. Ist D die Eigentümerin des Erlöses?

Nein!

Nach der Versteigerung wird dem Meistbietenden die Pfandsache gegen Bezahlung der gebotenen Summe übergeben (§ 817 Abs. 2 ZPO). Hierdurch erwirbt dieser das Eigentum daran, sofern die Pfändung wirksam war (beide Theorien). Nach § 1247 S. 2 BGB analog setzt sich das Eigentum des ursprünglichen Eigentümers zunächst am gezahlten Erlös fort (sog. dingliche Surrogation). Mit der Auskehr des Erlöses geht das Eigentum anschließend auf den Vollstreckungsgläubiger über (= Eigentumserwerb durch Hoheitsakt nach § 815 Abs. 1 ZPO). D war zuerst nur Eigentümerin des Dominospiels. Durch die Übergabe des wirksam gepfändeten Dominospiels an den Meistbietenden wurde dieser zum Eigentümer. Ds ursprüngliches Eigentum setzte sich zwar zunächst am gezahlten Erlös fort, ging jedoch mit dessen Auszahlung auf G über.

4. Für einen Anspruch auf Erlösherausgabe aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB müsste G den Erlös (= erlangtes Etwas) durch eine Leistung der D erlangt haben. Ist dies der Fall?

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. G hat das Eigentum am Erlös durch Hoheitsakt und damit nicht durch eine Leistung der D (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB), sondern „in sonstiger Weise“ (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB) erlangt. Bei der Vollstreckung in schuldnerfremde Sachen besteht daher regelmäßig ein Erlösherausgabeanspruch gegen den Vollstreckungsgläubiger aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB.

5. Für einen Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB müsste G eine Verfügung getroffen haben. Ist dies der Fall?

Nein, das trifft nicht zu!

Trifft ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist er dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet (§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB). Eine Verfügung ist jedes Rechtsgeschäft, durch das ein Recht aufgehoben, übertragen, belastet oder inhaltlich geändert wird. D hat zwar durch die von G betriebene Zwangsvollstreckung zunächst das Eigentum am Dominospiel und später das Eigentum am dafür gezahlten Erlös verloren. Jedoch ist der in der Zwangsvollstreckung stattfindende Eigentumserwerb kein Rechtsgeschäft bzw. keine Verfügung im Sinne des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB. Vielmehr handelt es sich dabei um eine hoheitliche Maßnahme (Eigentumserwerb durch Hoheitsakt).
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