Wozu braucht es die „verlängerte Vollstreckungsabwehrklage“?

22. Februar 2025

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S wurde zur Zahlung von €1.000 an G verurteilt. S zahlt. Dennoch pfändet Gerichtsvollzieher V auf Gs Antrag die Kuckucksuhr des S wirksam, versteigert sie an E und zahlt den Erlös (€1.000) an G aus. S will entweder die Uhr zurück oder den Erlös aus der Versteigerung haben.

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Einordnung des Falls

Wozu braucht es die „verlängerte Vollstreckungsabwehrklage“?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Weil die Zwangsvollstreckung beendet ist, wäre eine Vollstreckungsabwehrklage des S unzulässig. Gibt es grundsätzlich die Möglichkeit, eine „verlängerte Vollstreckungsabwehrklage“ zu erheben?

Ja, in der Tat!

Ist die Zwangsvollstreckung beendet, scheitert eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 Abs. 1 ZPO an dem Rechtsschutzbedürfnis des Vollstreckungsschuldners. Die Klage ist unzulässig. Es stellt sich aber die Frage, ob der Vollstreckungsschuldner andere Möglichkeiten hat, um einen „Ausgleich“ für die „ungerechtfertigte“ Vollstreckung zu erhalten. Eine „verlängerte Vollstreckungsabwehrklage“ ist eine nach Beendigung der Zwangsvollstreckung erhobene Leistungsklage des „zu spät kommenden Vollstreckungsschuldners“ (zu spät für eine Vollstreckungsabwehrklage) gegen den Vollstreckungsgläubiger auf Erlösherausgabe.
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2. E ist Besitzer der Kuckucksuhr, die S zurück haben will. Wäre eine Leistungsklage des S gegen den E gerichtet auf Herausgabe der Kuckucksuhr eine „verlängerte Vollstreckungsabwehrklage“?

Nein!

Eine „verlängerte Vollstreckungsabwehrklage“ ist eine nach Beendigung der Zwangsvollstreckung erhobene Leistungsklage des „zu spät kommenden Vollstreckungsschuldners“ (zu spät für eine Vollstreckungsabwehrklage) gegen den Vollstreckungsgläubiger auf Erlösherausgabe. E hat als Meistbietender den Besitz an der Kuckusuhr erlangt (§ 817 Abs. 2 ZPO). Wenn S die Kuckusuhr zurück haben will, muss S sich daher an E halten. Eine entsprechende Herausgabeklage gegen E wäre aber keine „verlängerte Vollstreckungsabwehrklage“.  Die „verlängerte Vollstreckungsabwehrklage“ hat ihrem Anspruchsziel nach Ähnlichkeit mit der „verlängerten Drittwiderspruchsklage“. Eine „verlängerte Drittwiderspruchsklage“ wird aber von einem Dritten wegen eines Drittrechts, eine „verlängerte Vollstreckungsabwehrklage“ vom Vollstreckungsschuldner wegen materiell-rechtlicher Einwendungen gegen den titulierten Anspruch erhoben.

3. Hätte eine Leistungsklage gegen den E auf Herausgabe der Kuckucksuhr auf jeden Fall Aussicht auf Erfolg?

Nein, das ist nicht der Fall!

S Klage auf Herausgabe der Kuckucksuhr hätte Aussicht auf Erfolg, wenn diese zulässig und begründet ist. Die Begründetheit setzt voraus, dass S einen Herausgabeanspruch gegen E hat. Genauso wie der für eine Drittwiderspruchsklage „zu spät kommende Dritte“ hat auch der für eine Vollstreckungsabwehrklage „zu spät kommende Vollstreckungsschuldner“ regelmäßig keinerlei Ansprüche gegen den Ersteigerer auf Herausgabe der gepfändeten und versteigerten Sache. Denn auch hier erwirbt der Ersteigerer in der öffentlichen Versteigerung regelmäßig kondiktionsfestes Eigentum an der Sache (Eigentumserwerb durch Hoheitsakt nach § 817 Abs. 2 ZPO), sodass Herausgabeansprüche aus § 985 BGB und § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB ausscheiden. Hier bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass Es Eigentumserwerb nach § 817 Abs. 2 ZPO nicht erfolgt ist. S hat damit keinerlei Herausgabeansprüche gegen E. Eine Klage des S gegen E auf Herausgabe der Kuckucksuhr hätte daher keine Aussicht auf Erfolg.

4. Wenn S schon nicht die Kuckucksuhr zurückhaben kann, möchte S zumindest den Erlös von G bekommen. Wäre eine hierauf gerichtete Lesitungsklage eine „verlängerte Vollstreckungsabwehrklage“?

Ja, in der Tat!

Eine „verlängerte Vollstreckungsabwehrklage“ ist eine nach Beendigung der Zwangsvollstreckung erhobene Leistungsklage des „zu spät kommenden Vollstreckungsschuldners“ (zu spät für eine Vollstreckungsabwehrklage) gegen den Vollstreckungsgläubiger auf Erlösherausgabe. S ist ein „zu spät kommender Vollstreckungsschuldner“: Da die Zwangsvollstreckung bereits beendet ist, wäre eine Vollstreckungsabwehrklage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Eine Leistungsklage gegen G auf Erlösherausgabe wäre eine „verlängerte Vollstreckungsabwehrklage“.

5. G hat Besitz an dem Erlös erlangt. Hätte eine „verlängerte Vollstreckungsabwehrklage“ des S gegen G grundsätzlich Aussicht auf Erfolg?

Ja!

Wie der für eine Drittwiderspruchsklage „zu spät kommende Dritte“ hat auch der für eine Vollstreckungsabwehrklage „zu spät kommende Vollstreckungsschuldner“ regelmäßig einen Anspruch gegen den Vollstreckungsgläubiger auf Erlösherausgabe (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB). Eine „verlängerte Vollstreckungsabwehrklage“ des S gegen G hätte wohl Aussicht auf Erfolg.An dieser Stelle kommt es uns darauf an, dass Du die Bedeutung der „verlängerten Vollstreckungsabwehrklage“ verstehst: Der Vollstreckungsschuldner hat nach der Versteigerung der Sache i.d.R. keine Möglichkeit, die Sache selbst vom Ersteigerer zurück zu bekommen. Das ist auch „fair“, denn der Ersteigerer ist an dieser Stelle besonders schutzwürdig. Etwas anderes gilt für G: S hat seine Schulden durch Zahlung beglichen. Es ist daher „gerecht“, wenn S den Erlös aus der Versteigerung von G verlangen kann. Ansonsten wäre G unbillig „doppelt befriedigt“.
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