Referendariat

Die zivilrechtliche Urteilsklausur

Klageänderung

Beklagter veräußert streitbefangene Sache und verliert dadurch Passivlegitimation - keine Zustimmung des Klägers (§ 265 Abs. 2 S. 1 ZPO)

Beklagter veräußert streitbefangene Sache und verliert dadurch Passivlegitimation - keine Zustimmung des Klägers (§ 265 Abs. 2 S. 1 ZPO)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K verlangt klageweise die Herausgabe der Bohrmaschine, die B bei ihm entwendet hat (§ 985 BGB). Kurz nach Klageerhebung „übereignet“ B die Bohrmaschine an X und händigt sie ihm aus. Nun wollen B und X, dass X anstelle des B in den Prozess eintritt.‌

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Einordnung des Falls

Beklagter veräußert streitbefangene Sache und verliert dadurch Passivlegitimation - keine Zustimmung des Klägers (§ 265 Abs. 2 S. 1 ZPO)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. X ist Eigentümer der Bohrmaschine geworden.

Nein!

Der Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten bzw. gutgläubige Erwerb ist in den §§ 932ff. BGB geregelt. Nach § 935 BGB ist ein gutgläubiger Erwerb jedoch ausgeschlossen, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen war. B hat die Bohrmaschine bei K entwendet, d.h. gestohlen. Sie ist also abhanden gekommen, sodass X das Eigentum nicht wirksam von B erwerben konnte.
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2. B hat dennoch eine streitbefangene Sache „veräußert“.

Genau, so ist das!

Eine Sache ist streitbefangen, wenn auf der rechtlichen Beziehung zu ihr die Sachlegitimation des Klägers oder des Beklagten beruht. Dies ist der Fall, wenn durch ihre Veräußerung der Kläger nicht mehr aktivlegitimiert oder der Beklagte nicht mehr passivlegitimiert ist. B konnte zwar nicht das Eigentum des K, jedoch seinen eigenen Besitz an der Bohrmaschine an X übertragen. Der Besitz des Anspruchsgegners ist indes Anspruchsvoraussetzung des Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB, sodass B nicht mehr passivlegitimiert ist.

3. Die Klage des K ist deshalb als unbegründet abzuweisen, weil B nicht mehr passivlegitimiert ist (=kein Besitzer).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Veräußerung der streitbefangenen Sache oder die Abtretung des streitbefangenen Anspruchs hat auf den Prozess keinen Einfluss (§ 265 Abs. 2 S. 1 ZPO). Dies bedeutet, dass der Prozess grundsätzlich mit den bereits vorhandenen Parteien fortgesetzt und der Verlust der Passivlegitimation durch § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO überwunden wird.Ungeachtet der Besitzübertragung auf X, kann also gegen B ein klagestattgebendes Urteil ergehen. Im Ergebnis wird in diesem Fall also der ehemalige Rechtsinhaber und damit der „falsche Schuldner“ verurteilt. Sofern der Rechtsnachfolger bösgläubig ist, erstreckt sich die Rechtskraft des Urteils auch ihn (§ 325 Abs. 1 ZPO). Der Kläger kann dann nach § 727 ZPO eine Titelumschreibung beantragen. Ist der Nachfolger gutgläubig (§ 325 Abs. 2 ZPO), sollte der Kläger den Antrag umstellen (zB Schadensersatz), um keinen neuen Prozess führen zu müssen.

4. X kann aber anstelle von B in den Prozess eintreten, wenn K zustimmt.

Ja!

Der Rechtsnachfolger kann den Prozess auch anstelle des Rechtsvorgängers übernehmen. Hierzu bedarf es aber stets der Zustimmung des Gegners (§ 265 Abs. 2 S. 2 HS 1 ZPO). Der Rechtsnachfolger ist derjenige, an den die streitbefangene Sache veräußert oder der streitbefangene Anspruch abgetreten wird. Der Rechtsvorgänger ist der Veräußernde/Abtretende. B ist der Rechtsvorgänger, X der Rechtsnachfolger. Der von B und X angestrebte Beklagtenwechsel findet nur statt, wenn K ihm zustimmt.

5. Muss K seinen Klageantrag umstellen, wenn er die Zustimmung zum Parteiwechsel verweigert?

Nein, das ist nicht der Fall!

Ist der Kläger der Veräußerer/Zedent und wird der Prozess trotz Veräußerung der streitbefangenen Sache nach § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO mit den bereits vorhandenen Parteien fortgesetzt, muss er den Klageantrag auf Leistung an den Rechtsnachfolger (Erwerber/Zessionar) umstellen, sofern ihm dieser keine Einzugsermächtigung erteilt hat. Erfolgt die Veräußerung auf Beklagtenseite, so kann der Kläger seinen Antrag ändern (zB Schadensersatz, Veräußerungserlös). Er ist hierzu aber nicht gezwungen. Da die Veräußerung der streitbefangenen Sache auf Beklagtenseite erfolgt ist, bedarf es keiner Umstellung des Klageantrags.Insbesondere wenn die Rechtskraft des Urteils sich auch auf den Rechtsnachfolger erstreckt (§ 325 Abs. 1 ZPO), dürfte dem Kläger regelmäßig daran gelegen sein, seinen ursprünglichen Anspruch weiterzuverfolgen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

flari0n

flari0n

5.10.2024, 12:24:47

Ich hätte gesagt, der Kläger MUSS seinen Antrag nie umstellen. Allenfalls riskiert er die Abweisung der Klage (ggf. mangels Prozessführungsbefugnis sogar als unzulässig), wenn er es nicht tut. Ist das hier gemeint? Ich fänd’s gut, wenn das nochmal etwas deutlicher aufgeschlüsselt werden würde :)


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