Zivilrecht
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Unfreiwillige "Ice Bucket Challenge" als Kündigungsgrund?
Unfreiwillige "Ice Bucket Challenge" als Kündigungsgrund?
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Vermieterin V gehört ein Mehrfamilienhaus, in dem sie selbst eine Wohnung bewohnt und eine andere an Mieterin M vermietet hat. M und ihre V streiten sich über die Positionierung von Ms Fahrrad im Innenhof. Um V daran zu hindern, das Fahrrad umzustellen, schüttet M an zwei kalten Januartagen einen Eimer Wasser auf V. V reicht es nun. Sie will M loswerden.
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Einordnung des Falls
Unfreiwillige "Ice Bucket Challenge" als Kündigungsgrund?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V hat gegen M einen Anspruch auf Herausgabe der Wohnung, wenn das bestehende Mietverhältnis beendet worden ist (§ 546 Abs. 1 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Bei Wohnraummietverträgen ergeben sich die Gründe für eine außerordentliche Kündigung abschließend aus § 543 BGB.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Liegt eine Störung des Hausfriedens vor (§ 569 Abs. 2 BGB)?
Ja, in der Tat!
4. Handelt es sich auch um eine nachhaltige Störung (§ 569 Abs. 2 BGB)?
Ja!
5. Ist es V zumutbar, das Vertragsverhältnis mit M fortzusetzen?
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Muss V die M vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung zunächst abmahnen (§ 543 Abs. 3 BGB)?
Nein, das trifft nicht zu!
7. V kann M somit die außerordentliche Kündigung erklären und die Herausgabe und Räumung der Wohnung verlangen (§ 546 BGB).
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
david1234
24.5.2024, 12:13:12
Bin vom Ergebnis tatsächlich überrascht, da dieses Geschehen ja nicht von der Mieterin alleine in Gang gesetzt worden ist. Über die Handlungen der Vermieterin lese ich hier nichts, ich hätte das bei der Abwägung eingebracht und wäre damit zu einem anderen Ergebnis gekommen. Geht das ganze in die nächste Runde? Was ist eure Meinung dazu?
Nora Mommsen
25.5.2024, 13:14:21
Hallo david12
34, danke für deine Frage! Die Entscheidung des AG Hanau ist rechtskräftig. Nach Begründung des Gerichts sei Fortsetzung des
Mietverhältnisses für die Vermieterin aufgrund der Vorfälle
nicht zumutbar. "Schließlich handelt es sich um auch strafrechtlich relevante, vorsätzliche tätliche Angriffe und nicht um bloße Bagatellen wie etwa unhöfliches Verhalten". Die Frau hatte zudem weitere solcher Aktionen angekündigt. Du kannst natürlich in einer Abwägung durchaus zu einer anderen Abwägung kommen, im Recht ist nunmal wenig zwingend. Ich finde den Gedanken, dass wir aber eben keine "Selbstjustiz" haben und sie bei wirklich unberechtigter Besitzstörung an ihrem Fahrrad auch die Polizei hätte rufen können beispielsweise die Begründung des AG Hanau jedenfalls nachvollziehbar. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Gregor Grune
11.7.2024, 11:35:11
Angesichts des Selbsthilferechts aus § 859 I wäre ich bei einer unberechtigten Besitzstörung i.R.d Abwägung tatsächlich auch zu einem anderen Ergebnis gelangt. LG
Dennis777
4.11.2024, 09:50:45
Vermutlich brauchen viele Juristen mal einen Eiswassereimer am eigenen Leib und würden dann die außerordentliche Kündigung vertreten. 😊
Timurso
22.11.2024, 16:33:29
@[Dennis777](174280) Ich denke es ist weniger das kalte Wasser, was bei einigen hier Unsicherheiten bereitet, sondern eher das von Gregor Grune vollkommen zurecht angesprochene Selbsthilferecht des Besitzers. Das deckt auch weitaus folgenreichere Handlungen als nur das Überschütten mit Wasser, welches am unteren Rand der Strafbarkeit angesiedelt ist.
brrrap
27.5.2024, 16:54:23
Es stimmt nicht pauschal, dass der § 569 II nicht anwendbar ist, wenn der Vermieter nicht im selben Haus wohnt. Der Hausfrieden ist eben Hausfrieden, nicht Vermieterfrieden. Solange also andere Parteien im selben Haus wohnen kann der Mieter dennoch den Hausfrieden nach dieser Norm stören. (BeckOK MietR/Theesfeld-Betten, 35. Ed. 15.2.2024, BGB § 569 Rn. 35. Die vorherige Rn. klingt da etwas irreführend, aber Rn. 35 stellt das ausdrücklich klar.)
brrrap
27.5.2024, 16:57:20
Vielleicht etwas genauer: Der Vermieter der nicht im Haus wohnt kann sich selbst nicht darauf berufen Gestörter nach § 569 II BGB zu sein, er kann aber wegen einer Störung des Hausfriedens nach der Norm kündigen wenn andere im Haus gestört werden. Insbesondere wenn er an diese anderen Vermietet kann er sogar dazu verpflichtet sein.
Lukas_Mengestu
28.5.2024, 09:00:50
Hi brrrap, vielen Dank für die Anmerkung. In der Tat war der Vertiefungshinweis an dieser Stelle etwas missverständlich. Es ging hier tatsächlich allein um die Konstellation des Sachverhalts, dass der Vermieter selbst der Gestörte ist. Damit in diesem Fall eine Störung des Hausfriedens angenommen werden kann, muss er Teil der Hausgemeinschaft sein. Wir haben das aber noch etwas präzisiert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
flari0n
16.9.2024, 18:29:52
Wenn ich mich nicht täusche, geht aus dem Sachverhalt nicht hervor, dass V ebenfalls das Haus bewohnt. Das ist aber für die zweite oder dritte (?) Frage wichtig, weil sie sich darauf beruft, selbst von der Störung des Hausfriedens betroffen zu sein. Vielleicht wäre eine kleine Ergänzung des Sachverhalts sinnvoll :)
Sebastian Schmitt
13.1.2025, 19:03:43
Hallo @[flari0n](207363), vielen Dank für den berechtigten Hinweis, wir haben das ergänzt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Vanilla Latte
4.11.2024, 04:28:34
Nach allein 543 BGB würde aber eine Kündigung ausscheiden oder?
Major Tom(as)
22.11.2024, 15:35:12
Hallo liebes Jurafuchs-Team, mE wird aus dem Sachverhalt nicht klar, dass V und M zusammenwohnen - daher hatte ich § 569 II BGB auch zuerst vernein und war verwundert über die Antwort. Vielleicht kann man das ergänzen? Allein der Fakt, dass V immer wieder im Innenhof zugange ist, reicht ja noch nicht aus, um zu beweisen, dass sie auch in diesem Haus wohnt. Danke euch!
Viooola
30.11.2024, 23:50:26
Dem schließe ich mich an. Das kommt aus dem SV oder der Abbildung nicht hervor.
Sebastian Schmitt
13.1.2025, 18:33:23
Hallo @[Major Tom(as)](258980), hallo @[Viooola](278844), vielen Dank Euch beiden für den guten Hinweis! Wir haben die Sachverhaltsdarstellung jetzt dahingehend ergänzt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Major Tom(as)
22.11.2024, 15:39:45
Liebes Jurafuchs-Team, Ich wollte euch gerade für die Kreativität bzgl des grandiosen Titels loben, da habe ich die Zeile im Urteil auch gefunden. "Der Zeuge bekundete, dass er sowohl am 18.05.2023 als auch am 19.05.2023 bei seiner Rückkehr von der Arbeit die Klägerin im Hof angetroffen habe, wobei diese „klitschnass“ wie bei der „Ice-Bucket-Challenge“ gewesen sei." Dann kein Lob an die Kreativität, aber Danke, dass ihr solche Goldstücke für uns heraussucht :)
Linne_Karlotta_
22.11.2024, 17:29:20
Hallo Major Tom(as), vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team