Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2024
Unfreiwillige "Ice Bucket Challenge" als Kündigungsgrund?
Unfreiwillige "Ice Bucket Challenge" als Kündigungsgrund?
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M und ihre Vermieterin V streiten sich über die Positionierung von Ms Fahrrad im Innenhof. Um V daran zu hindern, das Fahrrad umzustellen, schüttet M an zwei kalten Januartagen einen Eimer Wasser auf V. V reicht es nun. Sie will M loswerden.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Unfreiwillige "Ice Bucket Challenge" als Kündigungsgrund?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V hat gegen M einen Anspruch auf Herausgabe der Wohnung, wenn das bestehende Mietverhältnis beendet worden ist (§ 546 Abs. 1 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Bei Wohnraummietverträgen ergeben sich die Gründe für eine außerordentliche Kündigung abschließend aus § 543 BGB.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Liegt eine Störung des Hausfriedens vor (§ 569 Abs. 2 BGB)?
Ja, in der Tat!
4. Handelt es sich auch um eine nachhaltige Störung (§ 569 Abs. 2 BGB)?
Ja!
5. Ist es V zumutbar, das Vertragsverhältnis mit M fortzusetzen?
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Muss V die M vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung zunächst abmahnen (§ 543 Abs. 3 BGB)?
Nein, das trifft nicht zu!
7. V kann M somit die außerordentliche Kündigung erklären und die Herausgabe und Räumung der Wohnung verlangen (§ 546 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
david1234
24.5.2024, 12:13:12
Bin vom Ergebnis tatsächlich überrascht, da dieses Geschehen ja nicht von der Mieterin alleine in Gang gesetzt worden ist. Über die Handlungen der Vermieterin lese ich hier nichts, ich hätte das bei der Abwägung eingebracht und wäre damit zu einem anderen Ergebnis gekommen. Geht das ganze in die nächste Runde? Was ist eure Meinung dazu?
Nora Mommsen
25.5.2024, 13:14:21
Hallo david1234, danke für deine Frage! Die Entscheidung des AG Hanau ist rechtskräftig. Nach Begründung des Gerichts sei Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Vermieterin aufgrund der Vorfälle nicht zumutbar. "Schließlich handelt es sich um auch strafrechtlich relevante, vorsätzliche tätliche Angriffe und nicht um bloße Bagatellen wie etwa unhöfliches Verhalten". Die Frau hatte zudem weitere solcher Aktionen angekündigt. Du kannst natürlich in einer Abwägung durchaus zu einer anderen Abwägung kommen, im Recht ist nunmal wenig zwingend. Ich finde den Gedanken, dass wir aber eben keine "Selbstjustiz" haben und sie bei wirklich unberechtigter Besitzstörung an ihrem Fahrrad auch die Polizei hätte rufen können beispielsweise die Begründung des AG Hanau jedenfalls nachvollziehbar. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Gregor Grune
11.7.2024, 11:35:11
Angesichts des Selbsthilferechts aus § 859 I wäre ich bei einer unberechtigten Besitzstörung i.R.d Abwägung tatsächlich auch zu einem anderen Ergebnis gelangt. LG
brrrap
27.5.2024, 16:54:23
Es stimmt nicht pauschal, dass der § 569 II nicht anwendbar ist, wenn der Vermieter nicht im selben Haus wohnt. Der Hausfrieden ist eben Hausfrieden, nicht Vermieterfrieden. Solange also andere Parteien im selben Haus wohnen kann der Mieter dennoch den Hausfrieden nach dieser Norm stören. (BeckOK MietR/Theesfeld-Betten, 35. Ed. 15.2.2024, BGB § 569 Rn. 35. Die vorherige Rn. klingt da etwas irreführend, aber Rn. 35 stellt das ausdrücklich klar.)
brrrap
27.5.2024, 16:57:20
Vielleicht etwas genauer: Der Vermieter der nicht im Haus wohnt kann sich selbst nicht darauf berufen Gestörter nach § 569 II BGB zu sein, er kann aber wegen einer Störung des Hausfriedens nach der Norm kündigen wenn andere im Haus gestört werden. Insbesondere wenn er an diese anderen Vermietet kann er sogar dazu verpflichtet sein.
Lukas_Mengestu
28.5.2024, 09:00:50
Hi brrrap, vielen Dank für die Anmerkung. In der Tat war der Vertiefungshinweis an dieser Stelle etwas missverständlich. Es ging hier tatsächlich allein um die Konstellation des Sachverhalts, dass der Vermieter selbst der Gestörte ist. Damit in diesem Fall eine Störung des Hausfriedens angenommen werden kann, muss er Teil der Hausgemeinschaft sein. Wir haben das aber noch etwas präzisiert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team