Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
BT 9: Amtsdelikte
Coronaleugner am Amtsgericht – Rechtsbeugung (BGH, Urt. v. 20.11.2024, 2 StR 54/24)
Coronaleugner am Amtsgericht – Rechtsbeugung (BGH, Urt. v. 20.11.2024, 2 StR 54/24)
23. März 2025
4 Kommentare
4,7 ★ (13.517 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
2021: Richter R hält alle Coronamaßnahmen für unverhältnismäßig und will die Maskenpflicht an Schulen gerichtlich untersagen. Er sucht gezielt nach Familien, die „bei ihm” klagen und nach Sachverständigen, die seiner Meinung sind. In einem Urteil setzt er die Maskenpflicht dann an zwei Schulen aus.
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Einordnung des Falls
Coronaleugner am Amtsgericht – Rechtsbeugung (BGH, Urt. v. 20.11.2024, 2 StR 54/24)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 13 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. R könnte sich wegen Rechtsbeugung strafbar gemacht haben (§ 339 StGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. R ist tauglicher Täter des § 339 StGB.
Ja, in der Tat!
3. Eine Strafbarkeit nach § 339 StGB ist nur möglich, wenn objektiv ein falsches Ergebnis bei der gerichtlichen Entscheidung herauskommt.
Nein!
4. Die objektive „Beugung” des Rechts ist bereits dann verwirklicht, wenn der Täter auf irgendeine Weise gegen materielles oder prozessuales Recht verstößt.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Gehen Klagen bei Gericht ein, dürfen sich die Richter am Gericht nach persönlichen Vorlieben aussuchen, wer welchen Fall bearbeitet.
Nein, das trifft nicht zu!
6. R hat über Dritte gezielt nach Eltern gesucht, die für ihr Kind gegen die Maskenpflicht an ihrer Schule klagen würden. Er hat dabei auf den „richtigen” Nachnamen geachtet, damit die Sache nach Geschäftsverteilungsplan zu ihm kommt. Könnte darin ein elementarer Verstoß gegen Verfahrensvorschriften liegen?
Ja!
7. R hat sich als Familienrichter für zuständig erklärt, Maskenverbote an Schulen anzuordnen. Später wurde obergerichtlich geurteilt, dass für solche Maßnahmen allein die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Ist dieser Verstoß gegen die Rechtswegzuständigkeit ein (weiterer) elementarer Verfahrensverstoß?
Nein, das ist nicht der Fall!
8. Noch während R auf der Suche nach „geeigneten” Eltern war, hat er Kontakt zu Sachverständigen aufgenommen, die die Coronamaßnahmen ablehnen. Im Verfahren ließ sich R die Gutachten von diesen vorab auf seine private Mailadresse schicken, ohne dies in den Akten zu vermerken. Liegt darin ein elementarer Verstoß gegen Verfahrensvorschriften?
Ja, in der Tat!
9. R hörte weder die Eltern der anderen Kinder, noch die Kinder an den betroffenen Schulen selbst an. Kann auch im nicht erteilten rechtlichen Gehör ein Verfahrensverstoß liegen?
Ja!
10. Sind Rs festgestellte Verstöße gegen das Verfahrensrecht in ihrer Gesamtheit elementar?
Genau, so ist das!
11. R hat auch zugunsten bzw. zum Nachteil von Verfahrensbeteiligten gehandelt.
Ja, in der Tat!
12. Im subjektiven Tatbestand genügt bei § 339 StGB bereits jeglicher bedingter Vorsatz.
Nein!
13. R wurde für die Tat rechtskräftig zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Hat diese Verurteilung für R auch statusrechtliche Konsequenzen in seiner Position als Richter?
Genau, so ist das!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
forste35
18.2.2025, 10:50:09

Simon
18.2.2025, 11:26:58
Die h.M. lässt bedingten
Vorsatzwohl genügen, allerdings fordert der BGH einen bewusst überzeugungswidrigen Verstoß, d.h. direkten
Vorsatzhinsichtlich der Schwere des Rechtsverstoßes, s. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Saliger, StGB, 6. Aufl. 2023, § 339 Rn. 78; BeckOK-StGB/Bange, 64. Ed. Stand: 01.02.2025, § 339 Rn. 18.
forste35
18.2.2025, 16:08:08
Danke :)
jc1909
27.2.2025, 08:37:14
Ich verstehe die Frage mit dem bedingten
Vorsatznicht. Laut der Aufgabe reicht bedingter
Vorsatznicht, aber in der Erklärung steht, dass der Richter es billigend in Kauf genommen hat und daher
vorsätzlichhandelte?

Linne_Karlotta_
21.3.2025, 17:49:12
Hey @[jc1909](167873), danke für Deine Anmerkung. Tatsächlich ist die Prüfung des
Vorsatzes bei § 339 StGB ein bisschen tricky. Grundsätzlich genügt Eventual
vorsatz. In konsequenter Anwendung würde das aber bedeuten, dass ein Richter bereits strafbar ist, wenn er die Möglichkeit der bloßen Fehlerhaftigkeit seiner Entscheidung erkennt und sich mit ihr abfindet. Eine solche enorme Ausweitung der Strafbarkeit lehnen Literatur und Rspr. ab. Der BGH löst die „
Vorsatzfrage“ deshalb wie folgt: In Hinblick auf die Unvertretbarkeit der Rechtsansicht genügt es, wenn der Täter diese für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Eventual
vorsatzgenügt auch in Bezug darauf, dass die Handlung zur Bevorzugung oder Benachteiligung eines Verfahrensbeteiligten führt. Die Rechtsbeugung verlangt aber insgesamt, dass der Richter sich bewusst und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt. Der Täter muss sich deshalb (subjektiv) der grundlegenden Bedeutung der verletzten Rechtsregel für die Verwirklichung von Recht und Gesetz bewusst gewesen sein (RdNr. 34 des hier dargestellten Urteils). An dieser Stelle wird auf subjektiver Tatseite also etwas mehr verlangt, als „lediglich“ dolus eventualis (vgl. dazu auch ausführlich BGH, Urt. v. 22.01.2014, 2 StR 479/13). Wir haben das jetzt auch in der Falllösung noch einmal präzisiert. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team