Zweckmäßigkeit - Feststellungsklage I

25. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Mandant M trägt der Anwältin A schlüssig vor, dass ihm gegen B Ansprüche aus einem Verkehrsunfall wegen materieller und immaterieller Schäden zustehen. Die Schadensentwicklung ist noch nicht abgeschlossen, sodass ein weiterer Schadenseintritt in der Zukunft möglich ist.

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Einordnung des Falls

Zweckmäßigkeit - Feststellungsklage I

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Anwältin A wird dem M raten, den bereits entstandenen, bezifferbaren Schaden sowie ein angemessenes Schmerzensgeld einzuklagen.

Genau, so ist das!

Mögliche Anträge: (1) „Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € xx nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.“ (2) „Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.“
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2. Bezüglich weiterer Ansprüche ist es zweckmäßig vorerst nichts weiter zu unternehmen, bis diese abschließend bezifferbar sind.

Nein, das trifft nicht zu!

Auch wenn die Schadensentwicklung nicht endgültig abgeschlossen ist, so läuft doch bereits die Verjährung des Haftungsanspruchs. Auch diesbezüglich sollte also Klage erhoben werden. Ziel ist es die Verjährung für den Gesamtanspruch gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu hemmen und die Haftung des Gegners, dem Mandanten auch die zukünftigen Schäden zu ersetzen, dem Grunde nach rechtskräftig und für den Gegner später nicht mehr angreifbar festzustellen.

3. Kann A für M hier auch im Hinblick auf die noch nicht bezifferbaren Schäden Leistungsklage erheben?

Nein!

Eine zulässige Leistungsklage setzt einen hinreichend bestimmten Antrag voraus (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), denn nur dann kann aus dem Urteil letztlich auch vollstreckt werden. Ein unbezifferter Zahlungsantrag ist deshalb nur ausnahmsweise zulässig, insbesondere wenn die Höhe im billigen Ermessen des Gerichts liegt (zB Schmerzensgeld).

4. Stattdessen wird A dem M zudem zur Erhebung eines Feststellungsantrags nach § 256 Abs. 1 ZPO über die Verpflichtung des B, dem M auch die zukünftigen Schäden zu ersetzen, raten.

Genau, so ist das!

Wenn die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, ist es zweckmäßig, neben der Geltendmachung der bereits bezifferbaren Ansprüche einen Feststellungsantrag (§ 256 Abs. 1 ZPO) über die Verpflichtung des Gegners zum Ersatz künftiger Schäden zu erheben (objektive Klagehäufung). Das erforderliche Feststellungsinteresse besteht, wenn ein Schadenseintritt in der Zukunft möglich ist. „Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materielle und immaterielle künftige Schäden aus dem Unfall am … zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Dritte übergeht oder übergegangen ist.“
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MOEE4

moee44

17.10.2024, 21:13:16

In der Erläuterungen zur Zweckmäßigkeit wäre es eventuell sinnvoll, die Rechtsprechung des BGH (dazu MüKoBGB/Grothe, 9. Aufl. 2021, BGB § 199 Rn. 9 mit vielen Nachweisen) zur "Schadenseinheit" anzusprechen. Daraus folgt, warum der Feststellungsantrag so wichtig ist: Nach dem BGH verjähren Schadensersatzansprüche alle einheitlich, egal ob die Schäden bereits entstanden sind oder noch eintreten könnten. Mit dem Eintritt der ersten Vermögenseinbuße beginnt die Verjährung für alle (!) aus dem Schadensereignis folgenden Schäden, egal ob die weiteren Schäden überhaupt schon entstanden sind. Mit der Regelverjährung ist es dann gut möglich, dass sich Spätschäden zeigen und der Ersatzanspruch in dem Zeitpunkt, in dem sich dieser Schaden zeigt bereits verjährt ist. Um das zu verhindern sollte der Festellungsantrag erhoben werden, der - bei Erfolg - die dreißigjährige Verjährungsfrist (§ 197 I Nr. 3 BGB) herbeiführt.


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