Referendariat

Die Revisionsklausur im Assessorexamen

Begründetheit II: Verletzungen des Verfahrensrechts (Verfahrensrüge)

Denkgesetzlicher Ausschluss des Beruhens auf der Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes

Denkgesetzlicher Ausschluss des Beruhens auf der Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird vor dem Landgericht angeklagt. Die Vernehmung der Geschädigten findet zulässigerweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt (§ 171b GVG). Nachdem G entlassen wird, werden vier Zeugen in den Saal gerufen und vereidigt. Erst danach wird die öffentliche Hauptverhandlung fortgesetzt und die Zeugen vernommen.

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Einordnung des Falls

Denkgesetzlicher Ausschluss des Beruhens auf der Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, soweit Umstände des persönlichen Lebensbereichs erörtert werden (§ 171b GVG). Ist § 169 Abs. 1 S. 1 GVG verletzt, weil die Vereidigung der übrigen Zeugen nicht öffentlich stattfand?

Genau, so ist das!

Der Ausschluss der Öffentlichkeit wegen Umständen aus dem persönlichen Lebensbereich der Geschädigten (§ 171b GVG) umfasst die Vernehmung und alle Verfahrensvorgänge, die mit der Vernehmung in enger Verbindung stehen oder sich aus ihr entwickeln. Der zulässige Ausschluss der Öffentlichkeit beschränkte sich auf Gs Vernehmung, nicht aber auf die Vereidigung der übrigen Zeugen. Diese stand mit der vorherigen Vernehmung in keinem Zusammenhang mehr und bildete einen neuen Verfahrensabschnitt, bei dem die Öffentlichkeit wieder zuzulassen war. Der Ausschluss der Öffentlichkeit auch während der Vereidigung war somit nicht von § 171b GVG gedeckt und verstieß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit (§ 169 Abs. 1 S. 1 GVG).
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2. Gemäß § 338 Nr. 6 StPO wird auch vermutet, dass das Urteil auf dem fehlerhaften Ausschluss der Öffentlichkeit beruht.

Nein, das trifft nicht zu!

Liegt eine ungesetzliche Beschränkung der Öffentlichkeit vor, wird das Beruhen des Urteils hierauf grundsätzlich vermutet (§ 338 Nr. 6 StPO). Anders ist dies nur, wenn es von vorneherein denkgesetzlich ausgeschlossen ist, dass der Verstoß Einfluss auf den Inhalt des Urteils genommen hat.Die eigentliche Vernehmung der Zeugen erfolgte erst, als die Öffentlichkeit wieder zugelassen wurde. Das Gericht konnte seiner Entscheidung somit allein die Angaben der Zeugen zugrunde legen, die sie in öffentlicher Hauptverhandlung getätigt haben. Dass das Urteil auf der unter Verstoß gegen die Vorschriften der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung erfolgten Zeugenbelehrung beruht, ist unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausgeschlossen. Die Vermutungswirkung des § 338 Nr. 6 StPO greift damit nicht.A wird dementsprechend das Beruhen des Urteils auch nicht nach § 337 Abs. 1 StPO darlegen können, sodass seine Revision mit diesem Einwand scheitert.
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