Zulässige Beweisverwertung, § 261 StPO - Tagebuchaufzeichnungen

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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A wird vor dem Landgericht wegen Mordes an ihrer Ehefrau (§ 211 StGB) verurteilt. Zentrales Beweismittel sind dabei Tagebuchaufzeichnungen der A, in denen A den Tathergang schildert.

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Einordnung des Falls

Zulässige Beweisverwertung, § 261 StPO - Tagebuchaufzeichnungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn bezüglich der Tagebuchaufzeichnungen ein Beweisverwertungsverbot bestand, wäre durch deren Verwertung im Urteil § 261 StPO verletzt.

Genau, so ist das!

Gegenstand der freien Beweiswürdigung (§ 261 StPO) können nur diejenigen Beweismittel sein, deren Verwertung zulässig ist. Beweisverwertungsverbote ergeben sich in der Regel aus der Verletzung strafrechtlicher Normen und sind teilweise ausdrücklich gesetzlich vorgesehen (vgl. § 136a Abs. 3 S. 2 StPO). Verwertet das Gericht den Inhalt eines Beweismittels, der einem Verwertungsverbot unterliegt, stellt dies einen Verfahrensfehler dar (§ 337 Abs. 1 StPO).
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2. Ein Beweisverwertungsverbot kann sich auch direkt aus den Grundrechten ergeben.

Ja, in der Tat!

Beweisverwertungsverbote ergeben sich in der Regel aus der Verletzung strafrechtlicher Normen und sind teilweise ausdrücklich gesetzlich vorgesehen (vgl. § 136a Abs. 3 S. 2 StPO). Auch unmittelbar aus dem Grundgesetz können sich Beweisverwertungsverbote ergeben. Dabei kann es sich um die Wahrung der Grundrechte des Angeklagten, Zeugen oder eines unbeteiligten Dritten handeln. Ein Verwertungsverbot besteht auch dann, wenn nur bei der Verwertung in unzulässiger Weise in Grundrechte eingegriffen wird (selbstständiges Beweisverwertungsverbot). Ein solches Verbot kann sich insbesondere aus dem Grundrecht nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG ergeben, das dem Einzelnen einen unantastbaren und jedem staatlichen Eingriff entzogenen Kernbereich privater Lebensgestaltung gewährleistet.

3. Jeder Eingriff in Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG führt zu einem Beweisverwertungsverbot.

Nein!

Wie bei jedem relativen Beweisverwertungsverbot ist auch hier das staatliche Interesse an der Beweisverwertung im Einzelfall gegen das Individualinteresse des Beschuldigten an der Bewahrung seiner Rechtsgüter abzuwägen (Abwägungslehre). Bedeutsam sind das Gewicht des Verfahrensverstoßes und seine Bedeutung für den Rechtskreis des Betroffenen sowie die Erwägung, dass der Staat eine funktionierende Rechtspflege zu gewährleisten hat. Bei Eingriffen in Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG stuft man ab nach Eingriffen in (1) die Intimsphäre, deren Verletzung immer zu einem Verwertungsverbot führt, (2) die Privatsphäre und (3) die Sozialsphäre, die den schwächsten Schutz erfährt.

4. Die Tagebuchaufzeichnungen der A gehören zu ihrer Intimsphäre.

Nein, das ist nicht der Fall!

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) gewährt dem Bürger die Freiheit und Selbstbestimmung, die für die Persönlichkeitsentfaltung unerlässlich ist. Je tiefgreifender die Einschränkung der freien Entfaltung der Persönlichkeit, desto eher ist die Intimsphäre betroffen. Tagebuchaufzeichnungen sind regelmäßig von vornherein nicht zur Kenntnis Anderer bestimmt. Müsste ihr Verfasser befürchten, dass sie gegen seinen Willen gelesen und benutzt werden, kann dies die freie Persönlichkeitsentfaltung erheblich behindern. Ein Verwertungsverbot hat aber nur Berechtigung, soweit es sich um Äußerungen handelt, die einen Ausfluss der Persönlichkeit darstellen. Fertigt aber etwa ein Straftäter Aufzeichnungen über seine Verbrechen an, ist für unbedingten Persönlichkeitsschutz keinen Raum. In der Regel wird nur die Privatsspähre berührt. As Tagebuchaufzeichnungen gehören nicht zu ihrer P Intimssphäre.

5. As Tagebuchaufzeichnungen sind lediglich ihrer Privatssphäre zuzuordnen. Besteht vorliegend ein Verwertungsverbot (§ 261 StPO)?

Nein, das trifft nicht zu!

Es muss im Einzelfall das Interesse des Staates an der Tataufklärung gegen das Individualinteresse des Beschuldigten an der Bewahrung seiner Rechtsgüter abgewogen werden (Abwägungslehre). Bedeutsam sind das Gewicht des Verfahrensverstoßes und seine Bedeutung für den Rechtskreis des Betroffenen sowie die Erwägung, dass der Staat eine funktionierende Rechtspflege zu gewährleisten hat.Zwar handelt es sich um Tagebuchaufzeichnungen, die grundsätzlich nicht für Dritte bestimmt sind und damit einem starken Persönlichkeitsschutz unterliegen. Da sich die Aufzeichnungen hier aber ausschließlich zum Tatgeschehen verhalten und die Aufzeichnung von Verbrechen einen abgeschwächten Persönlichkeitsschutz erfährt, überwiegt hier das staatliche Strafverfolgungsinteresse As private Interessen. Die Verwertung war rechtmäßig.

6. A kann erfolgreich in Revision gehen (§ 337 StPO).

Nein!

Eine Revision der A wird keinen Erfolg haben, da schon kein Verfahrensfehler vorliegt. § 261 StPO ist nicht verletzt.Die Rechtsprechung des BGH zur Verwertung von Tagebuchaufzeichnungen ist alles andere als unumstritten. In der Klausur dürfte auch die entgegengesetzte Argumentation gut vertretbar sein. Pass aber auf, dass du dir dadurch keine Probleme abschneidest.
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