Verbotene Vernehmungsmethoden, § 136a StPO

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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A wird aufgrund der Aussage des P verurteilt. In der polizeilichen Vernehmung leugnete A zunächst die Tat. Obwohl Polizeibeamter P wusste, dass nur ein schwacher Verdacht gegen A bestand, sprach P von einer erdrückenden, A keine Chance lassenden Beweiskette. Daher gestand A die Tat.

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Einordnung des Falls

Verbotene Vernehmungsmethoden, § 136a StPO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Kam As Geständnis durch eine verbotene Vernehmungsmethode zustande, besteht ein Verwertungsverbot gemäß § 136a Abs. 3 S. 2 StPO.

Genau, so ist das!

Die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung des Beschuldigten darf nicht beeinträchtigt werden durch (1) Misshandlung, (2) Ermüdung, (3) körperlichen Eingriff, (4) Verabreichung von Mitteln, (5) Quälerei, (6) Täuschung oder (7) Hypnose. Die verbotenen Vernehmungsmittel sind in § 136a StPO nicht abschließend aufgezählt. Unter § 136a StPO fällt jedes Mittel, das sich in Beeinträchtigungen der Freiheit der Willensentschließung und -betätigung auswirkt. Erfasst ist nur der gezielte, nicht der fahrlässige Einsatz dieser Mittel.Die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) verbietet es, den Angeklagten unter Verletzung seines verfassungsrechtlichen sozialen Wert- und Achtungsanspruchs zum bloßen Objekt der Verbrechensbekämpfung zu machen. Er soll auch im Strafverfahren selbst Herr seiner Entschlüsse sein.
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2. Eine Täuschung im Sinne des § 136a Abs. 1 StPO ist das bewusste Vorspiegeln oder Entstellen von Tatsachen.

Ja, in der Tat!

§ 136a Abs. 1 S. 1 StPO verbietet die bewusste Irreführung und die Beeinträchtigung der Aussagefreiheit des Beschuldigten. Das Verbot bezieht sich nicht nur auf Tatsachen, sondern auch auf Rechtsfragen und Absichten des Vernehmenden. Eine Täuschung liegt nur bei bewusster Irreführung vor, fahrlässiges Verhalten genügt nicht. § 136a Abs. 1 S. 1 StPO schließt aber nicht jede kriminalistische List bei der Vernehmung aus. Spiegelt die Verhörsperson etwa eine freundschaftliche Gesinnung vor, liegt darin keine Täuschung. Auch geschicktes Vorgehen, um den aussageunwilligen Beschuldigten zu ihm nachteiligen Angaben zu veranlassen, wird durch § 136a StPO nicht verboten.

3. Das Geständnis des A kam durch eine verbotene Täuschung zustande (§§ 163a Abs. 4 S. 2, 136a StPO).

Ja!

Die Vorschrift gilt nach § 163a Abs. 4 S. 2 StPO auch für Polizeibeamte. § 136a Abs. 1 S. 1 StPO verbietet nur eine Lüge, durch die der Beschuldigte bewusst irregeführt und seine Aussagefreiheit beeinträchtigt wird.P hat über Tatsachen getäuscht, indem er A gegenüber nur pauschal und ohne bestimmte Beweismittel vorzuspiegeln von einer Beweislage sprach, die ausreiche, ihn zu überführen und daher eine Entlassung und einen späteren Freispruch ausschließe. Hierin liegt nicht nur eine unrichtige Prognose über den künftigen Ausgang des Gerichtsverfahrens, sondern eine unzulässige Einwirkung auf das Vorstellungsbild des A. Die Aussage des A kam also unter Verstoß gegen § 136a Abs. 1 S. 1 StPO zustande.

4. Indem das Gericht die Aussage des P im Urteil verwertet, verstößt es gegen § 261 StPO.

Nein, das ist nicht der Fall!

Aussagen, die unter Verletzung des Verbots nach § 136a Abs. 1 StPO zustande gekommen sind, dürfen auch dann nicht verwertet werden, wenn der Beschuldigte der Verwertung zustimmt (§ 136a Abs. 3 S. 2 StPO). Zwar setzte das Gericht nicht selbst eine verbotene Vernehmungsmethode ein. Jedoch richtet sich § 136a StPO als absolutes Verwertungsverbot auch direkt an die Gerichte. Die Norm spricht von einem allgemeinen Verwertungsverbot, nicht etwa von einem Verbot für die Polizei oder die Staatsanwaltschaft. Es bedarf hier also nicht des Rückgriffs auf § 261 StPO. Das Verbot erstreckt sich auf alle Arten der Verwertung, so auch auf die Verwertung durch Ps Aussage.Beachte dies in deinem Obersatz. Das Gericht verstößt nicht gegen § 261 StPO, sondern gegen § 136a Abs. 3 S. 2 StPO.

5. Eine erfolgreiche Revision des A ist aber trotzdem ausgeschlossen. Denn A hätte vorher Widerspruch einlegen müssen (§ 337 StPO).

Nein, das trifft nicht zu!

A kann erfolgreich in Revision gehen, wenn das Urteil auf einem ihn beschwerenden Verfahrensfehler beruht. Anders als bei einem Verstoß gegen § 136 StPO setzt die Revision im Hinblick auf den hohen Rang der in § 136a StPO enthaltenen Verbote einen Widerspruch gegen die Einführung der Vernehmung nicht voraus Indem das Gericht gegen § 136a Abs. 3 S. 2 StPO verstieß, liegt ein den A beschwerender Verfahrensfehler vor. Es kann auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass das Urteil anders ausgefallen wäre, hätte das Gericht die Aussage des P nicht im Urteil verwertet. Eines Widerspruchs bedurfte es gerade nicht. A kann erfolgreich in Revision gehen.
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