Zulässige Beweisverwertung - rechtswidrige Videoaufzeichnung durch Private

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird vor dem Landgericht verurteilt. Zentrales Beweismittel ist eine Videoaufnahme, die von einer Überwachungskamera des Ladenbesitzers L stammt. Die Kamera filmte DSGVO-widrig 50 Meter in den Straßenraum hinein. Wäre die Kamera rechtmäßig angebracht, wäre A nicht gefilmt worden.

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Einordnung des Falls

Zulässige Beweisverwertung - rechtswidrige Videoaufzeichnung durch Private

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Gericht verstößt gegen § 261 StPO, wenn hinsichtlich der Videoaufnahmen ein Beweisverwertungsverbot vorlag.

Genau, so ist das!

Gemäß § 261 StPO dürfen solche Beweismittel im Urteil nicht verwertet werden, hinsichtlich derer ein Beweisverwertungsverbot besteht. Sofern ein solches nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt ist (= absolutes Beweisverwertungsverbot), muss im Rahmen einer Interessenabwägung ermittelt werden, ob das Interesse des Angeklagten an der Nichtverwertung das staatliche Strafverfolgungsinteresse überwiegt (= relatives Beweisverwertungsverbot).
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2. Die Kameraaufnahmen entstanden rechtswidrig. Hat hier die Strafverfolgungsbehörde gegen die DSGVO verstoßen?

Nein, das trifft nicht zu!

Es gibt Fälle, in denen das Beweismittel auf ein von der Strafverfolgung unabhängiges Verhalten eines privaten Dritten zurückzuführen ist. Aus einer rechtswidrigen Gewinnung eines Beweismittels durch einen autonom handelnden privaten Dritten folgt nicht automatisch die Unverwertbarkeit im Prozess. Denn die die Beweisgewinnung regelnden Vorschriften der StPO richten sich nur an die Strafverfolgungsorgane, nicht dagegen an Privatpersonen. Diese sind deshalb keine Normadressaten der StPO, was sich schon daraus ergibt, dass die StPO der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs und nicht etwa privaten Interessen dient.

3. Weil L als privater gefilmt hat, kann das Beweismittel in jedem Fall rechtmäßig verwertet werden.

Nein!

Aus einer rechtswidrigen Gewinnung eines Beweismittels durch einen autonom handelnden privaten Dritten folgt nicht automatisch die Unverwertbarkeit im Prozess. In (begründungsbedürftigen) Ausnahmefällen kann aber auch hier ein Beweisverwertungsverbot bestehen. Es bedarf insoweit einer Abwägung der widerstreitenden Interessen.Ein Verwertungsverbot bejaht die h.M. etwa dann, wenn die Beweise unter krasser Verletzung der Menschenwürde zu Stande gekommen sind.

4. Die Videoaufnahmen verletzten As Menschenwürde in erheblicher Weise, weswegen ein Beweisverwertungsverbot vorliegt (§ 261 StPO).

Nein, das ist nicht der Fall!

Wenn ein Beweisverwertungsverbot nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt ist, muss im Rahmen einer Interessenabwägung ermittelt werden, ob das Interesse des Angeklagten an der Nichtverwertung das staatliche Strafverfolgungsinteresse überwiegt. Die DSGVO normiert kein ausdrückliches Verwertungsverbot, weshalb eine Interessenabwägung angezeigt ist. Bei einem autonomen Handeln einer Privatperson besteht grundsätzlich auch bei rechtswidriger Beweiserlangung die Verwertbarkeit der Aufnahmen.Insbesondere As allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) könnte betroffen sein. Es ist hier nicht ersichtlich, dass A, der sich im öffentlichen Straßenraum befand, in solch schwerwiegender Weise in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt wurde, dass hieraus ein Verwertungsverbot resultieren müsste. Die Beweisverwertung durch das Gericht war damit rechtmäßig.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

UN

unstoppable

5.8.2024, 20:35:23

Die angegebene Fundstelle im M-G/S gibt es nicht. § 275 hat lediglich 28 Randnummern. Vermutlich ist M-G/S Einl. Rn. 56c gemeint


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