Strafrecht

Strafprozessrecht

Verfahrensgrundsätze (Prozessmaxime)

In dubio pro reo - Anwendbarkeit auf Verfahrenshindernisse?

In dubio pro reo - Anwendbarkeit auf Verfahrenshindernisse?

2. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A Ist des Diebstahls angeklagt. Dieser verjährt nach fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StPO). Die Tat fand irgendwann zwischen dem 15.02.2019 und dem 10.03.2019 statt und die Verjährung wurde erst am 01.03.2024 gehemmt. Das Gericht ist sich deshalb unsicher, ob die Tat verjährt ist.

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Einordnung des Falls

In dubio pro reo - Anwendbarkeit auf Verfahrenshindernisse?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist eine Tat verjährt (§§ 78ff. StGB) liegt bezüglich der Tat ein Verfahrenshindernis vor. Bedeutet das, dass das Verfahren eingestellt werden muss (vgl. §§ 206a Abs. 1, 260 Abs. 3 StPO)?

Genau, so ist das!

Bei der Verjährung nach §§ 78ff. StGB handelt es sich um ein Verfahrenshindernis: Ist eine Tat verjährt, wiegt das so schwer, dass dies zur Unzulässigkeit des Verfahrens im Ganzen führen muss. Denn die Verjährung dient der Sicherung des Rechtsfriedens. Ist eine Tat verjährt, muss das Verfahren deshalb zu jedem Zeitpunkt insoweit eingestellt werden (vgl. §§ 206a Abs. 1, 260 Abs. 3 StPO).
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2. Hätte A die Tat nach dem 01.03.2019 begangen, wäre diese verjährt. Ist sich das Gericht hier sicher, dass dies der Fall ist?

Nein, das trifft nicht zu!

Es kommen hier verschiedene Zeitpunkte für die Tatbegehung in Betracht. Es stellt sich deshalb die Frage, ob das Gericht in dubio pro reo die Tatsachen zugrundelegen muss, die dazu führen würden, dass As Straftat verjährt wäre (= Tatbegehung vor dem 01.03.2019). Der Grundsatz in dubio pro reo gilt umfassend im sachlich-rechtlichen Bereich in Bezug auf alle Tatsachen, gleichgültig, ob seine Anwendung zum Freispruch führt, sich auf den Umfang der Tat oder nur auf die Rechtsfolgen auswirken kann. Ob das Gericht auch bei der Prüfung von Verfahrensvoraussetzungen im Zweifel für den Angeklagten entscheiden muss, ist umstritten.Unstreitig ist, dass der Grundsatz bei der Entscheidung über (reine) Verfahrensrügen nicht gilt, so etwa, wenn der Angeklagte in der Revision rügt, das Gericht habe keinen Hinweis nach § 265 Abs. 1 StPO erteilt oder das letzte Wort (§ 258 Abs. 2 StPO) sei nicht erteilt worden.

3. Vertritt man, dass der in-dubio-Grundsatz auch auf das Vorliegen der Verjährung anwendbar ist, so muss das Gericht das Verfahren gegen A einstellen.

Ja!

Nach der Rspr. ist der in-dubio-Grundsatz ausnahmsweise bei einzelnen Verfahrensvoraussetzungen anwendbar, um nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit eine den Umständen des Einzelfalls angemessene Entscheidung finden zu können. Danach soll der Grundsatz auch in Bezug auf die Verjährung angewendet werden. Die Lit. spricht sich teilweise für eine allgemeine Anwendbarkeit des Grundsatzes auf alle Verfahrensvoraussetzungen aus. Wieder andere argumentieren – ohne den in-dubio-Grundsatz – damit, dass Verfahrensvoraussetzungen zwingend vorliegen müssen, was nicht der Fall sei, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen nicht eindeutig feststellbar ist. Da hier der Zeitpunkt der Begehung der Tat nicht sicher festgestellt werden kann, ist zu Gunsten des Angeklagten von einer Tatbegehung in verjährter Zeit auszugehen. Nach all diesen Ansichten kommst Du i.d.R. zu dem Ergebnis, dass die Verjährung hier anzunehmen ist. Es reicht, wenn Du weißt, dass Du den in-dubio-Grundsatz nicht ohne Weiteres in Bezug auf Verfahrensvoraussetzungen anwenden kannst und Du hier einen „Umweg“ machen musst. Nach Einleitung des Grundsatzes kannst Du ohne viel Begründungsaufwand der Rspr. folgen.
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