Strafrecht

Strafprozessrecht

Verfahrensgrundsätze (Prozessmaximen)

Verfahrensverzögerung bei Rechtsmitteleinlegung

Verfahrensverzögerung bei Rechtsmitteleinlegung

26. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird vor dem Amtsgericht verurteilt. Er geht erfolgreich in Revision, da das Gericht vergaß, einen rechtlichen Hinweis zu geben (§ 265 Abs. 1 StPO). A macht nun geltend, die Fehler der ersten Instanz hätten das Verfahren verzögert, da er gezwungen war, Rechtsmittel einzulegen.

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Einordnung des Falls

Verfahrensverzögerung bei Rechtsmitteleinlegung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Verzögerung des Verfahrens ist nur dann rechtsstaatswidrig, wenn sie auf Fehlern des Gerichts beruht. Wäre der Beschleunigungsgrundsatz also auch verletzt, wenn (allein) A für die Verzögerung verantwortlich wäre?

Nein, das trifft nicht zu!

Ob eine Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes vorliegt, hängt von den konkreten Möglichkeiten einer zügigen Verfahrenserledigung durch das Gericht ab und ist so Frage des Einzelfalls. Erforderlich ist eine Abwägung aller relevanten Umstände. Bei dieser Abwägung finden allerdings solche Faktoren keine Berücksichtigung, die dem Beschuldigten zurechenbar sind. Dazu gehört auch die „intensive Wahrnehmung prozessualer Rechte durch den Verteidiger”. Die allein durch das Verhalten des Angeklagten eingetretenen Verzögerungen können dem Gericht nicht zugerechnet werden, schon gar nicht bei bezweckter Obstruktion.Merke also: Die Verzögerung muss aus der Sphäre des Gerichts stammen.
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2. Hier stellt sich die Frage, ob die Verzögerung durch erfolgreiche Rechtsmittel in die Sphäre des Angeklagten oder des Gerichts fällt.

Ja!

Objektiv wird das Verfahren durch die Rechtsmittel in die Länge gezogen. Fraglich ist deshalb, ob das Einlegen von erfolgreichen Rechtsmitteln der Sphäre des Gerichts zuzurechnen ist und so zu einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung führen kann, auch wenn der Angeklagte diese selbst einlegt. Dies macht A hier geltend.

3. Stellt man darauf ab, dass die Verfahrensfehler und damit auch die Notwendigkeit für Rechtsmittel der Sphäre des Gerichts entstammen, kann hier eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegen.

Genau, so ist das!

Teilweise wird vertreten, die Fehler der Instanzgerichte seien der Grund für die erfolgreiche Rechtsmitteleinlegung. Da der Angeklagte sich gezwungen sehe, Rechtsmittel einzulegen, sei die Verfahrensverzögerung nicht ihm zuzurechnen, sondern stamme aus der Sphäre des Gerichts.Da das Revisionsgericht das Urteil aufhob, fällt nach dieser Ansicht die Verfahrensverzögerung durch die Rechtsmittel in die Sphäre des Amtsgerichts, welches den revisiblen Fehler machte. Damit liegt hier eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vor, sofern die Dauer der gesamten Verhandlung die für das Verfahren angemessene Frist überschreitet (vgl. Art. 6 Abs. 1 EMRK).Diese Ansicht vertrat das BVerfG früher, hat aber mittlerweile davon Abstand genommen.

4. Vertritt man dagegen, dass die Rechtsmitteleinlegung dem Gericht nur bei eklatanten Gesetzesverletzungen zuzurechnen ist, so hat As Verlangen nach Kompensation keinen Erfolg.

Ja, in der Tat!

Laut dem BGH ist die Verzögerung durch erfolgreiche Rechtsmittel grundsätzlich nicht dem Gericht zuzurechnen, außer der Korrekturbedarf entsteht durch eklatante, kaum verständliche Gesetzesverletzungen. Der zusätzliche Zeitbedarf für sich genommen sei nur Ausfluss der rechtsstaatlichen Ausgestaltung eines Rechtsmittelsystems, welches verfassungsrechtlich nicht einmal zwingend vorgesehen ist (Art. 19 Abs. 4 GG fordert keinen Instanzenzug). Auch würde sich nach der Gegenmeinung bei jeder erfolgreichen Rechtsmitteleinlegung direkt die Frage einer Verfahrensverzögerung stellen.Nach dieser Ansicht läge hier nur bei eklatanten Gesetzesverletzungen des Instanzgerichts eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vor. Davon kann man nicht sprechen, wenn das Gericht hier bloß einen rechtlichen Hinweis vergaß.
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