Grundfall

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

TikToker T möchte sein äußerst hart verdientes Geld anlegen. T beginnt mit dem Bau eines genehmigungsbedürftigen Wohnhauses in einem Wohngebiet in Berlin. Dabei geht er davon aus, dass „VIPs” keine Baugenehmigung benötigen. Die zuständige Behörde B ordnet einen Baustopp an.

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Einordnung des Falls

Grundfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Bauaufsichtsbehörde kann die Einstellung rechtswidriger Arbeiten verlangen gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 BauO Bln. Ist dies die Ermächtigungsgrundlage für die von B angeordnete Baueinstellungsverfügung?

Genau, so ist das!

Gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 BauO Bln kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung rechtswidriger Arbeiten verlangen, wenn Anlagen dem öffentlichen Recht widersprechen.Die Bauaufsichtsbehörde B ordnet vorliegend einen Baustopp der laufenden Bauarbeiten bezüglich des Wohnhauses an, sodass § 79 Abs. 1 S. 1 BauO Bln die einschlägige Ermächtigungsgrundlage ist.Mit einer rechtzeitigen Baueinstellungsverfügung kann die Behörde verhindern, dass sich ein rechtswidriger Zustand verfestigt, der nur noch unter erheblichen Schwierigkeiten und Aufwendungen wieder beseitigt werden kann. Ein schwerer Fehler wäre es, wenn Du auf § 58 Abs. 1 S. 1 BauO Bln als taugliche Ermächtigungsgrundlage abstellst. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Aufgabenzuweisungsnorm und nicht um eine Befugnisnorm.
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2. Der Tatbestand der Baueinstellungsverfügung (§ 79 Abs. 1 S. 1 BauO Bln) setzt voraus, dass eine Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt wird.

Ja, in der Tat!

Anlagen sind bauliche Anlagen und sonstige Anlagen und Einrichtungen im Sinne der BauO Bln (legaldefiniert in § 2 BauO Bln). Öffentliches Baurecht sind die Vorschriften der BauO Bln, die Vorschriften aufgrund der BauO Bln, das städtebauliche Planungsrecht (BauGB und BauNVO) und die sonstigen Vorschriften des öffentlichen Rechts (z.B. BImSchG), die Anforderungen an bauliche Vorhaben stellen. Ein Widerspruch zum öffentlichen Baurecht besteht dann, wenn das Vorhaben baurechtswidrig ist. Dabei wird differenziert zwischen formeller Baurechtswidrigkeit (formelle Illegalität) und materieller Baurechtswidrigkeit (materielle Illegalität).Im Bauordnungsrecht musst Du kaum Definitionen auswendig lernen! Die BauO enthält in § 2 BauO Bln einen umfassenden Katalog mit Legaldefinitionen.

3. Für den Erlass einer Baueinstellungsverfügung (§ 79 Abs. 1 S. 1 BauO Bln) ist tatbestandlich formelle und materielle Illegalität erforderlich.

Nein!

Formell illegal ist ein Vorhaben, wenn die verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Zulassungsbedürftigkeit (insbesondere die Erforderlichkeit einer Baugenehmigung) nicht beachtet worden sind. Materiell illegal ist ein Vorhaben, wenn es gegen materielle Anforderungen verstößt, also gegen bauplanungs- oder bauordnungsrechtliche Vorschriften verstößt und deswegen nicht genehmigungsfähig ist. Für den Erlass einer Baueinstellungsverfügung genügt bereits die formelle Illegalität. Auf die materielle Illegalität bzw. die Genehmigungsfähigkeit kommt es nicht mehr an.Die Differenzierung zwischen formeller und materieller Baurechtswidrigkeit ist von erheblicher Bedeutung, da die verschiedenen Bauordnungsmaßnahmen an unterschiedliche Anforderungen geknüpft sind.

4. Die von T veranlassten Bauarbeiten des Wohnhauses ohne Baugenehmigung (sogenannter Schwarzbau) sind materiell illegal.

Nein, das ist nicht der Fall!

Materiell illegal ist ein Vorhaben, wenn es gegen materielle Anforderungen verstößt, also gegen bauplanungs- oder bauordnungsrechtliche Vorschriften verstößt und deswegen nicht genehmigungsfähig ist.Dem Sachverhalt sind keinerlei Angaben zu entnehmen, dass das geplante Wohnhaus gegen materielle Vorschriften (BauGB, BauNVO, BImSchG, BauO Bln) verstößt und daher nicht genehmigungsfähig ist.

5. Der Tatbestand der Baueinstellungsverfügung (§ 79 Abs. 1 S. 1 BauO Bln) ist erfüllt, da die von T veranlassten Bauarbeiten des Wohnhauses ohne Baugenehmigung formell illegal sind.

Ja, in der Tat!

Für den Erlass einer Baueinstellungsverfügung genügt bereits die formelle Illegalität. Auf die materielle Illegalität bzw. die Genehmigungsfähigkeit kommt es nicht mehr an.Der Bau des Wohnhauses ist eine bauliche Anlage (§ 2 Abs. 1 BauO Bln) und ausweislich des Sachverhaltes genehmigungsbedürftig, sodass ein Verstoß gegen verfahrensrechtliche Vorschriften vorliegt. Damit liegt ein Widerspruch zum öffentlichen Baurecht vor. Ob das geplante Wohnhaus des T genehmigungsfähig wäre, ist hier für die Rechtmäßigkeit der Einstellungsverfügung irrelevant.Wenn in einer Baurechtsklausur die Rechtmäßigkeit einer Bauordnungsmaßnahme zu prüfen ist, dann ist die formelle und/ oder materielle Illegalität in der Regel der Schwerpunkt der Klausur. Hier kann der Klausurersteller unzählige Probleme des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts einbauen.
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