Referendariat

Die Revisionsklausur im Assessorexamen

Begründetheit II: Verletzungen des Verfahrensrechts (Verfahrensrüge)

Darlegungslast (§ 344 Abs. 2. S. 2 StPO) bei nur faktischem Ausschluss der Öffentlichkeit

Darlegungslast (§ 344 Abs. 2. S. 2 StPO) bei nur faktischem Ausschluss der Öffentlichkeit

12. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird vor dem Amtsgericht angeklagt. Auf dem Aushang vor dem Saal steht wegen eines Fehlers der Vorsitzenden, der Prozess beginne um 10 Uhr. Tatsächlich war Prozessbeginn um 9 Uhr. Ein Zuschauer erscheint während des gesamten Prozesses, der um 11 Uhr endet, nicht.

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Einordnung des Falls

Darlegungslast (§ 344 Abs. 2. S. 2 StPO) bei nur faktischem Ausschluss der Öffentlichkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Öffentlichkeitsgrundsatz kann durch den fehlerhaften Aushang verletzt sein (§ 169 Abs. 1 GVG).

Genau, so ist das!

Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist gewahrt, wenn jedermann aus dem Publikum sich ohne Rücksicht auf seine Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsgruppe ohne besondere Schwierigkeiten Kenntnis von Ort und Zeit der Verhandlung verschaffen kann und ihm im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten der Zutritt eröffnet ist.Durch den fehlerhaften Aushang, der auf einem Verschulden der Vorsitzenden beruht, hätten sich Zuschauer dazu veranlasst sehen können, die Verhandlung erst um 10 Uhr aufzusuchen. Damit war zumindest bis zu diesem Zeitpunkt die Öffentlichkeit beeinträchtigt.
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2. Nach verbreiteter Ansicht in der Literatur setzt ein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz in einem solchen Fall aber voraus, dass sich tatsächlich jemand davon abhalten lies, der Sitzung beizuwohnen.

Ja, in der Tat!

Eine starke Literaturmeinung ist der Ansicht, dass bei einem fehlerhaften Aushang für eine erfolgreiche Revision auch dargelegt (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO) und bewiesen werden muss, dass sich tatsächlich zumindest ein potentieller Zuschauer als Repräsentant der Öffentlichkeit davon abhalten ließ, der Verhandlung beizuwohnen.Nach dieser Ansicht könnte As Revision hier kaum Erfolg haben. Eine Darlegung, dass sich tatsächlich jemand vom Betreten des Saals abhalten ließ, dürfte ihm kaum gelingen, da auch nach 10 Uhr niemand erschien.

3. Nach Ansicht des OLG Celle muss A in der Revisionsbegründung nicht darlegen, dass sich tatsächlich jemand am Betreten des Saals gehindert sah.

Ja!

OLG Celle: § 338 Nr. 6 StPO nehme gerade darauf Rücksicht, dass sich bei einem Öffentlichkeitsverstoß regelmäßig kaum nachweisen lässt, dass der Verstoß tatsächlich Einfluss auf das Urteil genommen hat. Es könne dann auch nicht darauf ankommen, ob jemand tatsächlich durch den fehlerhaften Aushang vom Betreten des Saals abgehalten wurde. Verlange man trotzdem eine Darlegung, dass sich die Beschränkung des Zugangs zum Sitzungssaal auch realisiert habe, so laufe dies letztlich darauf hinaus, eine Darlegung der Beruhensfrage zu verlangen. Dies sei mit dem Institut des absoluten Revisionsgrundes nicht vereinbar.Nach der Ansicht des OLG Celle kann A den Öffentlicheitsverstoß also auch dann erfolgreich geltend machen, wenn unklar ist, ob ein Zuschauer abgehalten wurde.
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