Rechtsnatur des § 338 Nr. 8 StPO als relativer Revisionsgrund

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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A wird vor dem Landgericht angeklagt. Während der Verhandlung wird V als Pflichtverteidiger bestellt, weil As alter Verteidiger kurzfristig erkrankte. Die 4 Aktenbände erhielt V am Tag der Verhandlung. Seinen Antrag auf Aussetzung (§ 145 Abs. 3 StPO) lehnt das Gericht durch Beschluss ab.

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Einordnung des Falls

Rechtsnatur des § 338 Nr. 8 StPO als relativer Revisionsgrund

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. War das Gericht verpflichtet die Verhandlung auf Vs Antrag auszusetzen (§ 145 Abs. 2, 3 StPO)?

Genau, so ist das!

Wird ein notwendiger Verteidiger erst im Laufe der Hauptverhandlung bestellt, so kann das Gericht eine Aussetzung der Verhandlung beschließen (§ 145 Abs. 2 StPO). Erklärt der neu bestellte Verteidiger, dass ihm die zur Vorbereitung der Verteidigung erforderliche Zeit nicht verbleiben würde, so ist die Verhandlung zu unterbrechen oder auszusetzen (§ 145 Abs. 3 StPO). Der Verteidiger beurteilt selbst, ob er zur Erfüllung seiner Aufgaben hinreichend vorbereitet ist. Das Gericht prüft dies grundsätzlich nicht nach.Da V einen Antrag auf Aussetzung stellte, war das Gericht gehalten, die Verhandlung auszusetzen. § 145 Abs. 3 StPO ist damit durch die Ablehnung verletzt.
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2. Die Verteidigung ist durch einen Beschluss des Gerichts in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt unzulässig beschränkt (§ 338 Nr. 8 StPO).

Ja, in der Tat!

Nach § 338 Nr. 8 StPO muss die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch Beschluss unzulässig beschränkt sein. Das ist der Fall, wenn (1) eine besondere Verfahrensvorschrift, (2) der Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 EMRK) oder (3) die Fürsorgepflicht des Gerichts verletzt ist und (4) die Möglichkeit eines konkret-kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verstoß und dem Urteil besteht.Durch den Beschluss verletzt das Gericht § 145 Abs. 3 StPO. Da V das umfangreiche Aktenmaterial am Prozesstag erhielt, war ihm eine ordnungsgemäße Vorbereitung und eine angemessene Erfüllung seiner Aufgaben als Verteidiger nicht möglich. Es liegt nahe, dass das Urteil anders ausgefallen wäre, wenn V durch die Aussetzung der Verhandlung mehr Zeit zur Vorbereitung gehabt hätte.

3. Da § 338 Nr. 8 StPO hier greift, muss A in der Revisionsbegründung nicht darlegen, dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht.

Nein!

Da die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt sein muss und das der Fall ist, wenn die Möglichkeit eines konkret-kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil besteht, prüft man hier im Ergebnis das Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensverstoß. Die Revisionsbegründung muss die Tatsachen, aus welcher sich die Möglichkeit des Beruhens ergibt, gemäß § 344 Abs. 2 S. 2 StPO auch enthalten. Damit stellt § 338 Nr. 8 StPO keinen absoluten, sondern einen relativen Revisionsgrund dar.Damit muss A in der Revisionsbegründung darlegen, dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht.Praktische Bedeutung hat § 338 Nr. 8 StPO damit quasi nicht. Teilweise wird sogar die gänzliche Streichung der Vorschrift gefordert, da sie gegenüber einer Rüge nach § 337 StPO keine Erleichterung darstellt.
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