Fehlerhafte Besetzung - Verhinderung eines Schöffen

14. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird vor dem Schöffengericht verurteilt. Einer der Schöffen wurde von der Dienstleistung befreit und ausgetauscht, da er kurz schriftlich mitteilte, bei seiner Firma sei „wegen einer Krankheitswelle Land unter“ und er sei „nicht entbehrlich“. Diese Begründung hatte dem Vorsitzenden genügt.

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Einordnung des Falls

Fehlerhafte Besetzung - Verhinderung eines Schöffen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Kann der nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige Schöffe an der Verhandlung nicht teilnehmen, kann der Vorsitzende ihn freistellen (§ 54 Abs. 1 GVG).

Ja, in der Tat!

Der Richter beim Amtsgericht kann einen Schöffen auf dessen Antrag wegen eingetretener Hinderungsgründe von der Dienstleistung an bestimmten Sitzungstagen entbinden (§ 54 Abs. 1 S. 1 GVG). Ein Hinderungsgrund liegt vor, wenn der Schöffe an der Dienstleistung durch unabwendbare Umstände gehindert ist oder wenn ihm die Dienstleistung nicht zugemutet werden kann (§ 54 Abs. 1 S. 2 GVG). Dies bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist - zur Wahrung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) - ein strenger Maßstab anzulegen.
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2. Ein Hinderungsgrund im Sinne des § 54 Abs. 1 GVG kann auch in beruflichen Gründen liegen.

Ja!

Der Schöffe muss durch unabwendbare Umstände an der Dienstleistung gehindert sein oder sie muss ihm unzumutbar sein. Berufliche Gründe rechtfertigen nur ausnahmsweise die Verhinderung eines Schöffen. Wegen des hohen Gewichts des Rechts auf den gesetzlichen Richter ist der Schöffendienst im Zweifel wahrzunehmen. Hinderungsgrund sind lediglich Berufsgeschäfte, die der Schöffe nicht oder nicht ohne erheblichen Schaden für sich oder den Betrieb aufschieben oder bei denen er sich nicht durch einen anderen vertreten lassen kann, weil die Geschäfte ihrer Art nach einen Vertreter nicht zulassen oder ein geeigneter Vertreter nicht zur Verfügung steht.

3. Eine Norm kann auch dann willkürlich angewendet sein, wenn das Gericht den Sachverhalt nicht hinreichend erforscht.

Genau, so ist das!

Eine willkürliche Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter liegt vor, wenn die Entscheidung, die der falschen Besetzung zugrunde liegt, nicht nur als fehlerhaft, sondern als unverständlich, unhaltbar oder auf sachfremden Erwägungen beruhend zu betrachten ist. Dabei kann sich die Willkür nicht nur daraus ergeben, dass die Norm in nicht mehr vertretbarer Weise ausgelegt wird, sondern auch daraus, dass das Gericht in nicht mehr sachgemäßer Weise Sachverhaltserforschungen und -feststellungen unterlässt, die zur ordnungsgemäßen Rechtsanwendung und deren Kontrolle durch das Revisionsgericht notwendig wären.

4. Das Urteil ist rechtsfehlerhaft, da die Anwendung des § 54 Abs. 1 GVG hier willkürlich erfolgte und damit das Gericht falsch besetzt war.

Ja, in der Tat!

Die Entbindungen des Schöffen ist durch das Gesetz nicht gedeckt und revisibel, wenn die Anwendung der Norm bei verständiger Würdigung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheint (=willkürlich).Über die Anerkennung einer Verhinderung hat der Vorsitzende unter Abwägung aller Umstände nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Anhand der pauschalen Angabe des Schöffen kann nicht in der gebotenen Weise sorgfältig geprüft werden, ob die Situation in der Firma tatsächlichen keinen Aufschub der Berufsgeschäfte oder eine Vertretung erlaubt und damit das Recht auf den gesetzlichen Richter zurücktreten muss. Hier wären weitere Nachforschungen zwingend angezeigt gewesen, um die konkrete Einzelfallabwägung erst zu ermöglichen.

5. A ist in der Revision mit dem Besetzungseinwand präkludiert, da er die fehlerhafte Besetzung nicht gerügt hat (§ 338 Nr. 1 Hs. 2 StPO).

Nein!

Die Präklusion nach § 338 Nr. 1 Hs. 2 StPO greift nur dann, wenn die Mitteilung der Besetzung nach § 222a StPO vorgeschrieben ist, also vor dem Land- und Oberlandesgericht. Vorliegend wurde vor dem Schöffengericht, also dem Amtsgericht verhandelt. Die fehlerhafte Gerichtsbesetzung kann in der Revision damit auch ohne rechtzeitige Rüge in erster Instanz geltend gemacht werden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

KAT

Katharina123

31.10.2024, 17:40:27

Bei "nicht hinreichend..." fehlt ein Verb, die Frage ist unvollständig. Danke!

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

1.11.2024, 14:01:39

Hallo Katharina123, vielen Dank für Deinen Hinweis! Wir haben den Fehler auf unsere Liste gesetzt und werden ihn im nächsten Korrekturgang beheben. Deine Aufmerksamkeit hilft uns, die Qualität unserer Inhalte hochzuhalten. Wir werden diesen Thread als erledigt markieren, sobald wir den Fehler behoben haben. Beste Grüße, Christian Leupold-Wendling, für das Jurafuchs-Team


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