Begriff des "Erkennenden Gerichts"

4. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird vor dem Schöffengericht verurteilt. Der Vorsitzende hatte die Heranziehung eines Ergänzungsschöffen für die zweitägige Hauptverhandlung angeordnet (§ 192 Abs. 2, 3 GVG). Der Ergänzungsschöffe S kam nicht zum Einsatz. A macht in der Revision geltend, das Gericht sei falsch besetzt gewesen.

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Einordnung des Falls

Begriff des "Erkennenden Gerichts"

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Heranziehung des Ergänzungsschöffen für die zweitägige Hauptverhandlung erfolgte hier willkürlich (§ 192 Abs. 2, 3 GVG).

Genau, so ist das!

Willkür liegt vor, wenn die Anwendung der Norm nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheint. Bei Verhandlungen von längerer Dauer kann der Vorsitzende die Zuziehung von Ergänzungsschöffen anordnen, die der Verhandlung beiwohnen und im Falle der Verhinderung eines Schöffen für diesen eintreten (§ 192 Abs. 2, 3 GVG). Ob eine Verhandlung „von längerer Dauer” vorliegt, ist am Einzelfall, maßgeblich an Umfang und Komplexität des Verfahrensgegenstandes und der Beweisaufnahme, zu prüfen. Regelmäßig muss die Hauptverhandlung aber mehrere Monate dauern.Jedenfalls bei der vorliegenden zweitägigen Hauptverhandlung kann eine Verhandlung „von längerer Dauer” unter keinem Gesichtspunkt mehr in nachvollziehbarer Weise angenommen werden.
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2. Liegt durch die fehlerhafte Heranziehung des Schöffen eine vorschriftswidrige und damit revisible Gerichtsbesetzung im Sinne des § 338 Nr. 1 StPO vor?

Nein, das trifft nicht zu!

Eine falsche Gerichtsbesetzung liegt nur vor, wenn das „erkennende” Gericht falsch besetzt ist (§ 338 Nr. 1 StPO). Erkennendes Gericht ist nur die Gerichtsbesetzung, die das mit der Revision angefochtene Urteil gefällt hat. Die Beschränkung auf das erkennende Gericht resultiert, daraus, dass eine Verletzung des durch § 338 Nr. 1 StPO geschützten Rechts auf den gesetzlichen Richter, genauso wie das Beruhen, von vorneherein ausgeschlossen ist, wenn der Schöffe nicht zum Einsatz kommt und so keinen Einfluss auf das Urteil ausüben kann.Das erkennende Gericht ist also durch die bloße Heranziehung des Ergänzungsschöffen nicht falsch besetzt.Gleiches gilt für den Fall, dass in der Revision ein in der Person eines Richters liegender Fehler geltend gemacht wird, dieser aber während der Verhandlung durch einen (zulässigen) Ergänzungsrichter abgelöst wird.

3. Auch wenn § 338 Nr. 1 StPO nicht greift, kann die fehlerhafte Heranziehung des Ergänzungsschöffen erfolgreich als relativer Revisionsgrund (§ 337 StPO) geltend gemacht werden.

Nein!

Zwar liegt ein Verstoß gegen die Verfahrensnorm des § 192 Abs. 2, 3 GVG vor. Solange der Ergänzungsschöffe aber nicht an der Beratung und Entscheidung mitwirkt, kann er auch keinen Einfluss auf das Urteil nehmen. Das Urteil kann somit nie auf der fehlerhaften Heranziehung eines nicht eingesetzten Ergänzungsschöffen beruhen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JURA

juravulpes

27.3.2024, 16:06:12

Ist es nicht so, dass auch der Ergänzungsrichter auf den Prozess einwirken kann, beispielsweise durch Ausübung seines Fragerechts? Dann ist es doch zumindest denkbar, dass das Urteil auf einem Verstoß gegen § 192 GVG beruht, obwohl der Ergänzungsrichter nicht eingetreten ist.

EN

Entenpulli

24.8.2024, 11:15:27

Hat denn eine

Ergänzungsschöffe

ein Fragerecht?


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