Ausschluss des Verletzten einer Straftat, § 22 Nr. 1 StPO

17. April 2025

5 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K, Mitglied der C-Partei e.V., wird wegen Untreue (§ 266 StGB) verurteilt, da er in offizieller Funktion Parteivermögen veruntreute. K meint, der Vorsitzende V sei vom Prozess kraft Gesetzes ausgeschlossen, da auch er Mitglied der C-Partei und damit Verletzter sei.

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Einordnung des Falls

Ausschluss des Verletzten einer Straftat, § 22 Nr. 1 StPO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V ist von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen, wenn er selbst durch die Straftat verletzt ist (§ 22 Nr. 1 StPO).

Genau, so ist das!

Als Verletzter der verfahrensgegenständlichen Straftat kann ein Richter nicht mehr unvoreingenommen urteilen. Niemand kann „Richter in eigener Sache” sein. Verletzt ist nur der durch eine Straftat unmittelbar in seinen eigenen Rechten betroffene Richter. Mittelbare Betroffenheit reicht nicht aus. Sind mehrere Strafsachen miteinander verbunden (§§ 2 ff. StPO), so erstreckt sich der Ausschluss auf das gesamte Verfahren, auch wenn der Richter nur in einer der Sachen Verletzter ist.
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2. As Revision ist begründet, weil V als Verletzter kraft Gesetzes ausgeschlossen war (§§ 338 Nr. 2, 22 Nr. 1 StPO).

Nein, das trifft nicht zu!

Verletzter einer Straftat ist ein Richter nur, wenn er unmittelbar in seinen eigenen Rechten betroffen ist. Bei Vermögensdelikten muss bei ihm durch das Tatgeschehen unmittelbar ein Vermögensnachteil bewirkt worden sein.Die C-Partei ist eingetragener Verein und damit rechtsfähig (§ 21 BGB). Träger des Vereinsvermögens sind nicht die Mitglieder, auch nicht zur Gesamthand, sondern der Verein selbst. V ist damit nicht unmittelbar in seinem Vermögen betroffen, sondern nur mittelbar. Er ist nicht Verletzter der Straftat und durfte somit am Verfahren mitwirken. Für eine etwaige Befangenheit nach § 24 Abs. 2 StPO gibt es keine Anhaltspunkte.

3. Wäre die C-Partei ein Verein ohne Rechtspersönlichkeit, wäre V unmittelbar in seinen Rechten verletzt (§ 54 BGB).

Nein!

Viele Parteien in Deutschland sind als Vereine ohne Rechtspersönlichkeit organisiert. Diese Vereine sind grundsätzlich nicht rechtsfähig (§ 54 BGB). Träger des Vereinsvermögens sind die Mitglieder. Nach gefestigter Rechtsprechung haften bei Idealvereinen ohne Rechtspersönlichkeit die Mitglieder aber nur nach § 54 Abs. 2 BGB persönlich. Bei politischen Parteien bewirkt § 37 PartG (lesen) überdies eine Haftungsfreistellung und schließt einen unmittelbaren Schaden generell aus. Auch gehen verschiedene parteienrechtliche Vorschriften von der Rechtsträgerschaft der Partei aus (vgl. §§ 24, 26, 26a PartG). Hieraus wird gefolgert, dass nur die Partei Verletzte ist, nicht aber ihre Mitglieder. Die Gesetzesnovelle des Vereinsrechts zum 01.01.2024 hat das Gesetz an die Rechtsprechung angepasst.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ALE

Aleks_is_Y

17.5.2024, 11:54:28

Wahrscheinlich sind die Konstellationen mit GmbH und OHG nicht so ergiebig, weil relativ eindeutig; aber wie verhält es sich bei einer AG, würde es für einen Ausschluss schon reichen, wenn ein Richter eine einzelne Aktie z.B. der W-C AG hält, bzw. gehalten hat, um Befangen zu sein?

2cool4lawschool

2cool4lawschool

13.2.2025, 17:39:26

Spannende Frage.. man müsste wohl differenzieren können, ob das auf die Straftat zurückzuführen oder allg. Marktrisiko war, dass die Aktie erworben wurde. Und dann stellt sich die Frage es sich auswirkt, dass man hier nicht persönlich haftet.. Bei der AG wäre man hier raus nehme ich an. @[Sebastian Schmitt](263562) Habt ihr eine Idee ?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

14.2.2025, 09:53:51

Hallo @[Aleks_is_Y](225618), hallo @[2cool4lawschool](265024), der BGH verlangt bei Vermögensdelikten die angesprochene "unmittelbare Betroffenheit" (s zB BGH NStZ 2009, 342), bloß mittelbare Betroffenheit reicht nicht aus. Die hM/Rspr differenziert dementsprechend grds danach, ob es sich bei der betroffenen Gesellschaft um eine juristische Person handelt oder nicht. Bei einer juristischen Person ist durch eine Straftat unmittelbar nur das Vermögen der Gesellschaft betroffen, das eines Gesellschafters (zB Aktionärs) dagegen höchstens mittelbar (zB über einen niedrigeren Aktienkurs). Für eine Befangenheit reicht letzteres nicht aus. Anders soll das nach bisherigem Verständnis bei Personengesellschaften wie der oHG oder der GbR sein, bei denen zumindest bis Inkrafttreten des MoPeG das Vermögen den Gesellschaftern unmittelbar zustand (§ 718 I BGB aF) (zum Ganzen mwN KK-StPO/Heil, 9. Aufl 2023, § 22 Rn 5; MüKoStGB/Conen/Tsambikakis, 2. Aufl 2023, § 22 Rn 11 f). Ob sich an dieser Einordnung durch das MoPeG etwas ändert (s etwa jetzt § 713 BGB nF), bleibt abzuwarten. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

LO

Lorenz

25.11.2024, 11:52:55

Möchte man damit ausufernden Befangenheiten vermeiden? Denn so richtig nachvollziehen kann ich das nicht. Je nach Größe der Partei/Vereins oder Verbundenheit des Richters als glühender Anhänger, wäre doch definitiv ein böser Schein anzunehmen.

2cool4lawschool

2cool4lawschool

13.2.2025, 17:44:41

Warschl. ist es genau das, weshalb man hier auch eine "unmittelbare" Betroffenheit fordert. Aber ich bin absolut bei dir... Bias lässt sich vor allem hier nicht ausschließen.


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