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Gewillkürte Erbfolge

Widerruf des Testaments - Widerruf des Widerrufs (Fall)

Widerruf des Testaments - Widerruf des Widerrufs (Fall)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

E bestimmt seinen Sohn S als Alleinerben in einem mit Tinte geschrieben Testament. Kurz darauf streicht E den ganzen Text in Widerrufsabsicht mit Bleistift durch. Später radiert E die Striche sorgfältig aus und vermerkt darunter handschriftlich, dass das Testament gültig ist und unterschreibt.

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Einordnung des Falls

Widerruf des Testaments - Widerruf des Widerrufs (Fall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Stellt das Durchstreichen des Testaments mit dem Bleistift einen wirksamen Widerruf dar?

Ja!

Testamente sind frei widerruflich. Der Aufhebungswille des Erblassers muss dabei in der Form eines Testaments erklärt werden. Es ist nach § 2255 S. 1 BGB auch ausreichend, wenn der Erblasser die Testamentsurkunde vernichtet oder Änderungen vornimmt, durch die der Wille zur Aufhebung ausgedrückt wird. Indem E den Text durchgestrichen hat, ist sein Aufhebungswille deutlich geworden. Das Testament wurde daher wirksam widerrufen.
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2. Lebt das ursprüngliche Testament durch das bloße Ausradieren der Bleistiftstriche wieder auf?

Nein, das ist nicht der Fall!

Auch ein Widerrufstestament kann wie jedes andere Testament widerrufen werden. Wurde das erste Testament jedoch durch Vernichtung oder Veränderung der Urkunde widerrufen, scheidet der Widerruf des Widerrufs aus. Der Widerruf kann daher nicht durch das Ausradieren der Bleistiftstriche beseitigt werden und das widerrufene Testament lebt nicht wieder auf.

3. Lebt das ursprüngliche Testament durch den Vermerk wieder auf?

Nein, das trifft nicht zu!

Wurde das erste Testament durch Vernichtung oder Veränderung der Urkunde widerrufen, scheidet der Widerruf des Widerrufs aus. Allerdings kann der Erblasser ein neues Testament mit gleich lautendem Inhalt verfassen. Der handgeschriebene und unterschriebene Vermerk, wonach das Testament wieder gültig sein soll, stellt ein neues Testament dar. Das ursprüngliche Testament lebt daher nicht durch Widerruf wieder auf.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Vincent

Vincent

27.1.2022, 15:35:02

Was wäre ein klassischer Fall des §2257?

VIC

Victor

28.1.2022, 10:18:11

§ 2257 BGB greift beim Widerruf von Widerrufstestamenten nach § 2254 BGB. Die Fällen der §§ 2255, 2256 BGB sind gerade nicht erfasst. Daher ist nur der testamentarische Widerruf erfasst.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.1.2022, 17:23:38

Hi Vincent, wie Victor schon richtig ausgeführt hat, gilt § 2257 nur für das Widerrufstestament. Beispiel: Am 1.3 setze ich ein Testament auf und setze darin meine Schwester als Alleinerbin ein. Da sie mir am 1.4 meinen Nachtisch klaut, widerrufe ich mein Testament durch ein neues Testament. Darin halte ich lediglich fest, dass ich das bisherige Testament widerrufe (sprich: nun gilt die gesetzliche Erbfolge). Am 1.5 bringt sie mir eine Tafel Lindtschokolade mit wovon ich so begeistert bin, dass ich das Testament vom 1.4 widerrufe - ebenfalls durch Testament. Nach der Vermutung des § 2257 BGB gilt nun wieder das erste Testament. Damit wäre sie nun also wieder Alleinerbin. § 2257 BGB ist indes lediglich eine Vermutung. Ergibt sich aus dem Inhalt des 2. Widerrufs ein anderer Wille, so ist

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.1.2022, 17:23:54

dieser maßgeblich. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CR7

CR7

8.5.2023, 10:56:57

Wo kommt diese Wertung im Gesetz zu tragen? habe das gefühl, hier einfach geraten zu haben :(

SE.

se.si.sc

8.5.2023, 12:26:32

Explizit steht das nirgendwo. Ausgangspunkt ist § 2255 BGB, dass ein Widerruf des Widerrufs nicht möglich ist, lässt sich vielleicht noch einem Umkehrschluss aus § 2257 BGB entnehmen. Einzelheiten findet man ansonsten in den einschlägigen Kommentierungen, für die Klausuren muss man hier eben (idealerweise ausgehend von einem Grundverständnis der gesetzlichen Regelung) mit den klassischen Auslegungsmethoden und am Fall argumentieren.

Vermieterpfandrechtbelastetes Anwartschaftsrecht

Vermieterpfandrechtbelastetes Anwartschaftsrecht

18.2.2024, 15:00:21

@[CR7](145419) Ich bin etwas spät dran aber ich könnte mir vorstellen, dass man die Aussage auch darauf stützen könnte, dass der Wortlaut des § 2257 BGB explizit darauf abstellt, dass ein solcher Widerruf des Widerrufs nur möglich ist, für den "...durch Testament erfolgte[n] Widerruf". Hiermit wird mE konkret Bezug genommen auf § 2254 BGB ("durch Testament"). Die Vernichtung bzw. wie von dem Testamentierenden hier vorgenommene Änderung durch Durchstreichen fällt unter § 2255 BGB und damit wortlautgemäß gerade nicht unter § 2257 BGB. Insofern handelt es sich wohl um eine restriktive Gesetzeswertung, die meiner Meinung nach aber der Ermittlung des tatsächlichen Erblasserwillens zumindest dann entgegenstehen könnte, wenn der Erblasser wie hier feinsäuberlich den früheren Zustand der Testamentsurkunde wiederherstellt und darüber hinaus sogar vermerkt, dass das Testament in (alter Form) aufleben soll.

L.G

L.Goldstyn

8.8.2024, 16:31:53

Ich habe gelernt, dass das - wie @[

Vermieterpfandrecht

belastetes

Anwartschaftsrecht

](169486) schon geschrieben hat – direkt aus dem Wortlaut des § 2257 BGB folgt. Mit „durch Testament erfolgte[n] Widerruf“ erfasst § 2257 BGB nur einen Widerruf nach § 2254 und § 2258 BGB, nicht aber auch einen Widerruf nach § 2255 BGB. Nur der letzte Satz von @[

Vermieterpfandrecht

belastetes

Anwartschaftsrecht

](169486) überzeugt mich nicht, da hier doch durch den Vermerk und die neue Unterschrift ein neues Testament gem. § 2247 BGB errichtet wurde.

Paula Schneider

Paula Schneider

29.8.2023, 20:49:24

Hallo liebes Jurafuchs Team, bei diesem Fall hätte ich angenommen, dass das Durchstreichen mit einem nicht dokumentenechten Stift schon deshalb nicht als Widerruf gewertet werden kann und das Testament daher seine Gültigkeit nicht verliert. Wäre das als Argument für die Falllösung auch möglich?

GEI

Geithombre

20.11.2023, 16:54:44

Damit würde ich mich schwertun, da das die Testierfreiheit als heilige Kuh des Erbrechts schon stark beschneiden würde. Wenn Testamente wirksam auf einem Bierdeckel oder einer Tischplatte verfasst werden können, dürfte es wohl beim Widerruf keine strenge Vorgabe dahingehend geben, dass der zum Durchstreichen verwendete Stift dokumentenecht sein muss. Ein Werfen in den Aktenvernichter dürfte ja auch einen unumkehrbaren Widerruf darstellen, auch wenn die einzelnen Schnipsel nachträglich wieder zusammengeklebt würden (wie bei den alten Stasi-Unterlagen).

LS2024

LS2024

9.5.2024, 10:36:39

Habe ich das richtig verstanden, dass der Vermerk und die Unterschrift zusammen mit dem ursprünglichen Testament ein (neues) wirksames Testament darstellen?

Rechtsanwalt B. Trüger

Rechtsanwalt B. Trüger

19.6.2024, 11:40:02

Ja. Der Vermerkt lässt nicht das ursprüngliche Testament wieder aufleben, sondern ist als neues zu charakterisieren.


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