Zivilrechtliche Nebengebiete
Erbrecht
Gewillkürte Erbfolge
Widerruf des Testaments - Widerruf des Widerrufs (Fall)
Widerruf des Testaments - Widerruf des Widerrufs (Fall)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
E bestimmt seinen Sohn S als Alleinerben in einem mit Tinte geschrieben Testament. Kurz darauf streicht E den ganzen Text in Widerrufsabsicht mit Bleistift durch. Später radiert E die Striche sorgfältig aus und vermerkt darunter handschriftlich, dass das Testament gültig ist und unterschreibt.
Diesen Fall lösen 57,1 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Widerruf des Testaments - Widerruf des Widerrufs (Fall)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Stellt das Durchstreichen des Testaments mit dem Bleistift einen wirksamen Widerruf dar?
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Lebt das ursprüngliche Testament durch das bloße Ausradieren der Bleistiftstriche wieder auf?
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Lebt das ursprüngliche Testament durch den Vermerk wieder auf?
Nein, das trifft nicht zu!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Vincent
27.1.2022, 15:35:02
Was wäre ein klassischer Fall des §2257?
Lukas_Mengestu
28.1.2022, 17:23:38
Hi Vincent, wie Victor schon richtig ausgeführt hat, gilt § 2257 nur für das Widerrufs
testament. Beispiel: Am 1.3 setze ich ein
Testamentauf und setze darin meine Schwester als Alleinerbin ein. Da sie mir am 1.4 meinen Nachtisch klaut, widerrufe ich mein
Testamentdurch ein neues
Testament. Darin halte ich lediglich fest, dass ich das bisherige
Testamentwiderrufe (sprich: nun gilt die gesetzliche Erbfolge). Am 1.5 bringt sie mir eine Tafel Lindtschokolade mit wovon ich so begeistert bin, dass ich das
Testamentvom 1.4 widerrufe - ebenfalls durch
Testament. Nach der Vermutung des § 2257 BGB gilt nun wieder das erste
Testament. Damit wäre sie nun also wieder Alleinerbin. § 2257 BGB ist indes lediglich eine Vermutung. Ergibt sich aus dem Inhalt des 2. Widerrufs ein anderer Wille, so ist
Lukas_Mengestu
28.1.2022, 17:23:54
dieser maßgeblich. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
CR7
8.5.2023, 10:56:57
Wo kommt diese Wertung im Gesetz zu tragen? habe das gefühl, hier einfach geraten zu haben :(
se.si.sc
8.5.2023, 12:26:32
Explizit steht das nirgendwo. Ausgangspunkt ist § 2255 BGB, dass ein Widerruf des Widerrufs nicht möglich ist, lässt sich vielleicht noch einem Umkehrschluss aus § 2257 BGB entnehmen. Einzelheiten findet man ansonsten in den einschlägigen Kommentierungen, für die Klausuren muss man hier eben (idealerweise ausgehend von einem Grundverständnis der gesetzlichen Regelung) mit den klassischen Auslegungsmethoden und am Fall argumentieren.
Vermieterpfandrechtbelastetes Anwartschaftsrecht
18.2.2024, 15:00:21
@[CR7](145419) Ich bin etwas spät dran aber ich könnte mir vorstellen, dass man die Aussage auch darauf stützen könnte, dass der Wortlaut des § 2257 BGB explizit darauf abstellt, dass ein solcher Widerruf des Widerrufs nur möglich ist, für den "...durch
Testamenterfolgte[n] Widerruf". Hiermit wird mE konkret Bezug genommen auf § 2254 BGB ("durch
Testament"). Die Vernichtung bzw. wie von dem
Testamentierenden hier vorgenommene Änderung durch Durchstreichen fällt unter § 2255 BGB und damit wortlautgemäß gerade nicht unter § 2257 BGB. Insofern handelt es sich wohl um eine restriktive Gesetzeswertung, die meiner Meinung nach aber der Ermittlung des tatsächlichen Erblasserwillens zumindest dann entgegenstehen könnte, wenn der Erblasser wie hier feinsäuberlich den früheren Zustand der
Testamentsurkunde wiederherstellt und darüber hinaus sogar vermerkt, dass das
Testamentin (alter Form) aufleben soll.
L.Goldstyn
8.8.2024, 16:31:53
Ich habe gelernt, dass das - wie @[
Vermieterpfandrechtbelastetes
Anwartschaftsrecht](169486) schon geschrieben hat – direkt aus dem Wortlaut des § 2257 BGB folgt. Mit „durch
Testamenterfolgte[n] Widerruf“ erfasst § 2257 BGB nur einen Widerruf nach § 2254 und § 2258 BGB, nicht aber auch einen Widerruf nach § 2255 BGB. Nur der letzte Satz von @[
Vermieterpfandrechtbelastetes
Anwartschaftsrecht](169486) überzeugt mich nicht, da hier doch durch den Vermerk und die neue Unterschrift ein neues
Testamentgem.
§ 2247 BGBerrichtet wurde.
Paula Schneider
29.8.2023, 20:49:24
Hallo liebes Jurafuchs Team, bei diesem Fall hätte ich angenommen, dass das Durchstreichen mit einem nicht dokumentenechten Stift schon deshalb nicht als Widerruf gewertet werden kann und das
Testamentdaher seine Gültigkeit nicht verliert. Wäre das als Argument für die Falllösung auch möglich?
Geithombre
20.11.2023, 16:54:44
Damit würde ich mich schwertun, da das die Testierfreiheit als heilige Kuh des Erbrechts schon stark beschneiden würde. Wenn
Testamente wirksam auf einem Bierdeckel oder einer Tischplatte verfasst werden können, dürfte es wohl beim Widerruf keine strenge Vorgabe dahingehend geben, dass der zum Durchstreichen verwendete Stift dokumentenecht sein muss. Ein Werfen in den Aktenvernichter dürfte ja auch einen unumkehrbaren Widerruf darstellen, auch wenn die einzelnen Schnipsel nachträglich wieder zusammengeklebt würden (wie bei den alten Stasi-Unterlagen).
LS2024
9.5.2024, 10:36:39
Habe ich das richtig verstanden, dass der Vermerk und die Unterschrift zusammen mit dem ursprünglichen
Testamentein (neues) wirksames
Testamentdarstellen?
Rechtsanwalt B. Trüger
19.6.2024, 11:40:02
Ja. Der Vermerkt lässt nicht das ursprüngliche
Testamentwieder aufleben, sondern ist als neues zu charakterisieren.