Öffentliches Recht

VwGO

Widerspruchsverfahren

Vorverfahren Widerspruch (§§ 68ff. VwGO): Behörde entscheidet über einen verfristeten Widerspruch

Vorverfahren Widerspruch (§§ 68ff. VwGO): Behörde entscheidet über einen verfristeten Widerspruch

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Wegen der Belastung der Umwelt ordnet Behörde B am 15.03. gegenüber A die Schließung von As Kartbahn an. Weil A lieber Autorennen fährt, legt sie erst am 20.04. Widerspruch ein. Widerspruchsbehörde W erlässt einen Abhilfebescheid.

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Einordnung des Falls

Vorverfahren Widerspruch (§§ 68ff. VwGO): Behörde entscheidet über einen verfristeten Widerspruch

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat gegen die Schließungsanordnung Widerspruch eingelegt (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO). Hat A die Widerspruchsfrist aus § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO eingehalten?

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO muss die Widerspruchsführerin den Widerspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe erheben. Die Bekanntgabe richtet sich nach § 41 VwVfG. Laut Sachverhalt ordnete B die Schließung am 15.03. gegenüber A an. Mangels anderer Angaben ist von einer Bekanntgabe an diesem Tag auszugehen. Die Frist endete daher mit Ablauf des 14.04. (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 188 Abs. 2 187 BGB). As Widerspruch am 20.04. war daher verfristet.
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2. Ein verfristeter Widerspruch ist grundsätzlich unzulässig.

Ja, in der Tat!

Die Widerspruchsfrist aus § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO ist eine Sachurteilsvoraussetzung. Die Versäumung der Frist führt zur Bestandskraft des Verwaltungsakts. Damit kann die Behörde den Widerspruch als unzulässig zurückweisen. Der Bürger hat keinen Anspruch mehr auf eine Sachentscheidung. Strittig ist jedoch, ob die Behörde berechtigt ist, trotzdem über den verfristeten Widerspruch zu entscheiden. Nach st. Rspr. des BVerwG berechtige die Versäumung der Widerspruchsfrist die Behörde zwar, den Widerspruch als unzulässig zurückzuweisen, die Behörde sei aber bei einseitig belastenden Verwaltungsakten hierzu nicht verpflichtet sei. Vielmehr stünde es im Ermessen der Behörde, über den Widerspruch zu entscheiden.

3. Nach Ansicht der Rspr. kann die Behörde auch über einen verfristeten Widerspruch entscheiden, wenn der angegriffene Verwaltungsakt einseitig belastend ist.

Ja!

Ein Verwaltungsakt ist einseitig belastend, wenn er nicht auch eine Begünstigung eines Dritten enthält. Bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung geht die Rspr. davon aus, dass die Behörde nicht mehr in der Sache entscheiden darf. Denn durch die eingetretene Bestandskraft sei dem Begünstigten eine schutzwürdige Rechtsposition entstanden. Im überwiegenden Teil der Lit. wird die Entscheidungsbefugnis der Behörde über einen verfristeten Verwaltungsakt gänzlich abgelehnt.

4. Die VwGO enthält keine Regelung, die die Behörde ausdrücklich dazu verpflichtet, einen verfristeten Widerspruch zurückzuweisen. Spricht das für eine Entscheidungsbefugnis?

Genau, so ist das!

Ist der Widerspruch wegen Verfristung unzulässig, kann die Widerspruchsbehörde ihn als unzulässig zurückweisen. Eine Bestimmung, wonach die Behörde dazu verpflichtet ist (wie z.B. § 358 AO), enthält die VwGO nicht. Vielmehr habe die Widerspruchsbehörde nach st. Rspr. des BVerwG die Sachherrschaft über die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens. Die Rspr. führt zudem an, dass ein Widerspruchsverfahren den Klageweg eröffne. Die Einhaltung der Widerspruchsfrist sei wiederrum nicht entscheidend für die Zulässigkeit der Klage. Dagegen führt die Lit. an, dass die Widerspruchsfrist auch der Rechtssicherheit und dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung unnötiger Prozesse erfülle. Sie könne deswegen nicht zur Disposition der Widerspruchsbehörde stehen. Die Bestandskraft schließe eine Entscheidung in der Sache aus.
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