+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die zuständige Behörde B fordert Lawra (L) auf, ihre Studienförderung (BAföG) zurückzuzahlen. L ist der Ansicht, dass B zu viel zurückfordert und will deswegen Widerspruch einlegen. L fragt sich, auf welchem Weg sie das tun kann.
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Einordnung des Falls
Mögliche Formen der Widerspruchseinlegung (Einführungsfall)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. In welcher Form L Widerspruch einlegen kann, ergibt sich aus § 70 VwGO.
Ja!
§ 70 VwGO enthält Vorschriften zur Form und Frist der Widerspruchseinlegung. Der Widerspruch kann in unterschiedlicher Form erfolgen (§ 70 Abs. 1 S. 1 VwGO):
(1) schriftlich,
(2) in elektronischer Form (§ 3a Abs. 2 VwVfG),
(3) schriftformersetzend (§ 3a Abs. 3 VwVfG, § 9a Abs. 5 OZG),
(4) zur Niederschrift bei der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat.
Die Widerspruchsfrist beträgt einen Monat ab Bekanntgabe des Verwaltungsakts an den Beschwerten (§ 70 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die Widerspruchsführerin kann den Widerspruch fristwahrend sowohl bei der Ausgangs- als auch bei der Widerspruchsbehörde einlegen (§ 70 Abs. 1 S. 1 a.E., S. 2 VwGO). Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
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2. § 70 VwGO enthält eine Definition der Schriftform.
Nein, das ist nicht der Fall!
Wann die Schriftform gewahrt ist, ist weder in § 70 VwGO, noch an anderer Stelle in der VwGO definiert. Die Anforderungen aus § 126 BGB sind – wegen der Eigenständigkeit des Prozessrechts – nicht übertragbar. Es gibt deswegen eine umfangreiche Rspr. zu der Thematik der Schriftform. Zweck der Schriftform ist die Klarheit und Sicherheit. Sie soll garantieren, dass der Widerspruchsführer als Urheber des Widerspruchs diesen auch in den Verkehr bringen wollte.Keine Sorge! Du musst hier nicht sämtliche Rspr.-Fälle auswendig kennen. Wichtig ist, dass Du den Zweck der Schriftform verstehst und damit argumentieren kannst.Die Schriftform ist jedenfalls dann gewahrt, wenn der Widerspruch schriftlich (= handschriftlich oder maschinell) abgefasst und eigenhändig unterschrieben ist. Auch eine Klage ist schriftlich zu erheben (§ 81 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die (umfangreichere) Rspr. hierzu ist auf § 70 VwGO übertragbar.
3. L kann den Widerspruch auch zur Niederschrift bei der Behörde einlegen (§ 70 Abs. 1 S. 1 Var. 4 VwGO). Muss L dafür persönlich bei B erscheinen?
Ja, in der Tat!
Die Behörde ist verpflichtet, innerhalb ihrer üblichen Dienstzeiten Erklärungen zur Niederschrift entgegenzunehmen. Die Einlegung eines Widerspruchs zur Niederschrift bei der Behörde setzt die Protokollierung des Widerspruchs in der Anwesenheit des Widerspruchsführers voraus. Der Aufnehmende muss sich über die Identität des Erklärenden vergewissern können. Abschließend muss das Protokoll der Widerspruchsführerin vorgelesen und durch diese genehmigt werden. Dies wird durch einen entsprechenden Vermerk im Protokoll festgehalten. Versäumt Widerspruchsführerin die Frist, weil sich die Behörde weigert, die Erklärung entgegen zu nehmen, besteht darin ein Wiedereinsetzungsgrund (§§ 70 Abs. 2, 60 VwGO). 4. Wenn L ihren Widerspruch elektronisch übermitteln will, muss sie das Dokument elektronisch signieren (§ 3a Abs. 2 VwVfG).
Ja!
Die in § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO zitierten Normen zur elektronischen Übermittlung sind sehr detailliert. In einer Klausur wird es i.d.R. vor allem darauf ankommen, dass Du die Normen sorgfältig liest und feststellen kannst, welcher Fall der elektronischen Kommunikation vorliegt.
Der Widerspruch kann auch in elektronischer Form (§ 3a Abs. 2 VwVfG) oder schriftformersetzend (§ 3a Abs. 3 VwVfG, § 9a Abs. 5 OZG) eingelegt werden. § 3a VwVfG ist eine Generalklausel für das gesamte Verwaltungsrecht. Die elektronische Form (§ 3a Abs. 2 VwVfG) betrifft die Schriftform selbst, die Ersetzung der Schriftform (§ 3a Abs. 3 VwVfG) regelt besondere (elektronische) Übermittlungswege. Die Digitalisierung der Verwaltung ist vor allem auch in mündlichen Prüfungen ein beliebtes Thema.
5. L legt nun versehentlich einen formunwirksamen Widerspruch ein. Hat B die Pflicht, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf die Behebung des Mangels hinzuwirken (§ 25 VwVfG)?
Genau, so ist das!
Ein Formmangel kann nur dadurch beseitigt werden, dass die Widerspruchsführerin den Widerspruch in der vorgesehenen Form innerhalb der Widerspruchsfrist nachholt. Wenn die Widerspruchsfrist abgelaufen ist, ist die Beseitigung von Formmängeln nur unter den Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 70 Abs. 2, 60 VwGO) möglich. Die Behörde hat die Pflicht, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf die Behebung von Mängeln während der Widerspruchsfrist hinzuwirken (§ 25 VwVfG). § 25 VwVfG ist Ausdruck davon, dass Behörden in einem Sozialstaat (auch) Dienstleistungen als „Helfer des Staatsbürgers“ erbringen. Die normierten Pflichten der Behörde sollen zudem eine rechtsstaatliche Waffengleichheit in dem bestehenden Über-Unterordnungsverhältnis schaffen. 6. Wenn L den Formmangel nicht rechtzeitig behebt, ist die Widerspruch unzulässig.
Ja, in der Tat!
Ein nicht formgerecht eingelegter Widerspruch ist unzulässig und kann als unzulässig zurückgewiesen werden. Es ist umstritten, ob die Widerspruchsbehörde dazu gezwungen ist, den Widerspruch zurückzuweisen oder ob sie – trotz des Formmangels – in der Sache entscheiden und damit den Rechtsweg zum Verwaltungsgericht eröffnen kann. Ein formunwirksamer Widerspruch kann nicht die Widerspruchsfrist wahren. Für die Frage, ob sich die Behörde trotzdem mit dem Widerspruch befassen darf, gelten daher dies selben Grundsätze, wie bei einem verspätet eingelegten Widerspruch.