Referendariat

Die zivilrechtliche Urteilsklausur

Klageänderung

Einführungsfall: gesetzlicher Parteiwechsel und gewillkürte Parteierweiterung

Einführungsfall: gesetzlicher Parteiwechsel und gewillkürte Parteierweiterung

13. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Vermieter V erhält schon seit einigen Monaten keine Mietzahlungen mehr für seine an die Eheleute E und F vermietete Wohnung. Da er weiß, dass F mehr verdient als E, erhebt er Zahlungsklage gegen F, verstirbt jedoch kurz darauf. Sein Sohn S (alleiniger Erbe) will die Klage auf E erweitern. ‌

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Einordnung des Falls

Einführungsfall: gesetzlicher Parteiwechsel und gewillkürte Parteierweiterung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Eintritt des S in den Rechtsstreit und die Erweiterung der Klage auf E stellen Parteiänderungen dar.

Ja, in der Tat!

Eine Parteiänderung (= subjektive/persönliche Klageänderung) liegt vor, wenn bei einem Rechtsstreit nach Klageerhebung eine Partei ausgewechselt wird (= Parteiwechsel), eine neue Partei als Kläger beitritt (= Parteibeitritt) oder die Klage auf einen weiteren Beklagten ausgeweitet wird (= Parteierweiterung). S soll anstelle des V als Kläger auftreten. Dies stellt einen Parteiwechsel dar. E soll zusätzlich zu F verklagt werden. Daher wäre dies eine Parteierweiterung.Zum Teil wird der Begriff Parteierweiterung auch als Oberbegriff verwendet, egal ob auf Kläger- oder Beklagtenseite eine weitere Partei hinzukommt.
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2. Eine Parteiänderung kann gesetzlich geregelt sein oder auf Wunsch der Parteien erfolgen.

Ja!

Es gibt gesetzlich geregelte Fälle der Parteiänderung (= gesetzliche Parteiänderung), die an ein bestimmten Ereignis anknüpfen. Das Gesetz kann die Parteiänderung bei Eintritt des Ereignisses entweder direkt anordnen, sodass die Parteiänderung kraft Gesetzes stattfindet oder aber nur regeln bzw. nur die Möglichkeit einer Parteiänderung eröffnen, sodass die Parteiänderung letztlich noch vom Willen der Parteien abhängt. Neben den gesetzlich geregelten Fällen kann eine Parteiänderung ferner auch auf Wunsch der Parteien und unabhängig vom Eintritt eines bestimmten Ereignisses erfolgen (= gewillkürte Parteiänderung).

3. Wenn eine Partei stirbt, endet der Rechtsstreit (§ 239 ZPO).

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 239 Abs. 1 ZPO tritt im Falle des Todes einer Partei eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger ein. Für den Fall, dass eine Partei stirbt, ordnet die Norm somit neben einer Unterbrechung des Verfahrens einen gesetzlichen Parteiwechsel an. Der Parteiwechsel tritt dabei direkt mit dem Tod der Partei und unabhängig vom Willen des Rechtsnachfolgers oder der übrigen Parteien ein. Die Parteiänderung findet also kraft Gesetzes statt. Achtung: War die verstorbene Partei anwaltlich vertreten, wird das Verfahren nicht unterbrochen. Lediglich auf Antrag setzt das Gericht in diesem Fall das Verfahren aus (§§ 246, 248 ZPO), damit sich der Erbe in den Prozess einlesen kann.

4. S wird als alleiniger Erbe des V zum neuen Kläger des Rechtsstreits (§ 239 ZPO).

Ja, in der Tat!

Im Falle des Todes einer Partei tritt eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger ein (§ 239 Abs. 1 ZPO). S ist alleiniger Erbe des V und damit nach § 1922 Abs. 1 BGB sein (Gesamt-)Rechtsnachfolger. Er wird zum neuen Kläger des Rechtsstreits.

5. Eine Ausweitung der Klage auf E stellt eine gewillkürte Parteiänderung dar.

Ja!

Eine Parteiänderung, die nicht gesetzlich geregelt ist, sondern allein auf Wunsch einer Partei des Rechtsstreits stattfinden soll, wird auch als gewillkürte Parteiänderung bezeichnet. Die von S angestrebte Ausweitung der Klage auf E stellt eine Parteiänderung in Form einer Parteierweiterung dar. Mangels gesetzlicher Regelung handelt es sich um eine gewillkürte Parteierweiterung.

6. Die Parteierweiterung auf E ist ausschließlich zulässig, wenn E ihr zustimmt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach der Klageänderungstheorie des BGH richtet sich die Zulässigkeit einer gewillkürten Parteiänderung nach den §§ 263, 267 ZPO analog. Hiernach muss entweder der Beklagte in die Klageänderung einwilligen (§ 263 Alt. 1 ZPO analog) oder das Gericht muss sie für sachdienlich erachten (§ 263 Alt. 2 ZPO analog). Nach § 267 ZPO analog wird die Einwilligung des Beklagten vermutet, wenn er sich in der mündlichen Verhandlung auf die Klage einlässt, ohne zu widersprechen. Eine Erweiterung der Klage auf E stellt eine gewillkürte Parteierweiterung dar. Wenn das Gericht sie für sachdienlich hält, ist sie auch ohne Zustimmung des E zulässig.

7. Die Parteierweiterung auf E ist sachdienlich.

Ja, in der Tat!

Eine Klageänderung ist sachdienlich iSd § 263 Alt. 2 ZPO analog, wenn der bisherige Prozesstoff eine verwertbare Entscheidungsgrundlage bleibt und durch die Zulassung ein neuer Prozess vermieden wird. Mangels anderer Angaben haften E und F gesamtschuldnerisch für die bei V entstandenen Mietschulden (§ 427 BGB). Die Ergebnisse des Prozesses gegen F, wären bei einer Erweiterung der Klage auch in Bezug auf E verwertbar, da E und F aus dem gleichen Vertrag haften. Durch die Parteiänderung wird zudem eine weitere, separate Klage des S gegen E vermieden. Der für eine gewillkürte Parteierweiterung erforderliche zusätzliche Klageantrag gegen den weiteren Beklagten kann auch in der mündlichen Verhandlung und ohne Einhaltung der von § 253 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Form gestellt werden kann (§ 261 Abs. 2 ZPO).

8. Durch die Parteierweiterung entsteht eine Klagehäufung.

Ja!

Eine objektive Klagehäufung besteht, wenn eine Klage mehrere Anträge beinhaltet (Antragsmehrheit). Eine subjektive Klagehäufung liegt vor, wenn auf Kläger- oder Beklagtenseite mehr als eine Person steht (Streitgenossenschaft). Jede subjektive Klagehäufung ist gleichzeitig eine objektive Klagehäufung, da mit jeder Personenmehrheit eine Antragsmehrheit einhergeht: auf Kläger- oder Beklagtenseite steht mehr als eine Person, die jeweils einen eigenen Antrag erhebt oder gegen die sich jeweils ein eigener Antrag richtet. Durch die Parteierweiterung ersteht eine Personenmehrheit auf Beklagtenseite.   Die Voraussetzungen einer Klagehäufung (§ 260 ZPO und §§ 59-62 ZPO) sind keine Zulässigkeitsvoraussetzungen. Liegen sie nicht vor, führt dies somit nicht zur Klageabweisung bzw. einem Prozessurteil, sondern zur Prozesstrennung nach § 145 ZPO. Die §§ 59-62 ZPO werden nach h.M. ferner nur auf Rüge hin überprüft.
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