Referendariat

Die zivilrechtliche Urteilsklausur

Klageänderung

Gewillkürter Parteiwechsel auf Beklagtenseite: Rubrumsberichtigung / Zustimmung des alten Beklagten?

Gewillkürter Parteiwechsel auf Beklagtenseite: Rubrumsberichtigung / Zustimmung des alten Beklagten?

12. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

S wurde von M mit dem Auto angefahren und erhebt Schadensersatzklage gegen M und gegen G, den er für den Halter des Fahrzeugs hält. Er bemerkt erst danach, dass er Ms Nachnamen in der Klage falsch geschrieben hat und, dass nicht G, sondern H der Halter ist. Er möchte die Klage entsprechend ändern. ‌

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Einordnung des Falls

Gewillkürter Parteiwechsel auf Beklagtenseite: Rubrumsberichtigung / Zustimmung des alten Beklagten?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Berichtigung von Ms Nachnamen stellt eine Parteiänderung dar.

Nein!

Eine Parteiänderung ist unter anderem dann erforderlich, wenn bei einem Rechtsstreit nach Klageerhebung auf Wunsch des Klägers der Beklagte ausgewechselt wird, weil sich die Klage gegen den aus seiner Sicht falschen Beklagten richtet (= gewillkürter Beklagtenwechsel). Gegen wen sich eine Klage richtet, ist durch Auslegung der gesamten Klageschrift zu ermitteln. Ergibt eine solche Auslegung, dass sich die Klage gegen den aus Klägersicht richtigen Beklagten richtet und dieser nur falsch bezeichnet wurde, bedarf es keiner Parteiänderung. Vielmehr genügt dann eine einfache Rubrumsberichtigung. In der Klageschrift hat S nur den Nachnamen des M falsch geschrieben. Eine Auslegung dürfte ergeben, dass sich die Klage dennoch gegen M richten soll. S hält M für den richtigen Beklagten, sodass nur eine Rubrumsberichtigung vorzunehmen ist.
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2. Die Umstellung der Klage auf den Beklagten H anstelle des Beklagten G stellt eine Parteiänderung dar.

Genau, so ist das!

Eine Parteiänderung (= subjektive/persönliche Klageänderung) liegt vor, wenn bei einem Rechtsstreit nach Klageerhebung eine Partei ausgewechselt wird (= Parteiwechsel), eine neue Partei als Kläger beitritt (= Parteibeitritt) oder die Klage auf einen weiteren Beklagten ausgeweitet wird (= Parteierweiterung). Anstelle des G soll H Beklagter sein. Dies stellt einen Parteiwechsel und damit eine Parteiänderung dar.

3. H muss dem gewillkürten Beklagtenwechsel zustimmen oder das Gericht muss ihn für sachdienlich halten (§§ 263, 267 ZPO analog).

Ja, in der Tat!

Nach der Klageänderungstheorie des BGH richtet sich die Zulässigkeit einer gewillkürten Parteiänderung nach den §§ 263, 267 ZPO analog. Hiernach muss der Beklagte in die Klageänderung einwilligen (§ 263 Alt. 1 ZPO analog oder § 267 ZPO analog) oder das Gericht muss sie für sachdienlich erachten (§ 263 Alt. 2 ZPO analog). Bei einem gewillkürten Beklagtenwechsel ist der neue Beklagte als Beklagter iSd §§ 263, 267 ZPO analog anzusehen, auf dessen Einwilligung es ankommt. Der Beklagtenwechsel bedarf der Zustimmung des H oder das Gericht muss sie für sachdienlich halten.

4. Es bedarf niemals der Zustimmung des alten Beklagten zu einem Beklagtenwechsel.

Nein!

Eine Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden (§ 269 Abs. 1 ZPO analog). Ein Beklagtenwechsel stellt für den alten Beklagten stets eine Klagerücknahme dar. Sofern er bereits vor Beginn der mündlichen Verhandlung stattfindet, ist er also auch ohne Zustimmung des alten Beklagten zulässig. Ein Beklagtenwechsel nach Beginn der mündlichen Verhandlung bedarf dagegen der Zustimmung des alten Beklagten nach § 269 Abs. 1 ZPO analog.Vorliegend hat noch keine mündliche Verhandlung stattgefunden, sodass es Gs Zustimmung nicht bedarf.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

LUKAA

Lukaas

6.8.2024, 15:05:03

Hey, nach meinem Verständnis bedarf es für den gewillkürten Parteiwechsel nicht der Zustimmung des neuen Beklagten (so aber eure Lösung zu der Aussage: „H muss dem gewillkürten Beklagtenwechsel zustimmen oder das Gericht muss ihn für sachdienlich halten (§§ 263, 267 ZPO analog).“). Das ergibt sich auch aus der Kommentierung im Thomas/Putzo, Vor § 50 ZPO, Rn. 22; wonach die Zustimmung nur erforderlich ist, wenn die Prozesshandlungen des Vorgängers für und gegen ihn gelten sollen. Insofern ist die vorgeschlagene Lösung, dass die Einwilligung in jedem Fall notwendig sei, nicht ganz korrekt. Das ergibt im Ergebnis auch Sinn, da der Beklagte bei einer losgelösten Klage ja auch nicht zustimmen muss. Vielleicht könntet ihr das nochmal deutlicher hervorheben, dass das Zustimmungserfordernis nur dann gilt, wenn die Prozesshandlungen des Vorgängers auch für den neuen Beklagten gelten sollen. :)


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