Referendariat

Die Revisionsklausur im Assessorexamen

Begründetheit II: Verletzungen des Verfahrensrechts (Verfahrensrüge)

Fristversäumnis - Nicht voraussehbarer und unabwendbarer Umstand, § 275 Abs. 1 S. 4 StPO

Fristversäumnis - Nicht voraussehbarer und unabwendbarer Umstand, § 275 Abs. 1 S. 4 StPO

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird am 25.04.2007, nach elftägiger Hauptverhandlung, vor dem Landgericht verurteilt. Der Berichterstatter B war zwischenzeitlich bis zum 02.07.2007 erkrankt, weshalb das Urteil erst am 04.07. zur Akte gelangte. Der Zugriff auf Bs Prozessnotizen war den anderen Richtern möglich. A geht in Revision.

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Einordnung des Falls

Fristversäumnis - Nicht voraussehbarer und unabwendbarer Umstand, § 275 Abs. 1 S. 4 StPO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Urteil musste hier grundsätzlich nach neun Wochen, also bis zum 27.06.2007, zu den Akten gelangen (§ 275 Abs. 1 S. 1, 2 StPO).

Ja, in der Tat!

Ist das Urteil mit den Gründen nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden, so ist es unverzüglich zu den Akten zu bringen. Dies muss spätestens fünf Wochen nach der Verkündung geschehen. Diese Frist verlängert sich, wenn die Hauptverhandlung länger als drei Tage gedauert hat, um zwei Wochen, und wenn die Hauptverhandlung länger als zehn Tage gedauert hat, für jeden begonnenen Abschnitt von zehn Hauptverhandlungstagen um weitere zwei Wochen.Da die Verhandlung elf Tage dauerte, verlängert sich die Fünf-Wochen-Frist um vier Wochen. Zwei Wochen, da die Verhandlung länger als drei Tage dauerte und nochmals zwei Wochen, da sie länger als zehn Tage dauerte und ein neuer Zehn-Tages-Abschnitt begonnen wurde. Das Urteil hätte somit bis zum 27.06.2007 zu den Akten gelangen müssen.
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2. Die Frist darf nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an der Einhaltung gehindert wurde (§ 275 Abs. 1 S. 4 StPO).

Ja!

Ein Überschreiten der Frist kommt nur aufgrund eines im Einzelfall nicht voraussehbaren und unabwendbaren Umstands in Betracht (§ 275 Abs. 2 S. 4 StPO). Dies setzt voraus, dass das Gericht nicht mit diesem Umstand zu rechnen brauchte und deshalb auch nicht gehalten war, entsprechende Vorkehrungen für die Fristeinhaltung zu treffen. Nach Wegfall des Hindernisses muss das Urteil mit größtmöglicher Beschleunigung zu den Akten gebracht werden.

3. Das Urteil war hier fristgerecht zu den Akten gebracht, weil die Fristüberschreitung nach § 275 Abs. 1 S. 4 StPO gerechtfertigt war.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Frist darf nur aufgrund eines im Einzelfall nicht voraussehbaren und unabwendbaren Umstands überschritten werden (§ 275 Abs. 2 S. 4 StPO), also wenn das Gericht nicht mit diesem Umstand zu rechnen brauchte und deshalb auch nicht gehalten war, entsprechende Vorkehrungen für die Fristeinhaltung zu treffen.Eine unvorhergesehene Erkrankung eines entscheidenden Richters kann zwar grundsätzlich einen Rechtfertigungsgrund darstellen. Dies ist regelmäßig aber nur der Fall, wenn es sich um den einzigen Berufsrichter handelt. In Kollegialorganen kann das Urteil auch durch die anderen beteiligten Berufsrichter fertiggestellt werden, notfalls mit Verhinderungsvermerk (§ 275 Abs. 2 S. 2 StPO). Hier hatten die anderen Richter Zugriff auf Bs Unterlagen, waren also nicht an der Fertigstellung gehindert.

4. Muss A in seiner Revision darlegen, dass das Urteil auf dem Fristversäumnis beruht (§ 337 StPO)?

Nein, das trifft nicht zu!

Dass das Urteil darauf beruht, dass das schriftliche Urteil zu spät zu den Akten gebracht wurde, wird nach § 338 Nr. 7 StPO unwiderleglich vermutet.
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