Verhinderungsvermerk, § 275 Abs. 2 StPO

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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A wird vor dem Landgericht verurteilt. Berichterstatterin B unterzeichnet das Urteil und bringt es nach Fertigstellung am letzten Tag der Absetzungsfrist zur Akte. Auf dem Urteil vermerkt sie, Vorsitzende und Beisitzer seien „aus dienstlichen Gründen” an der Unterschrift gehindert. Beide waren wegen des Betriebsausflugs des Gerichts abwesend.

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Einordnung des Falls

Verhinderungsvermerk, § 275 Abs. 2 StPO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Urteil ist immer nur dann vollständig zur Akte gebracht, wenn es von allen beteiligten Berufsrichtern persönlich unterschrieben wurde (§ 275 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 StPO).

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO muss das Urteil von allen beteiligten Berufsrichtern unterschrieben werden. Erst dann ist es vollständig. Mit der Unterschrift bezeugen die Richter, dass die Urteilsgründe das Ergebnis der Beratung vollständig und wahrheitsgetreu wiedergeben. Diese Regelung gilt nach § 275 Abs. 2 S. 2 StPO nicht ausnahmslos. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden - oder in dessen Abwesenheit durch den dienstältesten Richter - unter dem Urteil vermerkt. Das Urteil ist nicht „für“ den Verhinderten zu unterschreiben, sondern lediglich die Tatsache der Verhinderung zu bezeugen und deren Grund anzugeben.Achtung: Der Unterschrift der Schöffen bedarf es gerade nicht (§ 275 Abs. 2 S. 3 StPO).
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2. Wird ein Verhinderungsvermerk angebracht, prüft das Revisionsgericht immer, ob der Richter, der das Urteil nicht unterzeichnete, tatsächlich verhindert war.

Nein, das trifft nicht zu!

Das Gesetz enthält keine Beschränkung der Gründe. Der angegebene Umstand muss nur generell geeignet sein, den Richter von der Unterschrift abzuhalten. Dann wird die Frage, ob er im Einzelfall tatsächlich vorgelegen und zur Verhinderung geführt hat, im Rechtsmittelzug in der Regel nicht mehr geprüft, denn diese Beurteilung obliegt dem Vorsitzenden. Anders ist es, wenn der Vorsitzende seinen Beurteilungsspielraum überschreitet, also (1) der Beschwerdeführer geltend macht, dass der Verhinderungsvermerk auf willkürlichen, sachfremden Erwägungen beruht, (2) der Vermerk die Verhinderung nicht schlüssig ergibt oder (3) der Vermerk gänzlich fehlt.

3. As Revision hat Erfolg, da der pauschale Verweis auf anderweitige Dienstgeschäfte die Verhinderung schon generell nicht begründen kann und der Verhinderungsvermerk das Urteil so nicht vervollständigte.

Nein!

Der angegebene Umstand nach § 275 Abs. 2 S. 2 StPO muss generell geeignet sein, den Richter von der Unterschrift abzuhalten.Auch andere Dienstgeschäfte können die Verhinderung begründen. Weil dies generell der Fall sein kann, brauchen sie im Verhinderungsvermerk auch nicht im Einzelnen näher dargelegt zu werden. Es ist Sache des pflichtgemäßen Ermessens, Dauer, Gewicht und Dringlichkeit der konkurrierenden Amtsgeschäfte gegeneinander abzuwägen.Vorliegend nahm der BGH auch keine Willkür an. Es sei eine vertretbare Auffassung, die Teilnahme am Ausflug der Behörde als Wahrnehmung eines Dienstgeschäfts anzusehen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ZO

ZozanP

17.8.2024, 19:17:35

wieso ist die Arbeitsüberlastung kein tauglicher Verhinderungsgrund als innerbetriebliche Organisation, aber ein Dienstausflug schon? das ist doch ebenso einer innerbetrieblichen Organisation geschuldet…


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