Referendariat

Die Revisionsklausur im Assessorexamen

Begründetheit III: Verletzungen des sachlichen Rechts (Sachrüge)

Strafzumessung - Fehlen von Strafmilderungsgründen hat keine strafschärfende Wirkung

Strafzumessung - Fehlen von Strafmilderungsgründen hat keine strafschärfende Wirkung

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird wegen gefährlicher Körperverletzung (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 StGB) verurteilt. Strafschärfend legt das Gericht zugrunde, dass A „keine Reue zeigte, sich nicht um das Opfer kümmerte und keinen Anlass zur Tat hatte.“

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Einordnung des Falls

Strafzumessung - Fehlen von Strafmilderungsgründen hat keine strafschärfende Wirkung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Tatgericht darf das Vor- und Nachtatverhalten des Täters, sowie seine Motivlage bei der Strafzumessung berücksichtigen (§ 46 Abs. 2 StGB).

Genau, so ist das!

Das Tatgericht hat alle für und gegen den Täter sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen, um die konkrete Strafe innerhalb des Strafrahmens zu finden. Hier zählt nicht nur das unmittelbare Tatgeschehen, sondern auch das Vor- und Nachtatverhalten, die Folgen von Tat, Strafe und Verfahren in ihrer Wirkung auf den Täter, aber auch völlig tat- und täterneutrale Gesichtspunkte, wie die lange Zeit zwischen Tat und Urteil.
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2. Das Fehlen von Strafmilderungsgründen darf nicht umgekehrt strafschärfend gewertet werden.

Ja, in der Tat!

Besondere Umstände der Tat können strafmildernd wirken, etwa eine nachvollziehbare Motivlage des Täters oder das Bemühen um Wiedergutmachung. Liegen diese Gesichtspunkt nicht vor, darf dies nicht umgekehrt strafschärfend gewertet werden. Denn bloß fiktive Erwägungen über hypothetische Umstände, die zu der Tat, wie sie sich tatsächlich abgespielt hat, keinen Bezug haben, spielen in der Strafzumessung keine Rolle. Als Faustregel kannst du fragen, ob das Gericht hier ein fiktives Ideal-Verhalten As vor Augen hat, das milder zu bestrafen wäre. Das Gericht darf sich nur auf den tatsächlichen Tatablauf stützen, etwa die besondere Brutalität oder Rücksichtslosigkeit des Täters, nicht darauf, wie er sich nach Ansicht des Gerichts zu verhalten hätte.

3. Die Strafzumessung des Tatgerichts war rechtsfehlerfrei.

Nein!

Das Tatgericht (1) stellt die wesentlichen belastenden und entlastenden Umstände fest, (2) bewertet sie und (3) wägt sie gegeneinander ab. Fehlerhaft ist die Strafzumessung, u.a. wenn das Gericht das Fehlen strafmildernder Umstände strafschärfend wertet. Das Tatgericht darf die Motivlage des Täters, seine Einstellung zur Tat und das Nachtatverhalten in der Strafzumessung berücksichtigen. Vorliegend hat es aber das Verhalten des A an einem fiktiven Sachverhalt gemessen. Wäre A reuig gewesen, hätte er sich um die Rettung des Opfers bemüht oder ein nachvollziehbares Motiv gehabt, würde dies strafmildernd wirken. Liegen diese Umstände nicht vor, darf dies dagegen nicht - wie hier - strafschärfend gewertet.

4. Es wäre dagegen rechtmäßig, das Fehlen strafschärfender Umstände strafmildernd zu berücksichtigen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Es gilt auch umgekehrt, dass das Fehlen von strafschärfenden Gesichtspunkten nicht strafmildernd gewertet werden darf. Es wäre etwa unzulässig, strafmildernd zu werten, dass der A das Opfer nicht in einer lebensgefährdenden Weise attackiert hat. Dann misst das Gericht das Verhalten des A an einem fiktiven Sachverhalt, der die Qualifikation des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB erfüllen würde. Solche fiktiven Erwägungen dürfen in der Strafzumessung keine Rolle spielen.Achtung: nicht jede negative Formulierung in der Strafzumessung ist gleich rechtsfehlerhaft. Stellt das Gericht nur fest, dass bestimmte strafmildernde oder -schärfende Umstände nicht vorliegen, ohne dass sie dies umgekehrt strafschärfend oder -mildernd werten, liegt kein Rechtsfehler vor. In der Klausur gilt es hier sauber zu arbeiten.
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