Strafzumessung - Unzulässigkeit von Eventualbegründungen

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Das Gericht wertet in der mündlichen Urteilsverkündung eine Vorstrafe des A strafschärfend, die aber tilgungsfähig (§ 45 BZRG) war. In der schriftlichen Urteilsbegründung schreibt das Gericht, es hätte die Strafe „auch ohne die Vorstrafe verhängt" und behält die Strafe bei.

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Einordnung des Falls

Strafzumessung - Unzulässigkeit von Eventualbegründungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Gericht durfte die tilgungsfähige Vorstrafe des A in der Strafzumessung nicht strafschärfend berücksichtigen (§ 51 Abs. 1 BZRG).

Ja!

Ist die Eintragung über eine Verurteilung im Bundeszentralregister getilgt oder tilgungsfähig, so dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden (§ 51 Abs. 1 BZRG).Daraus ergibt sich für die vorliegende Vorstrafe ein Verwertungsverbot. Die Verwertung im Rahmen der Strafzumessung war unzulässig.
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2. Der Fehler ist aber unbeachtlich, da das Tatgericht im schriftlichen Urteil festhält, dass sich an der Strafzumessung auch ohne die Vorstrafe nichts geändert hätte.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die vom Tatgericht verhängte Strafe muss dem tatsächlich und rechtlich eindeutig festzustellenden Verhalten des Angeklagten entsprechen. Eventualbegründungen der Strafzumessung wie die vorliegende, mit dem Inhalt, dass das Gericht zur gleichen Strafe gekommen wäre, wenn ein tatsächlich oder rechtlich abweichender Sachverhalt der Strafzumessung zugrunde zu legen gewesen wäre, sind deshalb unzulässig. Es lässt sich hier nicht ohne Weiteres feststellen, dass die fehlerhafte Berücksichtigung der Vorstrafe wirklich keinen Einfluss auf das Strafmaß ausgeübt hat.

3. Das Urteil beruht hier auch auf der fehlerhaften Berücksichtigung der Vorstrafe.

Ja, in der Tat!

Ein Gesetzesverstoß begründet die Revision nur, wenn das Urteil auf ihm beruht, die Entscheidung also bei richtiger Anwendung des Gesetzes anders ausgefallen wäre. Die bloße Möglichkeit, dass das Urteil auf dem Fehler beruht, reicht dabei aus. Das Urteil beruht bei einer Eventualbegründung nur auf dem Fehler, wenn das Revisionsgericht den alternativen Sachverhalt für gegeben hält und nicht den ursprünglich vom Tatgericht angenommenen. Vorliegend ist klar, dass die Vorstrafe im Urteil nicht verwertet werden durfte, wie vom Tatgericht zunächst angenommen. Damit ist vom alternativ festgestellten Sachverhalt auszugehen und das Urteil beruht auf dem Fehler.
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