Strafzumessung - Berücksichtigung ausgeschiedenen Verfahrensstoffs

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird wegen Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB) verurteilt. Das Gericht stellt fest und wertet strafschärfend, dass A auf der Flucht einen Autounfall verursachte, obwohl bezüglich der Unfallfahrt das Verfahren zuvor eingestellt (§ 154 Abs. 2 StPO) wurde. Ein Hinweis erging im Prozess nicht.

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Einordnung des Falls

Strafzumessung - Berücksichtigung ausgeschiedenen Verfahrensstoffs

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Durch die Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO wurde der Sachverhalt um das Unfallgeschehen aus dem Prozess ausgeschieden.

Ja, in der Tat!

Über § 154 Abs. 2 StPO kann ein bestimmter Lebenssachverhalt, der eine prozessuale Tat bildet (§ 264 StPO), aus dem Verfahren ausgeschieden werden. Über diesen Sachverhalt darf dann kein Urteil ergehen, sofern das Gericht die Tat nicht ausdrücklich durch Gerichtsbeschluss wieder in das Verfahren einbezieht (§ 154 Abs. 5 StPO).Vorliegend wurde das Verfahren hinsichtlich des Geschehens um den Unfall eingestellt und nicht mehr durch Beschluss einbezogen. Das Geschehen um die Unfalltat ist so nicht mehr Prozessstoff.
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2. Wurde eine Tat nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, ist es auch rechtsfehlerhaft, den Sachverhalt bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.

Nein!

Nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellte Taten können in der Strafzumessung berücksichtigt werden, wenn sie (1) prozessordnungsgemäß festgestellt sind, (2) in den Urteilsgründen so konkret dargestellt werden, dass sie in ihrem wesentlichen Unrechtsgehalt abgeschätzt werden können und (3) der Angeklagte darauf hingewiesen wurde, dass trotz Einstellung sein Verhalten straferschwerend berücksichtigt werden soll.

3. War die Berücksichtigung der Unfallfahrt in der Strafzumessung war vorliegend zulässig.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine eingestellte Tat darf nur berücksichtigt werden, wenn sie (1) prozessordnungsgemäß festgestellt ist, (2) in den Urteilsgründen so konkret dargestellt wird, dass sie in ihrem wesentlichen Unrechtsgehalt abgeschätzt werden kann und (3) der Angeklagte auf die Berücksichtigung in der Strafzumessung hingewiesen wurde. Vorliegend wurde A zumindest nicht darauf hingewiesen, dass das Tatgericht das festgestellte Unfallgeschehen als Nachtatverhalten strafschärfend berücksichtigen wird. Damit wurde der Sachverhalt rund um den Unfall nicht ordnungsgemäß wieder einbezogen und durfte in der Strafzumessung nicht verwertet werden.

4. Der fehlende Hinweis kann mit der Sachrüge (§ 344 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 StPO) geltend gemacht werden.

Nein, das trifft nicht zu!

Mit der Sachrüge können nur sachlichrechtliche Fehler geltend gemacht werden.Die Hinweispflicht ergibt sich aus § 265 StPO analog und dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 6 EMRK). Der Angeklagte darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine eingestellte Tat ausgeschieden bleibt, sofern sie nicht förmlich wieder einbezogen wird oder ein entsprechender Hinweis erteilt wird. Wird der Hinweis nicht erteilt, stellt dies aber einen Verfahrensfehler dar, der mit der Verfahrensrüge (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO) geltend gemacht werden muss. Mit der Sachrüge hätte A hier also keinen Erfolg.
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