Öffentliches Recht

VwGO

Widerspruchsverfahren

Kein Vorverfahren: § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwGO (erstmalige Beschwer eines Dritten durch Abhilfebescheid)

Kein Vorverfahren: § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwGO (erstmalige Beschwer eines Dritten durch Abhilfebescheid)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Ken (K) beantragt eine Baugenehmigung für sein Mojo Dojo Casa House. Die Genehmigung wird K aufgrund von Einwendungen seiner Nachbarin B versagt. K legt Widerspruch gegen die Versagung ein. Die Behörde hilft K ab und erteilt die Baugenehmigung. B will dagegen vorgehen.

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Einordnung des Falls

Kein Vorverfahren: § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwGO (erstmalige Beschwer eines Dritten durch Abhilfebescheid)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ks Widerspruchsverfahren endete durch Abhilfe der Ausgangsbehörde (§ 72 VwGO).

Ja!

Hält die Ausgangsbehörde den Widerspruch für begründet, so hilft sie diesem ab. Das bedeutet dass sie den (belastenden) erlassenen Verwaltungsakt aufhebt und – im Falle des § 68 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 VwGO – den begehrten Verwaltungsakt erlässt. Die Behörde hat Ks Widerspruch abgeholfen. Da Ks Widerspruch sich gegen die Ablehnung einer beantragten Baugenehmigung richtete (§ 68 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 VwGO), bedeutet Abhilfe hier, dass die Behörde die Ablehnung aufgehoben und die begehrte Genehmigung erlassen hat.
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2. B will gegen die Erteilung der Baugenehmigung durch den Abhilfebescheid vorgehen. Nach § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO hiergegen grundsätzlich das Vorverfahren statthaft.

Genau, so ist das!

Begehrt der Rechtsschutzsuchende die Aufhebung eines Verwaltungsakts, ist an die Anfechtungsklage zu denken (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Vor der Erhebung der Anfechtungsklage muss der Rechtsschutzsuchende gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO erfolglos ein Vorverfahren durchgeführt haben. Das Vorverfahren (= Widerspruchsverfahren) ist zwingende Prozessvoraussetzung, soweit nicht eine Ausnahme vorliegt. Es beginnt mit Erhebung des Widerspruchs (§ 69 VwGO). Der Abhilfebescheid (§ 72 VwGO) ist ein Verwaltungsakt. Wenn B die Aufhebung der darin enthaltenen Baugenehmigung erreichen will, könnte B die Anfechtungsklage erheben.

3. Nach § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwGO ist ein Vorverfahren auch dann durchzuführen, wenn der im Widerspruchsverfahren ergangene Bescheid eine erstmalige Beschwer enthält.

Nein, das trifft nicht zu!

§ 68 Abs. 1 S. 2 VwGO enthält gesetzliche Ausnahmeregelungen von der Notwendigkeit der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens. Bei erstmaliger Beschwer durch den Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid ist die Durchführung eines weiteren Widerspruchsverfahrens entbehrlich (§ 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwGO). Denn durch das erste Widerspruchsverfahren hat eine ausreichende Selbstkontrolle der Verwaltung stattgefunden. Eine zweite Überprüfung würde zur Verzögerung des Rechtsschutzes führen. Die Ausnahme besteht sowohl bei erstmaliger Beschwer des Widerspruchsführers selbst als auch eines Dritten.

4. Der Widerspruchsbescheid enthält erstmalig eine Beschwer, wenn er einen rechtlichen Nachteil enthält, den der angegriffene Ausgangsbescheid nicht enthielt. Enthält der Abhilfebescheid eine erstmalige Beschwer für B?

Ja!

Nach § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwGO bedarf es keines Vorverfahrens, wenn der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält. Der Widerspruchsbescheid enthält erstmalig eine Beschwer, wenn er einen rechtlichen Nachteil enthält, den der angegriffene Ausgangsbescheid nicht enthielt. Die Ablehnung der Baugenehmigung (= Ausgangsbescheid) war für K belastend, aber für B begünstigend. Der Abhilfebescheid, mit dem K seine Baugenehmigung nun doch bekommt, enthält für B eine Beschwer, die der Ausgangsbescheid gerade nicht enthielt. B ist somit erstmalig beschwert. Sie kann daher Anfechtungsklage erheben, ohne dass es für die Zulässigkeit der Durchführung eines Vorverfahrens bedarf (§ 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwGO).
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