Öffentliches Recht

VwGO

Widerspruchsverfahren

Entbehrlichkeit bei Untätigkeitsklage (§ 75 S. 1 Alt. 1 VwGO)

Entbehrlichkeit bei Untätigkeitsklage (§ 75 S. 1 Alt. 1 VwGO)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Behörde B erteilt Steuerberaterin S eine Gewerbeuntersagung, weil S seit 5 Jahren keine Steuern gezahlt hat. S legt Widerspruch ein. Faulpelz F lässt den Widerspruch von S vier Monate unbearbeitet. S will nun endlich klagen.

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Einordnung des Falls

Entbehrlichkeit bei Untätigkeitsklage (§ 75 S. 1 Alt. 1 VwGO)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S will die Aufhebung der Gewerbeuntersagung erreichen. Ist die Verpflichtungsklage statthaft (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO)?

Nein, das trifft nicht zu!

Begehrt der Kläger die Aufhebung eines Verwaltungsakts (§ 35 S. 1 VwVfG), so ist die Anfechtungsklage statthaft (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Die Gewerbeuntersagung ist ein Verwaltungsakt. Statthaft ist die Anfechtungsklage.
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2. Die erfolglose Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ist grundsätzlich eine Sachentscheidungsvoraussetzung der Anfechtungsklage (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Ja!

Vor Erhebung der Anfechtungsklage ist die Sach- und Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts grundsätzlich in einem Vorverfahren zu überprüfen (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO). Das Vorverfahren beginnt mit Erhebung des Widerspruchs (§ 69 VwGO) und endet mit Erlass eines Abhilfe- oder Widerspruchsbescheids (§§ 72, 73 VwGO). „Vor“ Erhebung der Anfechtungsklage meint, dass das Widerspruchsverfahren zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgeschlossen sein muss. Man kann also bereits Klage erheben, auch wenn der Kläger noch keinen Widerspruch erhoben oder die Behörde noch nicht über den Widerspruch entschieden hat.

3. Kann die B die Zulässigkeit einer Klage dadurch verhindern, dass sie das Vorverfahren in die Länge zieht (vgl. § 75 VwGO)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Grundsätzlich ist die Durchführung eines Vorverfahrens Sachurteilsvoraussetzung der Anfechtungsklage (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO). Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes besteht hiervon eine Ausnahme, wenn die Behörde zu lange braucht, um über den Widerspruch zu entscheiden (§ 75 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 VwGO). Nach § 75 Abs. 1 S. 1 VwGO ist eine Klage – abweichend von § 68 VwGO – zulässig, wenn die Behörde in einer angemessenen Frist ohne sachlichen Grund nicht über den Widerspruch entscheidet. Wenn B den Widerspruch ohne sachlichen Grund zu lange nicht entscheidet, so ist S Klage nach Maßgabe des § 75 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 VwGO zulässig.

4. B hat S Widerspruch seit vier Monaten ohne sachlichen Grund nicht beschieden. Das Vorverfahren ist damit keine Zulässigkeitsvoraussetzungen für S Klage (§ 75 Abs. 1 S. 1, S. 2 VwGO).

Ja, in der Tat!

Nach § 75 Abs. 1 S. 1 VwGO ist eine Klage – entgegen § 68 VwGO – zulässig, wenn die Behörde in einer angemessenen Frist ohne sachlichen Grund nicht über den Widerspruch entscheidet. Die angemessene Frist ist jedenfalls nach drei Monaten abgelaufen, in besonderen Ausnahmefällen kann die angemessene Frist auch kürzer sein (§ 75 Abs. 1 S. 2 VwGO). Die Frist aus § 75 Abs. 1 S. 2 VwGO ist abgelaufen. Ein sachlicher Grund hierfür ist nicht ersichtlich. Nach § 75 Abs. 1 S. 1 VwGO ist S Anfechtungsklage ohne ein abgeschlossenes Widerspruchsverfahren zulässig. Man spricht hier auch von einer sog. Untätigkeitsklage. Dies ist aber keine eigene Klageart. Der Begriff macht nur deutlich, dass die Klage unter den besonderen Voraussetzungen des § 75 Abs. 1 VwGO zulässig ist.
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